BILANZ: Tue Mantoni, Sie bieten einen Fernseher für über 150 000 Franken an. Wer in der Welt braucht so etwas?

Tue Mantoni: Nun, das ist mehr als nur ein Fernseher – das ist eher ein Heimkino. Es gibt Kunden in Europa, die kaufen das. Aber die meisten dieser Geräte verkaufen wir nach Russland, China, in den Mittleren Osten und die USA.

Das Produkt kam zum Höhepunkt der Finanzkrise auf den Markt. Ein miserables Timing.

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Ein Produkt wie dieses braucht drei Jahre in der Entwicklung. Der Entscheid fiel in den wirklich guten Zeiten. Die Markteinführung fiel in die richtig schlechten Zeiten. Erstaunlicherweise gab es trotzdem noch Kunden dafür. Das sagt etwas über die Luxusindustrie aus: Manche Kunden sind einfach immun gegen Krisen.

B&O verlor seither ein Drittel des Umsatzes.

(Seufzt) Ja.

Aber im Unterschied zum Rest der Luxusindustrie hat sich Ihre Firma in den Jahren danach nicht wieder erholt – bis heute nicht. Was machen Sie falsch?

Es stimmt, wir haben viel Geld verloren. Unser grösstes Problem ist die hohe Abhängigkeit von Europa, wo wir drei Viertel unseres Umsatzes machen. Wir hatten alle Eier in den gleichen Korb gelegt. In China und den USA, wo noch Chancen liegen, waren wir fast nicht präsent. Das ändern wir gerade.

Und weiter?

Zweitens waren viele Produkte am Ende ihres Lebenszyklus, als die Krise einsetzte. Wir hatten zu wenig in der Entwicklungspipeline. Und drittens hatte die Firma ein Kulturproblem. Es gibt B&O seit 87 Jahren, wir hatten viele erfolgreiche Zeiten. Wir wurden selbstgefällig. Es dauerte zu lange, bis wir den Ernst der Situation erfassten.

Wie läuft Ihr Geschäft derzeit in Südeuropa?

Eine schwierige Gegend. Wir haben Probleme in Spanien, Italien, Frankreich und Griechenland. Zwischen 2008 und 2010 traf es uns am schlimmsten. Unser Umsatz ging stark zurück, viele unserer Händler gaben ihr Geschäft auf. Was jetzt bleibt, ist der harte Kern. Wir haben uns stabilisiert, letztes Jahr sind die Verkaufszahlen pro Shop weltweit sogar um elf Prozent gestiegen, inklusive Südeuropa.

Wann werden Sie auf das alte Niveau zurückkommen?

Wir müssen uns nicht vormachen, dass das zurückkommt. Lassen Sie uns realistisch bleiben: Die Situation in Europa wird sich nicht gross verbessern. Ich nenne das «die neue Normalität». Wir werden uns daran gewöhnen müssen. Die nächsten fünf Jahre werden etwa so aussehen wie jetzt.

Trotzdem wollen Sie den Umsatz von B&O in fünf Jahren verdreifachen. Das nennen Sie «realistisch bleiben»?

Vor der Finanzkrise lagen unsere Umsätze bei 4,5 Milliarden Kronen (eine Milliarde Franken, d. Red.). Wir glauben, dass wir im Kerngeschäft dank der neuen Absatzmärkte dorthin zurückkehren können. Und dann haben wir zwei Wachstumsmotoren: das Automobilgeschäft und unsere Zweitmarke B&O Play. Das Autozuliefergeschäft wuchs in den letzten Jahren von quasi null auf 20 Prozent des Umsatzes. Auch B&O Play zeigt sehr gutes Wachstum. Wir glauben, dass dieser Bereich in Zukunft ebenfalls 20 Prozent unseres Umsatzes ausmachen kann.

Riskieren Sie mit dieser Zweitmarke nicht, Ihr so wichtiges Markenimage zu verwässern?

Die Marke ist wahrscheinlich unser wichtigstes Asset. Das müssen wir schützen, das stimmt. Aber in den letzten zehn Jahren waren wir nicht sehr gut darin, neue, junge Kunden zu gewinnen – das Durchschnittsalter unserer Kunden ist jedes Jahr um ein Jahr gestiegen. Mit B&O Play können wir mehr mit den Produkten und den Farben spielen, wir können sie anders in den Shops präsentieren. Die Inspiration kam aus der Modeindustrie: Da gibt es DKNY und Donna Karan, Hugo und Hugo Boss, Armani Jeans und Giorgio Armani. Die zwei Marken teilen jeweils gewisse Werte, aber sie unterscheiden sich auch.

Das Automobilzuliefergeschäft ist tough, die Margen sind dünn. Was soll attraktiv daran sein für eine kleine Firma wie B&O?

Das stimmt. Wenn wir mit BMW, Mercedes, Audi oder Aston Martin verhandeln, sind wir unter konstantem Margendruck. Aber es ist ein gesunder Druck, er zwingt uns, unser Geschäft kostensensibler zu führen. Gleichzeitig haben wir eine Marke, ein Design und eine akustische Qualität, die uns wirklich von der Konkurrenz abheben. Und wir können so ein Publikum erreichen, bei dem vielleicht noch keine B&O-Produkte im Wohnzimmer stehen. Wir verkauften letztes Jahr 155 000 Autoanlagen. 90 Prozent der Käufer hatten keine B&O-Anlage daheim.

Im ersten Jahr als Chef haben Sie nur fünf Prozent Wachstum geschafft. Dieses Tempo wird bei weitem nicht reichen, um den Umsatz in fünf Jahren zu verdreifachen.

Doch, es läuft nach Plan. In den ersten beiden Jahren durchlaufen wir einen Wandel, in dem wir die Grundlagen unseres Geschäfts reparieren: Wir haben mehrere Hierarchieschichten aus der Organisation genommen, B&O Play lanciert, das Autozuliefergeschäft grossgezogen, das Händlernetz restrukturiert. Und bei alldem sind wir trotzdem ein bisschen gewachsen. Dieses Jahr erwarten wir schon ein zweistelliges Wachstum, und der grosse Schub soll dann in den Jahren drei, vier und fünf kommen.

Sie vergleichen sich mit der Luxusindustrie. Wenn man sich Ihre Läden anschaut, dann sind die zwar besser als jene der Konkurrenz, aber weit entfernt von einem Luxuslabel.

Das ist eine richtige Beobachtung. Was Sie dort sehen, ist 15 Jahre alt. Damals war es eine Revolution, wir waren die ersten mit Monomarkenshops. Heute arbeiten wir an einem komplett neuen Konzept. Es wird im März 2014 in den ersten Läden umgesetzt werden. Wir wollen den Luxuslevel anheben, und wir wollen eine sensorische Erfahrung schaffen, bei der man wirklich fühlt, was Ton und Bilder mit einem machen können. Das können nur wir – wobei wir uns inspirieren liessen von anderen Luxusmarken wie Schweizer Uhren oder Nespresso.

Es gab einst viele High-End-TV-Hersteller in Europa. Sie sind verschwunden wie Grundig, Nordmende, Blaupunkt oder haben Schwierigkeiten wie Loewe oder Metz. Wie lange können Sie in diesem Markt noch überleben?

TV ist wirklich schwierig. In den letzten zehn Jahren verdienten auch wir damit kein Geld. Es gibt Überkapazitäten im Markt, die Technologie entwickelt sich sehr schnell, und wir treten an gegen wirklich grosse Player.

Warum sind Sie dann noch dort präsent?

Weil unsere Kunden es wollen. Sie wollen einen schönen B&O-Fernseher, kombiniert mit unseren Lautsprechern. Wir haben uns den Ausstieg überlegt und uns dagegen entschieden. Aber wir vereinfachen das TV-Geschäft: Vor zwei Jahren hatten wir sechs verschiedene TV-Familien, jede in vier, fünf Farben, in drei verschiedenen Grössen, dann die von Land zu Land unterschiedlichen Ausführungen. Das waren über tausend verschiedene Kombinationen – aber wir verkaufen pro Jahr nur 35 000 Geräte. Das machte keinen Sinn. Jetzt bauen wir weniger, aber bessere Geräte zu einem sehr fairen Preis.

Sie produzieren noch immer in Dänemark. Warum?

Bei vielen B&O-Play-Produkten haben wir die Herstellung komplett nach Asien ausgelagert. Wir machen noch das Konzept, das Design, die Qualitätskontrolle. Wir haben auch eine Fabrik in Tschechien. Sie ist dort angesiedelt, wo all die Automobilzulieferer sind. Dort findet man hoch qualifizierte Arbeitgeber, eine gute Infrastruktur und eine gute Logistik. Wir wollen aber in Dänemark einen starken Kern bewahren für jene Produkte, bei denen es auf das Handwerkliche ankommt: alles, was mit Aluminium zu tun hat, die spezielle Behandlung, das Bending, das Bohren. Das ist eine bewusste Entscheidung.

Wie lange können Sie sich das noch leisten?

Dänemark ist ein sehr teures Land, das stimmt, aber Aluminiumverarbeitung ist nicht sehr arbeitsintensiv. Wir investierten viel in Maschinen. Es braucht die Intelligenz einiger weniger Menschen, um die Prozesse und Abläufe zu verstehen. Da sind wir kompetitiv. Selbst die Automobilindustrie kauft unsere dänischen Produkte. Sie versuchten, es woanders billiger zu bekommen in der gleichen Qualität, aber sie fanden nichts.

Sie sind etwa zum gleichen Zeitpunkt in den Markt für Handys und Musikplayer eingestiegen wie Apple. Apple setzt heute Milliarden damit um, B&O nichts. Was lief falsch?

Oje … Wir hätten unsere Technologie besser verwerten müssen – wir hatten sie vor den anderen grossen Playern im Markt. Wir erkannten den echten Wert nicht, wir sahen nicht, wohin der Markt ging, wir waren selbstzufrieden.

Inzwischen verkaufen Sie Ihre Produkte auch im Apple Store. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Die Zusammenarbeit im Handel hilft uns, die Marke B&O Play aufzubauen und gegenüber einem Publikum zu exponieren, das vielleicht nicht in einen B&O-Shop ginge. Kommerziell bringt sie uns keine grossen Umsätze.

Und angesichts der starken Position von Apple als Verhandlungspartner vermutlich auch keine grossen Margen.

Wir haben ziemlich standardisierte Bedingungen mit unseren Partnern, und da passt auch Apple hinein.

Was haben Sie von Apple gelernt?

Die Dinge simpel zu halten. Sie haben sehr wenige Produkte und stellen entsprechend hohe Stückzahlen von jedem her. Das hat B&O auch sehr gut gemacht – in den sechziger und siebziger Jahren. Manche sagen ja auch, Apple habe sich inspirieren lassen vom B&O-Design aus jener Zeit.

Damals befolgte B&O die zehn goldenen Regeln von Braun-Chefdesigner Dieter Rams: «Gutes Design ist so wenig Design wie möglich», «Gutes Design ist unaufdringlich» etc. So auffällig, wie Ihre Produkte heute sind, scheint das nicht mehr zu gelten.

Doch, ich denke schon. Rams’ Regeln hängen auch als Poster in meinem Büro. In den letzten eineinhalb Jahren haben wir das Design-Handbuch für B&O komplett neu geschrieben. Wir gingen bis 1925 zurück und schauten, welches die grössten Erfolge der Firmengeschichte waren, was man daraus lernen und wie man es an die heutige Zeit anpassen kann.

Aber manche Ihrer Lautsprecher sind inzwischen mehr Skulpturen als sonst irgendwas.

Nun, der BeoLab 5, den Sie vermutlich meinen, ist eines unserer erfolgreichsten Produkte. Manche mögen sagen, es sei zu viel Design und zu wenig Lautsprecher, aber das ist dann eine subjektive Meinung. Jedes Designteil bei diesem Produkt hat auch eine Funktion.

Woran liegt es, dass viele skandinavische Firmen – B&O, Bodum oder Ikea – so stark im Design sind?

Das liegt in der DNA der Länder. Wenn man aufwächst, sieht man schon so viel schönes Design um sich herum. Und skandinavische Familien laden andere Leute gerne zu sich nach Hause ein. Deshalb soll auch daheim alles gut aussehen.

Der Krisenmanager
Tue Mantoni (37)
gilt als dänisches Wunderkind: Bereits mit 26 Jahren wechselte er von McKinsey auf den Chefsessel des englischen Motorradherstellers Triumph und holte den serbelnden Nischenplayer aus der Krise. Bei Bang & Olufsen (B&O) soll er nun Gleiches wiederholen: Seit drei Jahren sitzt er dort im Board, seit März 2011 ist er CEO. Die Schweiz gilt als B&O-Land: Sie ist der drittgrösste Absatzmarkt für den Hersteller edler Unterhaltungselektronik.