Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Einerseits die Zinssituation: Insbesondere die zeitweise Inversion der Zinskurve in den USA und die Anpassungen in der geldpolitischen Ausrichtung der Fed und der EZB. Der Markt preist nun in den USA bereits für Ende Jahr eine Leitzinssenkung ein. Das halte ich für deutlich übertrieben. Anderseits die beiden grossen politischen Themen Handelskonflikt und Brexit.
Wie schätzen Sie da die aktuelle Lage ein?
Bei Letzterem sind die politischen Wirren grösser als die Marktunsicherheit. Sowohl das Pfund als auch der britische Aktienmarkt haben sich als sehr robust erwiesen. Im Handelskonflikt brauchen beide, Donald Trump und die Chinesen, über kurz oder lang einen Deal. Der ist in den Aktienkursen mehrheitlich wohl bereits eingepreist. Es ist jedoch noch nichts in trockenen Tüchern. Sollte es zu keiner Einigung oder zu Verzögerungen kommen, besteht eine gewisse Rückschlagsgefahr.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Vieles ist in den Kursen drin. Das Aufwärtspotenzial ist deshalb limitiert. Trotzdem: Gibt es keine negativen Überraschungen, dürfte sich die jüngste Entwicklung mit leichtem Trend nach oben fortsetzen.
Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
In unserem Basisszenario rechnen wir mit einer Lösung im Handelskonflikt und mit einer Wachstumsbelebung in der zweiten Jahreshälfte. Das könnte den SMI im 12-Monats-Horizont noch etwas nach oben drücken in die Gegend von 10'100 Punkten.
Die US-Wirtschaft hat den längsten Lauf ihrer Geschichte: Seit fast zehn Jahren wächst sie fast ununterbrochen, die letzte Rezession ging 2009 zu Ende. Wie stehen die Chancen, dass sich die Erfolgsgeschichte fortsetzt?
Die Chancen stehen nicht so schlecht. In den USA wird Präsident Trump alles daran setzen, dass die Konjunkturdaten im kommenden Wahljahr gut sind. Und die chinesische Regierung unternimmt Anstrengungen, die nachlassende Wachstumsdynamik im Reich der Mitte wieder zu beleben. Davon wird auch Europa profitieren. Also: Wachstumsverlangsamung ja, aber echte Rezessionsanzeichen gibt es keine.
Ein Euro ist derzeit rund 1,13 Franken wert. Mit welcher Entwicklung rechnen Sie beim Wechselkurs? Droht womöglich gar eine Rückkehr zur Frankenstärke?
Der Franken hat zuletzt wieder etwas zugelegt. Solange es Unruheherde gibt – Handelskonflikt, Brexit, Italien und so weiter – ist der Franken gefragt. Ich rechne allerdings nicht damit, dass der Euro/Franken-Kurs auf absehbare Zeit nachhaltig und substanziell unter die Marke von 1.08 bis 1.10 fallen wird. Das wird in etwa das Niveau sein, bei welchem sich die Schweizerische Nationalbank wieder einschalten wird. Lässt die politische und/oder die wirtschaftliche Unsicherheit nach, so gehe ich eher von einer Gegenbewegung in den Bereich von 1.15 oder sogar etwas darüber aus.
Nun liefern erste Schweizer Unternehmen ihre Erstquartalszahlen ab. Werden sich die zunehmenden Konjunkturrisiken in den Zahlen niederschlagen?
Das ist anzunehmen. Bereits letztes Quartal meldeten einzelne Unternehmen, dass der Handelskonflikt und die globale Wachstumsverlangsamung ihre Spuren im Ergebnis hinterlassen haben. Dies dürfte in den Erstquartalszahlen sogar noch etwas verstärkt der Fall sein. Das kommt aber nicht überraschend und sollte den Markt nicht sonderlich zusätzlich belasten.
Verschiedene Notenbanken haben zuletzt ihre Goldreserven aufgestockt. Spielt das Edelmetall wieder eine wichtigere Rolle als Krisenwährung?
Bei einigen Notenbanken hat vermutlich der Wunsch, sich etwas vom US-Dollar zu lösen, eine entscheidende Rolle gespielt, etwa in Russland oder in der Türkei. Die Marktturbulenzen im Schlussquartal 2018 haben aber auch private Anleger in die Krisenwährung Gold getrieben. Diesen Status als «sicheren Hafen» hat es nicht verloren. Für einen weiteren Kursanstieg bräuchte es aber wohl eine erneute oder weitere Verschärfung in einem oder mehreren der latenten Krisenherde.