Strukturierte Produkte haben ein rasantes Wachstum verzeichnet. Rasch, ohne enge gesetzliche Auflagen und mit geringen Risiken liess sich zu jeder noch so ausgefallenen Anlageidee das entsprechende Zertifikat kreieren.

Doch mit der Börsenbaisse ist die steile Bergfahrt vorerst gebremst worden. Jetzt zeigt sich, was diese Produktgruppe den Anlegern wirklich bringt. Vermehrt sehen sich diese mit unerwarteten Verlusten konfrontiert. Oder mit einer Position von Aktien, die man gar nie zu kaufen beabsichtigte. Thomas Metzger vom VZ VermögensZentrum: «Wir haben eine Zunahme von Anlegern, die sich mit solchen Problemen an uns wenden.» Die Finanzbranche hat viel Erklärungs- und Aufklärungsbedarf (siehe dazu das Interview mit Verbandspräsident Roger Studer im Nebenartikel).

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Die Zeit drängt. Schliesslich muss bei einer weiteren Ausbreitung der Finanzkrise mit gravierenderen Problemen, etwa dem Ausfall eines namhaften Emittenten, gerechnet werden. Die Folgen sind nicht absehbar. Vor allem muss sich dann zeigen, ob beispielsweise die Garantie eines Bankhauses, dessen Tochter auf einer exotischen Insel ein Produkt ausgegeben hat, wirklich gilt oder ob es bloss einer von zwölf Mythen ist, die BILANZ in dieser und der nächsten Ausgabe erörtert.

1. Strukturierte Produkte sind weit verbreitet und werden immer beliebter

Die Wachstumszahlen, welche die Branche publiziert, sind eindrücklich. Letztes Jahr hat der Umsatz mit strukturierten Produkten an der Schweizer Börse um 57 Prozent auf über 75 Milliarden Franken zugenommen. Die Zahl der kotierten Produkte hat sich innert Jahresfrist auf über 21  000 rund verdoppelt. Das Volumen in den Wertschriftendepots der Schweizer Banken beläuft sich auf 346 Milliarden, 15 Prozent mehr als Ende 2006.

Allerdings stagniert dieses Volumen seit letzen Mai. Nur ein geringer Teil entfällt zudem auf Schweizer Anleger, nämlich 89 Milliarden. Bei einem gesamten Wertschriftenanteil von 2,2 Billionen Franken sind das erst 4,1 Prozent. Der weitaus grösste Anteil an strukturierten Produkten befindet sich in den Portefeuilles ausländischer Depotinhaber, wie die Nationalbankstatistik zeigt. Mit 257 Milliarden Franken beträgt deren Anteil am ausländischen Depotvolumen 8,2 Prozent.

Dieser klar höhere Anteil dürfte drei Gründe haben. Einerseits sind die durchschnittlichen Vermögen der ausländischen Depotinhaber deutlich grösser als jene der schweizerischen und deshalb besser geeignet für den Einsatz strukturierter Produkte. Zudem wird in der Schweiz nur ein Teil – der freie Anlageteil – des Vermögens deponiert, der einen höheren Anteil an Zertifikaten zulässt. Und schliesslich werden diese Vermögen in der Regel auf Mandatsbasis von professionellen Vermögensverwaltern betreut, die gezielter und mit mehr Know-how Zertifikate einsetzen als Schweizer Privatanleger.

Rund zwei Drittel der Umsätze in strukturierten Produkten an der hiesigen Börse entfallen zudem auf Hebelprodukte, sogenannte Call- oder Put-Warrants. Nur je 15 Prozent machen Partizipations- und Renditeoptimierungsprodukte aus, etwa fünf Prozent der Umsätze erfolgen in Kapitalschutzprodukten. Wie hoch die Anteile der einzelnen Kategorien in den Depots sind, ist nicht eruierbar.

Fazit: Trifft nicht zu

2. Strukturierte Produkte sind rentabler als die direkte Anlage in Aktien

Einem Renditeoptimierungsprodukt liegen ein oder mehrere Basiswerte zugrunde, in der Regel Aktien. Wird in einer bestimmten Laufzeit von keiner der Aktien ein bestimmtes Niveau, die Barriere, erreicht, erhält der Anleger seinen Einsatz zuzüglich eines Zinses zurückbezahlt. Wird die Barriere verletzt, wird dem Anleger zwar der Zins bezahlt, doch statt der Rückzahlung des Einsatzes erhält er die schlechteste Aktie. Mit den Kurseinbrüchen haben diese Produkte nun reihenweise die Barrieren überschritten. Während in der Börsenhausse die Renditen nicht hoch genug sein konnten und die Barrieren kaum Beachtung fanden, hat sich dies nun erheblich geändert.

Bei den Renditeoptimierungsprodukten ist hinlänglich bekannt, dass die Risiken eines Produktes steigen, je grösser der Korb an Basiswerten ist, die dem Zertifikat zugrunde liegen. Bei drei Aktien zum Beispiel besteht das Risiko, dass eine davon die Barriere, welche die Auslieferung der schlechtesten Aktie zur Folge hätte, verletzt. Bei fünf Aktien kann eine von fünf die Schwelle unterschreiten, womit das Risiko, dass dieses Ereignis eintrifft, steigt.

Mit der Börsenbaisse werden nun weitere Risiken zutage gefördert. Hat ein Anleger zum Beispiel drei Renditeoptimierungsprodukte gekauft, die alle UBS-Aktien als Basiswert enthalten, besteht die Möglichkeit, dass ihm plötzlich aus allen drei Produkten UBS-Aktien ausgeliefert werden. Seine Position an UBS-Aktien ist dann trotz den massiven Kursverlusten überproportional hoch im Verhältnis zu seinem Anlagevermögen, und er sieht sich mit einem erheblichen Klumpenrisiko konfrontiert.

Wird sodann aus einem Renditeoptimierungsprodukt die schlechteste von beispielsweise drei Aktien ausgeliefert, trägt der Anleger somit den höchsten Verlust. Selbst mit dem attraktiven Zinscoupon fällt die Rendite dadurch tiefer aus als bei einer Direktanlage in die drei Aktien, wie die folgende Berechnung des VZ VermögensZentrums zeigt:
Tabelle siehe PDF: Anlagevolumen 10  000 Franken, Laufzeit ein Jahr, drei Aktien

Fazit: Trifft nicht zu

3. Mit der Börsenkotierung wird ein transparenter Handel ermöglicht

Während sich die Zahl der kotierten Produkte nahezu verdoppelt hat, ist das Depotvolumen dieser Produkte nur um 15 Prozent gestiegen. Das durchschnittliche Volumen pro Produkt ist somit geschrumpft. Damit ist auch die nötige Liquidität für den sekundären Handel solcher Produkte an der Börse in Frage gestellt.

Vor allem aber fehlen dem Anleger wesentliche Informationen für einen transparenten Handel. So zum Beispiel die Vergleichbarkeit: Eine Stichprobe von BILANZ hat ergeben, dass keine einzige Aktie aus dem Blue-Chip-Index SMI von mehr als einer Bank als Basiswert für den gleichen Aktienkorb eines strukturierten Produktes eingesetzt wird. Ferner die ungleiche Preisstellung: Die einen geben die Kurse in Prozent an wie bei Obligationen, andere wiederum führen die Preise zum effektiven Betrag auf. Bei den meisten wird zudem der Kurs noch immer ohne Marchzinsen angegeben. Für den Privatanleger ist es daher nahezu unmöglich, die effektive Renditemöglichkeit einschliesslich der Optionenkomponenten, die dem Produkt zugrunde liegen, zu ermitteln. Beim Handel müssen Anleger daher darauf achten, ob der Marchzins auch tatsächlich angerechnet wird.

Fazit: Trifft noch nicht zu

4. Strukturierte Produkte erschliessen Anlegern neue Märkte

Mit strukturierten Produkten werden neue Märkte in Schwellenländern oder florierende Anlageklassen wie Rohstoffe oder Immobilien für Privatanleger zugänglich. Das Risiko besteht aber, dass die klassischen Anlagegrundsätze ungenügend beachtet werden, insbesondere jene der Risikofähigkeit sowie der Vermögensaufteilung. Wie gross soll etwa der Anteil an Orangensaft in einem Anlagevermögen von 500  000 Franken sein? Oder von Uran und von zentralasiatischen Aktienindizes?

Bei neuen Märkten müssen Anleger den Index beachten, auf dem das Produkt beruht. In Deutschland wurde zum Beispiel ein Zertifikat auf den Immobilienindex Naya Bharat kreiert. Dem Index lag bloss eine Aktie einer Immobiliengesellschaft, die ihren Sitz auf der Isle of Man hat, zugrunde. Das Zertifikat wurde dann in weitere Zertifikate eingebettet. Während 2007 der indische Leitindex Sensex 42 Prozent und die Basisaktie 20 Prozent zulegten, gingen die Anleger dieser Zertifikate praktisch leer aus. Die Gebühren haben die Performance wettgemacht.

Gerade bei Schwellenländern enthalten strukturierte Produkte einen Korb verschiedener Börsenindizes. Damit sollte das Risiko diversifiziert werden. Vor allem aber erhöhen sich die Gebühren durch die Anlagen in diese Indizes, die Rendite wird damit empfindlich geschmälert.

Fazit: Trifft zu

5. Anleger können nur über strukturierte Produkte direkt vom Rohstoffboom profitieren

In der Tat haben Anleger nur wenige Möglichkeiten, über Fonds in Rohstoffe zu investieren. Auch der neue Rohstoff-Fonds von Clariden Leu wird nur zum Teil solche Anlagen tätigen. Andernteils wird er, wie die meisten anderen Fonds, indirekt in Aktien von Minenfirmen oder Verarbeitern investieren. Eine der wenigen Ausnahmen ist der kotierte ETF der Zürcher Kantonalbank, der direkt an den Gold-Kilopreis gekoppelt ist.

Ungleich grösser ist die Vielfalt an Zertifikaten auf Rohstoffe. Allerdings bergen noch immer die meisten dieser Produkte ein Rollrisiko. Ein solches besteht in der Investition des Zertifikats in Termingeschäfte der betreffenden Rohstoffe, die laufend erneuert werden müssen und bei steigenden Preisen immer teurer werden. Der sogenannte Contango-Effekt führt zu Rollverlusten. Inzwischen haben zwar einige Emittenten wie etwa UBS oder ABN Amro mit dem neuen Index von Jim Rogers dieses Problem weitgehend ausgemerzt. Ein Vergleich des Branchenmagazins «Payoff» hat jedoch gezeigt, dass Tracker-Zertifikate, die an Rohstoffen partizipieren, einzig bei Palmöl besser abschneiden als der Basispreis. Bei allen anderen boomenden Agrarrohstoffen lagen die Renditen deutlich zurück, bei Baumwolle gar im Minus.

Achten sollten Anleger besonders auch auf das Währungsrisiko. Rohstoffe werden in der Regel in Dollars gehandelt. Mit Quanto-Zertifikaten kann dieses Risiko begrenzt werden. So konnte etwa mit dem währungsgesicherten Quanto-Zertifikat von Goldman Sachs auf Gold im vergangenen Jahr auf Euro-Basis eine Rendite von fast 21 Prozent erzielt werden – doppelt so viel wie bei der Variante ohne Währungssicherung.

Fazit: Trifft zu

6. Strukturierte Produkte sind nur für kurzfristige Anlagen geeignet

Für Hebelprodukte und die meisten Renditeoptimierungsprodukte mag dies zutreffen. Deren Laufzeit beträgt in der Regel längstens ein Jahr. Bei Produkten ohne Zinscoupon wird von der Steuerverwaltung sogar vorgeschrieben, dass die Laufzeit kürzer ist als ein Jahr, damit die daraus resultierenden Erträge nicht als Einkommen zu versteuern sind.

Hingegen gibt es durchaus Partizipations- und Kapitalschutzprodukte mit mehrjährigen oder gar unbeschränkten Laufzeiten, die als Vorsorgeprodukte eingesetzt werden können. Besonders bei Garantiezertifikaten ist die Rendite allerdings selten zufrieden stellend. Die Voraussetzungen für die Performance-Entwicklung der zugrunde liegenden Basiswerte – oft verschiedene Indizes – sind kompliziert und so angelegt, dass sie die in Aussicht gestellte lukrative Rendite kaum erreichen. Ja besonders nach den jüngsten Kurseinbrüchen dürften viele Garantieobjekte eine derart negative Komponente mitschleppen, dass Anleger möglicherweise mit einer weitgehend risikofreien Kassenobligation auch bei einer Markterholung besser gefahren wären.

Anleger sollten deshalb bei den Zertifikaten mit Kapitalschutz solche mit Coupon vorziehen, bei denen die Performance nach einer bestimmten Periode, in der Regel jährlich, neu berechnet wird.

Fazit: Trifft nicht zu