BILANZ: Herr Kern, laut den Marktforschern von Skytrax sind Sie «Chef des besten Flughafens in Europa»!

Thomas Kern: Das klingt gut, vor allem, weil der Titel auf Einschätzungen der Passagiere beruht.

Was macht der Flughafen Zürich besser als andere?

Vielleicht steckt eine Portion Swissness dahinter, dass unsere Mitarbeiter der Qualität grosse Bedeutung beimessen. Es geht um Sicherheit, Sauberkeit, Freundlichkeit, kurze Wege.

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Zürich ist nicht ganz ausgelastet – mehr Passagiere würde mehr Wartezeiten bedeuten, die Bewertung würde wohl schlechter. Profitiert Zürich von seiner geringen Grösse?

Unsere Überschaubarkeit ist bestimmt ein Vorteil. In Spitzenzeiten haben wir jedoch im Flugbetrieb bereits heute die Grenze erreicht. Als Ganzes hat das System noch etwas Luft.

Klein bleiben, um beliebt zu bleiben?

Das ist nicht das Ziel. Unser Auftrag ist, die Inlandnachfrage nach Direktverbindungen zu den wichtigsten Metropolen der Welt zu befriedigen. Diese Nachfrage müssen wir, egal wie gross sie auch ist, immer auf dem gleichen Qualitätsniveau bedienen.

Der Flughafen und die Swiss sind aufeinander angewiesen. Wie ist Ihr Verhältnis?

Sehr gut! Es hat fast symbiotischen Charakter. Gemeinsam haben wir jetzt auch die Wirtschaftskrise gut bewältigen können – vergleichsweise besser als andere.

Geld spielt in dieser Beziehung eine zentrale Rolle. Wie ist die Atmosphäre, wenn Sie mit Swiss über Gebühren verhandeln?

Das läuft sehr partnerschaftlich ab, ist ein Geben und Nehmen. Wobei wir von allen Airlines gleich hohe Gebühren verlangen. Aber es stimmt: Es besteht auf der ganzen Welt ein Grundkonflikt zwischen Airports und Airlines.

Die Fluglinien sitzen am kurzen Hebel. Die wenigsten könnten auf andere Airports ausweichen. Netzwerk-Carrier wie Swiss sind ihren Heimatflughäfen ausgeliefert.

Schauen Sie sich das bitte über einen längeren Zeitraum an. Während Airlines in Zeiten des Wachstums ihre Ticketpreise anheben und so mehr verdienen können, ist der Airport über lange Zeiträume an seine Gebührenstruktur gebunden. Wir halten die Gebühren in guten Zeiten auf gleichem Niveau, die Airlines können dann profitieren. In der Summe ist es ein faires Spiel.

Ihre Marge beim Betriebsgewinn beträgt 28 Prozent. Das soll keine Monopolrendite sein?

Nein. Allein die Marge zu betrachten, greift zu kurz. Wir konnten seit Bestehen unserer Gesellschaft unsere Kapitalkosten noch nie decken, vor allem aufgrund der Verluste im Bereich Flugbetrieb. Wir müssen die Aviatik durch Erträge aus dem nichtaviatischen Bereich subventionieren.

Diese Einnahmen aus Parkgebühren oder der Vermietung von Flächen an Geschäfte sind ein Megathema. Ihr Anteil an den Gesamterträgen gilt als Messlatte, wie attraktiv ein Flughafen ist. Zürich liegt bei 39 Prozent, Amsterdam, Kopenhagen oder München rangieren weit höher. Wo wollen Sie hin?

Wir haben da kein bestimmtes Ziel. Es gilt, unsere Flächen optimal zu nutzen. Der Flughafen Zürich hat vergleichsweise hohe Kommerzeinnahmen pro Konsument und mit 3,5 Prozent eine sehr tiefe Leerstandsquote.

Gibt es Läden, die im Mix noch fehlen?

Auf der Luftseite sind wir eher auf den Wahlbedarf im höheren Preissegment ausgerichtet, auf der Landseite eher auf den Grundbedarf. Wir betreiben also zwei verschiedene Shoppingcenter. Auf der Landseite wollen wir ein regionaler Grundversorger sein und eine gewisse Vollständigkeit vorweisen. Dazu fehlt uns etwa ein Herrenausstatter. Die Luftseite ist eher markengetrieben. Hier leidet derzeit das Geschäft, auf der Landseite wächst es aber noch.

Welche Marken hätten Sie gern noch?

Das sage ich nicht! Wir haben eine Warteliste und werden entscheiden, sobald wieder eine Fläche frei wird.

Wann landet der erste Super-Airbus A380?

Wir sind bereit. Er könnte, mit gewissen qualitativen Einschränkungen, schon heute abgefertigt werden. Wenn eine Airline zusichert, dass sie mit dem A380 kommt, werden wir investieren: etwa in eine dritte Fluggastbrücke, damit man beide Decks des Fliegers direkt betreten kann. Der Standplatz steht schon fest.

Singapore Airlines ist einer der A380-Kandidaten. Wie ist der Stand der Dinge?

Habe ich einen Namen genannt? Viele andere Airlines am Flughafen Zürich haben auch den A380 in der Flotte. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass der erste A380 nächstes Jahr kommt.

Überflugverbote, gekröpfte Anflüge, Lärm – haben Sie noch den Überblick über alle Baustellen?

Tatsache ist: Ein Flugbetrieb produziert Lärm. Aber ich betone: Der Flughafen Zürich produziert heute wesentlich weniger Lärm als vor 20 Jahren. Die Fläche, auf der die Lärmgrenzen überschritten werden, konnte in dieser Zeit auf ein Drittel reduziert werden. Trotzdem ist das Thema grösser als vor 20 Jahren.

Warum?

Wir Menschen sind sensibler geworden. Dazu kommt die deutsche Durchführungsverordnung, die uns morgens und abends nicht erlaubt, über Deutschland anzufliegen. Deshalb sind Gebiete im Süden und Osten des Flughafens stärker vom Fluglärm betroffen. Ausserdem ist das Gebiet am Flughafen als Wohnort so attraktiv, dass sich immer mehr Menschen selbst zu Betroffenen gemacht haben. Es ist sonnig, gut erschlossen, hat eine gewisse optische Weite. Nirgendwo im Kanton wurden mehr Wohnungen gebaut als rund um den Flughafen.

Man weiss doch, dass Flugzeuge nicht flüstern und der Verkehr zunehmen kann. Ist also nicht selbst schuld, wer in der Nähe des Flughafens wohnt oder baut?

Es ist tatsächlich stossend, dass Menschen, die bewusst hierherziehen, in Lärmberechnungen mitgezählt werden, die den Flughafen in der Entwicklung behindern können.

Nirgendwo wird so intensiv über Anflugrouten und ähnliche Details diskutiert. Sind die Zürcher empfindlicher als andere?

Vielleicht ist das typisch schweizerisch – viele, die betroffen sind, bilden sich aviatisch weiter und haben dann aus ihrer Sicht ein Verständnis, wie man die Situation lösen könnte.

Wie sieht es mit neuer Technologie aus, Flüsterturbinen etwa?

Wir steuern das erfolgreich: über Landegebühren, die vom Lärm des Flugzeugtyps abhängen. Die nächste Triebwerkgeneration wird 2013 bis 2015 zum Einsatz kommen. Damit wird die Lärmbelastung um etwa 20 Prozent tiefer sein als heute. Das ist noch kein Flüstern, aber eine wahrnehmbare Verbesserung.

Wird das ausreichen?

Auf der psychologischen Ebene müssen die Menschen ihre Einstellung etwas ändern. Es ist nicht nur eine Frage der Dezibel, sondern auch der Haltung. Nehmen Sie Kuh- oder Kirchenglocken. Da spricht niemand von Lärm. Das gefällt, ist Folklore.

Lärm ist negativ empfundener Schall.

Wir können nicht lautlos fliegen. Insofern bleibt uns nur zu hoffen, dass die Menschen den Schall, den Flieger verursachen, als Preis der Mobilität akzeptieren werden.

Das ist ein hehrer Appell.

In der Tat (lacht).

Was halten Sie von der «Fairflug-Initiative», die zur Abstimmung steht – Lärm regional zu verteilen?

Die Annahme der Initiative würde zu mehr Lärm führen. Der Kantonsrat und viele Verbände haben dagegen votiert. Ich gehe davon aus, dass die Initiative vom Stimmvolk abgelehnt wird.

Der Flughafen Wien kommt via Austrian Airlines zur Lufthansa-Gruppe, wird also Konkurrent von Zürich. Wien verlangt, auch zum Drehkreuz zu werden. Wie gefährlich ist das?

Wien erlebt Ähnliches wie Zürich nach der Übernahme der Swiss durch die Lufthansa. Es gab einen Neustart, der Flughafen und die Swiss haben inzwischen grossen Erfolg. Wir beobachten die Entwicklung in Wien sehr aufmerksam.

Nur beobachten?

Wir gehen im Moment nicht davon aus, dass sich für Zürich direkt etwas ändert. Die Lufthansa hat mehrfach bewiesen, dass sie die Swiss voll unterstützt. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass eine Gewichtsverlagerung nach Österreich droht.

Die Lufthansa könnte Umsteigeverbindungen neu stricken – einer der täglichen Shanghai-Flüge ab Frankfurt, München oder Zürich könnte nach Wien wandern, um mehr Varianten zu haben. Das könnte Zürich schaden.
Es gibt im Moment keine Anzeichen dafür. Letztlich gilt: Wenn die Swiss es schafft, von Zürich aus wirtschaftlicher zu sein als Austrian in Wien, dann wird Zürich gewinnen.

«The Circle at Zurich Airport» heisst Ihr riesiges Bauprojekt direkt am Flughafen. Was soll da alles hinein?

Wir planen am Fuss des Butzenbüel-Hügels rund 200  000 Quadratmeter Nutzfläche. Darauf sind etwa zur Hälfte Büros geplant, etwa zu einem Viertel Unterkünfte, und ein Viertel soll «The Circle» das spezielle Image geben: Dienstleistungen im Premiumsegment, etwa in den Bereichen Wellness, Gesundheit, Events, Fortbildung und Kultur. 2016 können wir hoffentlich die erste Etappe von «The Circle» eröffnen.

Sie sind Generalstabsoberst und waren Chef der Globus-Gruppe. Was bringt Ihnen mehr für Ihren heutigen Job: militärische Führungserfahrung oder das Marketingwissen?

Wenn man mal so alt ist wie ich, ist es immer eine Kombination (lacht). In dieser faszinierenden Funktion kann ich alles nutzen: die juristische Grundausbildung, die Management-Zusatzausbildung, nicht zuletzt die militärische Erfahrung mit Persönlichkeitsbildung und Stressresistenz. Das ergibt ein Paket.

Schrecken Sie Auseinandersetzungen mit Fluglärmaktivisten noch?

Nein, da habe ich eine gewisse Seniorität (lacht). Wobei ich dieses Thema aber sehr ernst nehme.

Wie ist es, wenn man vom VR zum CEO «absteigt»?

Das ist ein positives Gefühl. Ich habe jetzt mit der ganzen Breite des Konzerns zu tun, Ökologie, Kommerz, Fliegerei, Finanzen, ich darf auch Kontakte mit Bundesrat und Botschaftern pflegen. Die gewisse Distanz, die man als VR hat, ist nicht mehr da.

Heute rapportieren Sie Ihren ehemaligen Kollegen. Haben sich die Beziehungen verschlechtert?

Gar nicht. Ich spüre Vertrauen. Mein Verantwortungsbewusstsein ist auch gefordert, mehr wohl, als wenn ich von aussen käme. Denn meine Kollegen haben mir die Aufgabe übertragen.

Präsident Andreas Schmid ist weder Aviatikspezialist noch Politiker, sondern Profi-VR. Genügt das in einem politisch dominierten Luftfahrtkonzern?

Andreas Schmid hat einen enorm breiten Background. Er ist weder Pilot noch Politiker, versteht aber sehr viel von der Fliegerei und den politischen Wegen und Umwegen. Da fehlt uns nichts.

Der Name «Unique» wird verschwinden. Wie tief ist Ihre Trauer?

Die Trauer hält sich in Grenzen. Die Bezeichnung hat ihre Funktion erfüllt. Bei der Fusion der Flughafendirektion Zürich mit der privaten Flughafen-Immobiliengesellschaft diente «Unique» als gemeinsamer, neutraler Name. Der Name musste dann in vielen politischen Wirren als Sündenbock herhalten.

Jetzt die Rückbesinnung auf «Flughafen Zürich AG». Wie viel wird das kosten?

Ich nenne noch keinen Namen. Aber was auch immer kommt, der Name wird sehr kostenbewusst eingeführt. Und es wird keine spektakuläre Wortkreation geben.

Die Umstellung auf «Unique» kostete drei Millionen Franken. Wie teuer ist die Rückabwicklung?

Weniger als eine Million Franken.

Thomas Kern (56) ist Jurist und absolvierte einen MBA an der Kaderschmiede Insead. Beim Möbelhaus Interio avancierte er 1986 zum Chef, 2002 wurde er CEO der Globus-Gruppe. Im Mai 2006 zog er in den VR von Unique ein, Ende 2006 verliess er Globus. Im Januar 2008 übernahm er den CEO-Posten bei Unique. Kern ist verheiratet und hat zwei Kinder.