Schutz lässt sich derzeit gut verkaufen. Mitte September etwa verzeichnete ein bedingtes Kapitalschutzzertifikat der Credit Suisse auf den Euribor-Zinssatz für drei Monate mittlere zweistellige Millionen-Tagesumsätze. Laut dem Emittenten standen dahinter einige wenige Transaktionen grosser Kunden.
Schutz heisst hier aber nur Schutz vor Kursverlusten. Zusätzlichen Schutz vor einer Emittentenpleite bieten die von den Derivatehäusern vor drei Jahren erfolgreich lancierten Produkte mit spezieller Pfandbesicherung (siehe «COSI» im «Glossar»).
«Der Fall Lehman hat das Emittentenrisiko nachhaltig in das Bewusstsein der Anleger gerückt», sagt RBS-Zertifikateexperte Florian Stasch. «Anleger gehen seit dem Fall Lehman bewusster mit dem Thema Emittentenrisiko um – und das ist gut so.» Denn Investments sollten nicht nur über verschiedene Anlageklassen, sondern auch über verschiedene Produktanbieter gestreut werden. «Wenn der Investor das Emittentenrisiko grundsätzlich minimieren möchte, hat sich COSI für alle Strukturen als richtiges Mittel etabliert», ergänzt auch Adrian Kwasnitza, Derivatexperte bei Vontobel.
Neu sind Produkte mit Referenzschuldner
COSI hat sich als Marktstandard für die Minimierung des Emittentenrisikos in der Schweiz durchgesetzt und findet nun auch im Ausland immer mehr Anklang. Seit der Einführung dieses Pfandbesicherungssystems im Jahr 2009 ist laut Pedram Payami, Experte bei EFG, das ausstehende Volumen kontinuierlich gestiegen und liegt mittlerweile bei zirka 2,7 Milliarden Franken.
Das sind aber immer noch lediglich 1,5 Prozent der gesamten Gelder, die Anleger in der Schweiz gemäss der jüngsten Statistik des Schweizerischen Verbandes für Strukturierte Produkte (SVSP) insgesamt in strukturierte Produkten angelegt haben. Noch relativ neu sind Produkte mit Referenzschuldnern, die Anlegern ebenfalls einen Schutz vor einer Emittentenpleite bieten. Von diesen sind in den letzten Monaten jeweils 10 bis 30 neue emittiert worden. Diese Innovation kann durchaus auch kritisch betrachtet werden, denn sie birgt das Risiko, dass der Referenzschuldner pleitegeht. Somit wird das Emittentenrisiko, vereinfacht gesagt, einfach umgeleitet auf eine Referenz, die auch pleitegehen kann.
Renditeoptimierung
Die Absicherung des Emittentenrisikos bei COSI und dessen Umleitung bei Produkten mit Referenzschuldnern ist natürlich nicht gratis. Gleiches gilt für den Schutz vor Kapitalverlusten bei den derzeit begehrten Kapitalschutzprodukten. Gemäss Brancheninsidern sollen die Margen der Banken bei Letzteren tendenziell höher sein als bei Vergleichsprodukten mit höheren Risiken, etwa Hebelprodukten.
Ein Grund besteht wohl darin, dass Investoren, die sich selber um ihre Anlagen kümmern, typischerweise Produkte mit höheren Risiken und tieferen Margen für die Emittenten kaufen. Anders bei den Kapitalschutzprodukten: Diese werden nach der Emission oft von Banken aktiv an ihre Stammkundschaft verkauft – und dann schlummern diese kaum gehandelten Papiere in den Depots ihrem Verfall entgegen.
Kapital- und Emittentenschutz haben sicher eine Berechtigung für sehr risikoaverse Anleger. Bewährt haben sich strukturierte Produkte allerdings vor allem als Renditeoptimierer, die Anlegern Gewinne ermöglichen, auch in leicht fallenden und in Seitwärtsmärkten. «Sie haben sich vor allem bei jenen Anlageklassen durchgesetzt, die über einen liquiden Sekundärmarkt verfügen, wie beispielsweise Aktien, Indizes und Rohstoffe», sagt Pedram Payami. «In richtungslosen Märkten können Renditeoptimierungsprodukte wie Barrier Reverse Convertibles einen deutlichen Mehrwert für den Anleger erzielen.»
Coupons im hohen einstelligen Bereich
Rund 500 dieser Produkte sind im vergangenen Jahr Monat für Monat neu auf den Markt gebracht worden. Denn Renditeoptimierungsprodukte sind gerade auch in Zeiten mit rekordtiefen Zinsen attraktiv. Sie gelten vielen Anlegern als optimaler Kompromiss zwischen Risiko und Rendite. «In diesem Umfeld mit niedrigen Zinsen sind viele Investoren – auch institutionelle – gezwungen, höhere Risiken einzugehen, um ihre Renditeziele zu erreichen», sagt Vontobel-Mann Kwasnitza. «Die Frage ist, mit welchem Risiko der Anleger sich wohlfühlt», weiss Payami aus den Gesprächen mit seinen Kunden zu berichten.
Die Barrier Reverse Convertibles bieten oftmals Coupons im hohen einstelligen, manchmal auch im zweistelligen Bereich. Dafür übernehmen die Investoren das Risiko eines relativ grossen Kurseinbruchs beim Basiswert – meist eine Aktie oder ein Aktienindex. Erfolgreich ist die Investition in den Barrier Reverse Convertible, wenn der Basiswert innerhalb einer bestimmten Laufzeit nicht unter die im Voraus definierte Barriere fällt. Je tiefer die Barriere, desto tiefer der Coupon, und je höher die Barriere, desto höher der Coupon. Höhere Coupons sind also verlockend, allerdings risikoreich.
Vorsicht bei der Selektion
Verlockend sind auch strukturierte Produkte, deren Renditen von Aktienmärkten in Schwellenländern abhängen. Allerdings ist hier Vorsicht geboten: Die Bilanz an den Börsen in den Boomstaaten ist teilweise ernüchternd. So liegen die Aktienmärkte in China – Boom hin oder her – deutlich unter dem Niveau vor der Finanzkrise. Und andere beliebte Schwellenländerbörsen wie die in Vietnam, Brasilien oder Russland bescherten Anlegern in den vergangenen Jahren eine Berg-und-Tal-Fahrt. Erst im Frühling 2011 wurde die Mongolei als Anlageziel «entdeckt». Aber die beiden für diesen Markt entwickelten Produkte haben seit der Emission drei Viertel ihres Wertes verloren.
«Einzelne Länderprodukte gehören nicht in das Kernportfolio, sondern in den Satellitenbereich», sagt Florian Stasch von der RBS. Tracker-Zertifikate auf Emerging Markets beispielsweise seien als chancenreiche Beimischung um das konservativer gestaltete Kernportfolio herum einzusetzen.
«Beschäftigt sich ein Investor ausführlich mit Aktienmärkten und hat dementsprechend einen sehr hohen Wissensstand, wird es für ihn leichter sein, Märkte zu identifizieren, die unterbewertet sind», meint Kwasnitza. «Hat er dieses Wissen nicht, macht es für ihn Sinn, in länderübergreifende, besser diversifizierte Indizes zu investieren.»
Edelmetallderivate als Bestseller
Auch strukturierte Produkte, die sich bestimmten heissen Themen widmen, gehören nicht in ein Kernportfolio. Sie sind höchstens eine Ergänzung für Anleger, die sich eine klare und fundierte Meinung dazu bilden konnten. Trotzdem sind in den vergangenen Jahren einige Themenprodukte lanciert worden und haben auch Absatz gefunden. So flossen beispielsweise Anlegergelder in Produkte mit dem Thema «seltene Erden», nachdem das dominierende Exportland China 2011 Ausfuhrbeschränkungen zum Schutz der eigenen Hightech-Industrie verhängt hatte.
Emittenten lancierten hier allerdings Produkte, die sich auf die Aktienkurse von sehr spezialisierten Förderern bezogen. Dabei handelte es sich teilweise um hochspekulative, knapp kapitalisierte Unternehmen, die entsprechend risikoreich waren.
Ebenfalls einen gewissen Boom erlebte in diesem Frühling das Thema «Social Media» im Vorfeld des (missglückten) Facebook-Börsengangs. Ein Dauerbrenner sind dagegen Themen wie «Nachhaltigkeit» oder «Wasser», wo die Emittenten von strukturierten Produkten dann auch mit den Fondsgesellschaften konkurrieren. «Mit Themenprodukten können Anleger ganz gezielt auf aktuell aussichtsreiche Trends setzen», sagt Stasch. «Und wer zur rechten Zeit auf das richtige Thema setzt, erhöht die Chance auf eine Outperformance des Gesamtportfolios im Vergleich zum Markt.»
Als heikel gelten strukturierte Produkte auf Agrargüter – hierzu mag sich kein Emittent äussern. Die Basiswerte sind beim Thema «Agrargüter» sogenannte Futures, also Finanzkontrakte mit einer bestimmten Laufzeit, und nicht die Agrargüter direkt. Wegen der beschränkten Laufzeiten müssen die Emittenten mehrmals Futures kaufen und wieder verkaufen. Dabei entstehen Kosten, die in der Fachsprache Rollkosten genannt werden. Diese kosten Anleger zehn bis fünfzehn Prozent Rendite pro Jahr. Da muss der Preis des betreffenden Agrarguts also schon steil steigen, damit sich das in der Rendite bei einem strukturierten Produkt für die Anleger auszahlt.
Beliebte Produkte auf Edelmetalle
Beliebter als strukturierte Produkte auf Agrargüter sind jene auf die Edelmetalle Platin, Gold und Silber. Auf dem Höhepunkt der Silberpreisblase im Frühling 2011 war dieses Edelmetall auf dem grossen deutschen Hebelproduktmarkt der zweitbeliebteste Basiswert. Neben den schon fast «klassischen» Edelmetallpreis-Trackern, die den Preis von Gold, Silber und Platin eins zu eins nachbilden, können Anleger heute alternativ Tracker mit Quanto-Schutz (hier wird das Währungsrisiko beseitigt) oder spezielle Exchange Traded Funds (ETFs) von Banken wie der Zürcher Kantonalbank oder Julius Bär kaufen, bei denen das Anlegergeld in echte Goldbarren investiert wird.
Und Banken wie die UBS haben eine grosse Palette von Exchange Traded Notes (ETNs) und Exchange Traded Commodities (ETCs) herausgebracht, die prinzipiell gleich wie ETFs funktionieren, ohne allerdings die gleiche Schutzwirkung bei einer Emittentenpleite zu entfalten. Anleger sollten hier unbedingt das Kleingedruckte in den Prospekten lesen.
Profite trotz Seitwärtstendenz
«Ein physisches Investment ist vorwiegend als Krisenhedge zu sehen. Im Worst-Case-Szenario (Hyperinflation etc.) könnte sich dieses Investment bewähren», sagt Adrian Kwasnitza. Fonds haben den Vorteil, dass sie kein Emittentenrisiko aufweisen, dieses kann aber auch bei Zertifikaten durch die COSI-Pfandbesicherung minimiert werden. Damit spielen Zertifikate aber noch längst nicht alle Vorteile aus. «Gold läuft beispielsweise seit Herbst 2011 seitwärts», bemerkt Kwasnitza. «Mit Barrier Reverse Convertibles und Discount-Zertifikaten haben Anleger von diesem seitwärts tendierenden Markt profitieren können.»
«Der Edelmetallanteil im Portfolio sollte zu einem gewissen Teil aus physischem Gold und Silber bestehen», schlägt Stasch vor. «Das ist in der Regel der Anteil, der unabhängig von den üblichen Preisschwankungen langfristig gehalten werden soll.» Darüber hinaus können Anleger kurz- und mittelfristige Trends nutzen. «Der jüngste Ausbruch von Gold und Silber seit Mitte August ist ein gutes Beispiel», so Stasch. «Hier bieten sich ETCs, ETFs oder Hebelprodukte an.
Denn diese Bewegung mit dem Kauf und Verkauf von physischen Metallen auszunutzen, wäre viel zu umständlich und zu teuer.» Hier kommen die vergleichsweise gute Handelbarkeit von Gold- oder Silberzertifikaten sowie die geringen Geld- und Briefspannen zum Tragen – das heisst die geringen Unterschiede von Kauf- und Verkaufspreisen.
Kleine Unterschiede, grosse Differenzen
Einer der beliebtesten Basiswerte in der Schweiz ist der Swiss Market Index (SMI). Er bildet die Kursentwicklung der zwanzig grössten und liquidesten börsenkotierten Schweizer Unternehmen ab. Der SMI ist wie viele andere Indizes (etwa der US-amerikanische S&P 500, der europäische EuroStoxx 50 und der britische FTSE 100) ein Preisindex. Das heisst, die Dividendenauszahlungen werden nicht berücksichtigt.
Dabei sind diese Dividendeneffekte langfristig überaus wichtig: Auf kurze Sicht kleine Unterschiede bauen sich über die Zeit zu grossen Differenzen auf. Das zeigt ein Vergleich zwischen dem dividendenfreien SMI und dem breiter gefassten Swiss Performance Index (SPI), der inklusive Dividenden gemessen wird: Der SMI legte in den letzten zwölf Monaten 23,3 Prozent zu und lag damit nicht weit hinter dem SPI zurück, der auf ein Plus von 25,1 Prozent kam. Aber seit 1998 kam der SMI nur auf ein Plus von 15 Prozent, während der SPI gewaltige 60 Prozent gewann (siehe «SPI schlägt SMI» unter 'Downloads'). Von diesem Standpunkt aus wäre es also für Anleger besser, sich den SPI als Basiswert auszusuchen.
Dividenden schlagen Kosteneffizienz
«Die meisten Anleger wollen auf Leitindizes wie den SMI, den Euro Stoxx 50 oder den S&P 500 setzen, die sie aus den Medien kennen und dort verfolgen können», begründet RBS-Experte Stasch die Wahl der Indizes durch die Anleger. Zugleich verweist er auf einen weiteren Faktor, der eine Rolle spielt: «Nicht alle Indizes lassen sich gleich kostengünstig abbilden.»
Nur dort, wo es einen liquiden Futures-Markt gebe, sei die Abbildung, die Herstellung eines strukturierten Produktes, kosteneffizient möglich. «Ist dies nicht der Fall, müssen je nach Index mehrere hundert Aktien einzeln gekauft werden, was deutlich teurer ist, als einen Future zu kaufen», so Stasch. In der Schweiz gibt es nun einen liquiden Futures-Markt für den SMI, nicht aber für den SPI.
Trotzdem wiegen die Dividenden des SPI insgesamt stärker als die Kosteneffizienz des SMI: Die wenigen strukturierten Produkte, die eins zu eins auf dem SPI basieren, hinken ihrem Basiswert in den letzten beiden Jahren zwar zwischen 0,8 und 1,4 Prozent hinterher, aber das ist immer noch besser als der SMI.
Inflationsschutz
Neben den Dividenden spielt bei der Wahl des Basiswertes auch die Inflation eine Rolle. Derzeit ist diese in der Schweiz zwar kein Thema, aber sie dürfte in Zukunft wieder an Fahrt gewinnen. Die derzeit als besonders sicher angesehenen erstklassigen Schweizer Bundesobligationen werden dann deutlich an Wert verlieren. Für RBS-Experte Stasch sind Inflation-Linked Notes, Gold und Silber bewährte Mittel für den Inflationsschutz.
Die Bank Vontobel hat ein «Inflation-Linked Bond Basket»-Produkt emittiert, das in einen Korb von fünf in Euros denominierten Obligationen investiert. Für den Franken-Bondmarkt gibt es derzeit (noch) keine entsprechenden Produkte. «Anleger können sich auch über Anlagen in Rohstoffe teilweise vor Inflation schützen, die historisch gesehen eine positive Korrelation mit dieser aufweisen», sagt Kwasnitza.
Schutz lässt sich eben immer gut verkaufen, ob das Risiko nun Kapitalverlust, Emittentenausfall oder Inflation heisst.