Zerstört die immer älter werdende Bevölkerung in Europa das wirtschaftliche Wachstum? Absurderweise wird das von «Demografieexperten» behauptet. Sie jammern, dass die niedrigen Geburtenraten in der Schweiz und Europa – die steigende «freiwillige Kinderlosigkeit» – zu Arbeitskräftemangel führen und Unternehmen lahmlegen werden. Die unproduktiven Älteren würden indessen Ressourcen aufzehren. Pessimistinnen sehen in der «schlechten Demografie» einen Schaden für Wirtschaft und Aktien. Das ist Unsinn. Eine ergrauende Bevölkerung signalisiert Fortschritt, kein drohendes Unheil. Lassen Sie mich das erklären.

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Die Schweiz altert. Trotz Babyboom 2020/2021 sinken die Geburtenraten gerade auf Werte, wie es sie seit den 1870er-Jahren nicht mehr gab. Der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zufolge waren 1970 11,4 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer 65 Jahre alt oder älter. Heute sind es 19,1 Prozent – ein Zuwachs wie in ganz Westeuropa. In der Schweiz stieg der «Altenquotient» (Verhältnis der Personen im Rentenalter [über 65] zu 100 Personen im erwerbsfähigen Alter) von 19,5 im Jahr 1970 auf aktuell 31,8. Bis 2050 prognostiziert die OECD einen Anteil von 54,4. Das sind weniger als zwei Erwerbstätige zur «Unterstützung» einer älteren Person! Europa und Amerika werden grösstenteils genauso eingeschätzt. Wie schrecklich! Was also tun? Feiern!

Jede grosse Volkswirtschaft wird älter, wenn sie gedeiht. Eine bessere Gesundheitsfürsorge verlängert die Lebenserwartung und bringt zusätzliche produktive Jahre. Die Kehrseite? Die Länder mit der «besten» Demografie – vor allem in Afrika – leiden hingegen unter endloser Armut und geringer Lebenserwartung. Das sind keine grossartigen Volkswirtschaften, keine herausragenden Orte für Investitionen oder zum Leben.

Demografien sind kein Schicksal. Innovationen jedoch schon. Voreingenommene «Experten» machen das seit langem schleppende Wachstum in Ländern wie Italien an «ungünstiger» Demografie fest. Die Wirtschaft, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), wuchs dort seit dem Jahr 2000 um gerade einmal 5 Prozent, die Aktie kumuliert nur um 59 Prozent. Das liegt aber nicht einfach an der Demografie. Mit 41 liegt der Altenquotient in Italien fast gleichauf mit der Schweiz (31,8) – oder mit Deutschland (38). Dennoch wuchs das BIP in der Schweiz stärker, nämlich um 47 Prozent und in Deutschland um 28 Prozent. Der SPI legte in dem Zeitraum um 159 Prozent zu, vergleichbar mit dem Anstieg des DAX um 160 Prozent. Es sind strukturelle Faktoren – ein Mangel an wachstumsstarken und technologischen Unternehmen plus Regulierungsprobleme –, die Italien bremsen, nicht die Demografie.

Die älteren Menschen geben immer mehr aus

Ein Vorurteil gegenüber den Älteren lautet, dass sie kein Geld ausgeben. Das ist falsch. Schauen Sie der langen Datengeschichte wegen nach Amerika. Im Jahr 1984 gaben Amerikaner im Alter zwischen 25 und 34 um 41 Prozent mehr aus als diejenigen zwischen 65 und 74 Jahren. Diese Lücke ging 2022 auf 12 Prozent zurück. Ein Anstieg bei Lebenserwartung und Rentenalter bedeutet, dass die älteren Menschen mehr verdienen als je zuvor. Einen Teil davon geben sie aus. Zwar gibt die Altersgruppe der 45- bis 54-Jährigen (die ausgabenfreudigste in den USA) immer noch 50 Prozent mehr aus als die 65- bis 74-Jährigen, aber dieser Wert lag 1984 noch bei über 80 Prozent.

Entscheidend ist, dass die Älteren Geld anlegen und so das magische Wachstum des Kapitalismus finanzieren. Sie schenken das Geld ihren Kindern und Enkelkindern, die es dann ausgeben. Viele arbeiten, bis sie 70 oder 80 Jahre alt sind. Ich selbst bin 73, und es ist kein Ruhestand in Sicht. In der heutigen dienstleistungs- und wissensbasierten Wirtschaft kann die Erfahrung der älteren Beschäftigten deren Produktivität verbessern.

Demografiepessimisten extrapolieren einfach Trends. Aber niemand weiss, ob die Geburtenraten weiter zurückgehen werden. Haben die «Expertinnen» den Anstieg von 4 Prozent in der Schweiz während der Pandemie vorhergesehen? Nein! Und wie viele ausgebildete Arbeitskräfte werden durch Zuwanderung hinzukommen? Inwiefern werden, global betrachtet, Erfindungen zu neuer Effizienz führen? Denken Sie nur an den Mikrochip, das Internet oder an Mobiltelefone!

Aktien? Sie preisen Einflussfaktoren auf die Unternehmensgewinne über etwa drei bis zu dreissig Monate ein. Nicht weiter. Demografische Trends entwickeln sich langsam über Jahrzehnte und geben so den Märkten massig Zeit, sich anzupassen.

Das heutige Drama um die Demografie sagt nichts über die Zukunft der Aktien, aber eine Menge über die Stimmung. Eine gedrückte Stimmung senkt die Erwartungen. Dadurch werden positive Überraschungen vorbereitet, die die Märkte befeuern. Seien Sie also optimistisch!