Die Liste ist umfangreich und gespickt mit Namen von hervorragender Reputation. Bally zum Beispiel steht drauf. Oder Schlatter, der Schweissanlagenhersteller mit dem Qualitätssiegel «Swiss made». Auch Gate Gourmet, Synonym für hoch stehendes Catering, war als Opfer auserkoren. Sie alle – aber auch die Textilmaschinensparte von Zellweger Luwa, die SR Technics und Swissport wurden übernommen – waren wohlfeile Schnäppchen für die professionellen Jäger auf dem internationalen Investment-Parkett. Die Private-Equity-Firmen sind immer auf dem Sprung, haben Milliarden in ihren Portefeuilles und heissen Texas Pacific, Candover, CVC Capital oder 3i Group. Sie wollen nur eines: Firmen übernehmen, die mittelfristig Potenzial haben, aber mit strategischen, führungsmässigen oder finanziellen Defiziten behaftet sind. Die angeschlagenen Firmen werden fit getrimmt und mit Gewinn wieder abgestossen.
Ein lukratives Geschäft. Buy-out-Fonds zum Beispiel, in eben diesem Geschäft tätig, haben in den letzten zwanzig Jahren einen Return von durschnittlich 20 Prozent erwirtschaftet. Wen wundert es, dass Private-Equity-Gesellschaften derzeit mit Geld überschwemmt werden? Gemäss unabhängigen Untersuchungen dürften es gegenwärtig rund 250 Milliarden Dollar sein, mehr als im Boomjahr 2000.
Die Übernahme des Turnaround-Kandidaten Forbo durch CVC Capital ist zwar misslungen, feindliche Übernahmen sind in der Branche derzeit eher verpönt. Unaxis dagegen hat kapituliert. Die Victory Industriebeteiligungen der Österreicher Mirko Kovats und Ronny Pecik hatten die ehemalige Waffenschmiede der Familie Bührle mit mehreren gezielten Attacken sturmreif geschossen.
Nicht nur Unaxis oder Forbo sind ein Schnäppchen. Auch andere Unternehmen hierzulande sind substanziell unterbewertet und damit mögliche Übernahmekandidaten. Bilanz hat 40 Firmen herausgefiltert, deren Aktien zu kaufen sich empfiehlt. Voraussetzung zur Aufnahme in die Bilanz-Liste war zuerst ein tiefes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Auch im Verhältnis zum Buchwert sollte der aktuelle Aktienkurs günstig erscheinen. Die so genannte Price-to-Book-Ratio (P/B) sollte unter eins oder mindestens unter dem Branchendurchschnitt liegen. Gleichzeitig erwarten die Aktionäre eine ansprechende Dividendenrendite auf ihrem Kapital.
Die Bilanz-Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Unternehmen wie ABB, Adecco, Roche oder UBS wurden bewusst nicht aufgenommen, obwohl sie zum Teil ebenfalls mit lukrativen Werten glänzen, ein so genanntes Value-Play sind. Bei ABB und Adecco sind die Unsicherheiten noch nicht aus dem Markt, Roche und UBS haben mittlerweile ein beachtlich hohes Preis-Buchwert-Verhältnis und notieren wohl nahe am fairen Wert.
Nach den teilweise kräftigen Kursavancen diverser Schweizer Aktien seien kaum noch lukrative Anlagen zu finden, klagen viele Anleger. Nicht nur Private-Equity-Firmen, auch andere Privatanleger und Pensionskassen suchen verzweifelt nach interessanten Möglichkeiten. So absolut gesprochen, ist diese Aussage indessen falsch. Investitionen sind möglich, wenn man genau hinschaut. Die Bank Vontobel beispielsweise veröffentlicht alle paar Monate eine Liste von so genannten Value-Investment-Favoriten, die acht Titel mit hervorragenden Entwicklungschancen umfasst.
Ein genauerer Blick auf den Schweizer Aktienmarkt lohnt sich alleweil. Gemessen am geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis, ist dieser im internationalen Vergleich etwas unterbewertet. Beim MSCI World schätzen die Analysten derzeit, dass im Schnitt 14,7-mal der Gewinn bezahlt werden muss. Bei Schweizer Aktien liegt das durchschnittliche KGV bei 13,6.
Allerdings gibt es innerhalb der Branchen enorme Unterschiede: Bei der Halbleiterindustrie liegt das aktuelle KGV bei über 41, dagegen sind die Versicherungsaktien im Schnitt sehr günstig. Sie werden mit einem KGV von 8,5 gehandelt, das ist weit billiger als die europäische Konkurrenz, dort zahlen die Aktionäre gegenwärtig den zwölffachen Gewinn.
Auch im historischen Vergleich ist die Schweizer Börse nicht übermässig hoch bewertet. Ende der neunziger Jahre stand das KGV bei rund 23, ein extrem aufgeblasener Wert. Derzeit liegt der Durschnitt beinahe zehn Zähler darunter. «Die Schweizer Aktien sind leicht unterbewertet», sagt Christian Gattiker, Chef Equity Strategy bei der Credit Suisse. Dies gelte speziell im Vergleich zu den Obligationen und unter der Annahme trendbereinigter Gewinne und einer leicht überdurchschnittlichen Risikoprämie.
Alain Kupferschmid, Aktienstratege der Bank Julius Bär, legt die Betonung auf einen anderen Aspekt. Für ihn sind sämtliche Aktien unterbewertet, die von der Bank auf «kaufen» gestellt sind: «Sonst würden wir dies ja nicht tun.» Das Wort «unterbewertet» verwendet er jedoch nicht gerne, weil eine Aktienempfehlung immer auch ganz subjektive Einschätzungen enthalte. «Es gibt», sagt er, «eine ganze Reihe von subjektiven Aspekten, die einen Titel attraktiv erscheinen lassen.» Konkret ist für ihn eine Aktie dann aber doch unterbewertet, wenn «Wachstumschancen im Unternehmenswert nicht gebührend berücksichtigt und/oder stille Reserven im Unternehmenswert nicht ausreichend reflektiert sind».
Darüber hinaus gibt es viele Gründe, die einen Titel zur Preziose oder zumindest zur Kaufgelegenheit machen. Die 40 unterbewerteten Firmen auf der Bilanz-Liste lassen sich in vier verschiedene Typen unterteilen: die absolut unterbewerteten Titel, die gegenüber der Branche unterbewerteten, die verkannten Perlen und die Titel auf Aufhojagd:
– Die absolut unterbewerteten Firmen: Sie haben ein Kurs-Gewinn-Verhältnis deutlich unter dem Durchschnitt ihrer Branche. Zschokke gilt momentan als günstigstes Bauunternehmen, das aktuelle KGV liegt beinahe fünf Zähler unter dem Schnitt der Konkurrenz. Ebenfalls sehr günstig bewertet scheint beispielsweise Gavazzi. Zugleich haben beide Gesellschaften beim Preis-Buchwert-Verhältnis eine Null vor dem Komma, was eine deutliche Unterbewertung signalisiert. Am tiefsten bewertet mit 0,4 ist der Warenhauskonzern Loeb, der soeben eine tiefe Krise überwunden hat. Dicht dahinter folgt Dätwyler mit einem Wert von 0,6, und mit 0,7 wird auch Gavazzi an der Börse tiefer gehandelt als die ausgewiesenen Buchwerte in der Bilanz.
– Die gegenüber der Branche unterbewerteten Firmen: Zu dieser grössten Gruppe gehören Bell, Bossard, Bucher Industries, Charles Vögele, Inficon, Interroll oder Kardex. Sie haben ein KGV deutlich unter dem Branchendurchschnitt. So wird dem Foodsektor für das nächste Jahr ein KGV von 13,9 attestiert, Bell dagegen oder Barry Callebaut bringen es lediglich auf 9,5 respektive 10,1. Beim Preis-Buchwert-Verhältnis dagegen sind diese Unternehmen fair bewertet. Die Dividendenrendite dagegen schwankt sehr stark. Der Titel von Bossard beispielsweise rentiert 2,5 Prozent, während Leica Geosystems gerade auf ein halbes Prozent kommt.
– Die verkannten Perlen: Sie sind ebenfalls leicht bis mittel unterbewertet, obwohl dies fundamental keineswegs gerechtfertigt ist. Die Unternehmen sind kerngesund, zeigen eine stabile Umsatz- und Ertragsentwicklung und glänzen mit einer hohen Dividendenrendite. Arbonia-Forster ist – trotz massiver Outperformance – derzeit der günstigste Bauzulieferer. Zu diesen Firmen gehören jedoch auch Galenica, Georg Fischer, PubliGroupe, Syngenta oder Zehnder. Zehnder glänzt mit einer Dividendenrendite von 3,3 Prozent, Georg Fischer bringt es auf 2,7 und PubliGroupe auf 2,5 Prozent. Ein Sonderfall ist auch die Chemiefirma Clariant, der bis 2007 ein überdurchschnittliches Gewinnwachstum attestiert wird. «Der Bewertungsabschlag», so schreiben die Bär-Analysten in «Stock Watch», «ist nicht gerechtfertigt.»
– Die Firmen auf Aufholjagd: Dazu zählen Unternehmen, die bis vor kurzem noch tief in der Bredouille steckten, die Wende aber geschafft haben. Bâloise, Credit Suisse, Huber + Suhner oder Siegfried haben das Potenzial, in die Liga der fair bewerteten Titel aufzusteigen. Die Bâloise hat sich «von ihren Altlasten befreit und dürfte in diesem und im kommenden Jahr substanzielle Gewinnsteigerungen ausweisen», schreibt die Bank Vontobel in ihrem jüngsten «Value Investment». Ein Discount von 25 Prozent gegenüber den ausländischen Aktien sei nicht mehr gerechtfertigt. Für Credit Suisse erwarten die Analysten der Bank Bär eine zweistellige Gesamtrendite, sie setzten den Titel deshalb auf «kaufen».
Es müssen aber nicht immer nur die Grossen erfolgreich sein. Der breit gefasste Swiss Performance Index stieg seit Anfang Jahr um gut zehn Prozent, und mit der richtigen Auswahl kann man auch weiterhin Geld verdienen. Der Blick auf die Bilanz-Liste dürfte sich deshalb lohnen. Schliesslich gibt es auch bei den Günstigangeboten einige bekannte Namen.