Standesgemäss, denkt der Besucher. «Im Paradies»: Hier, in einem Haus aus dem 14. Jahrhundert, residiert mitten in der Zürcher Altstadt der Unternehmens- und Kommunikationsberater Urs Lauffer, eidg. dipl. PR-Berater. Von seinem schwarzen Bürostuhl im Dunkeln blickt er ins helle Grün des Gartens. Die Geschäfte laufen prächtig. Urs Lauffer führt seit 16 Jahren prominente Schweizer Mandate in seinem Portefeuille. Gerber, Gut, Mühlemann, Wellauer, Humer, Bank Hoffmann, Bank Julius Bär.
Lauffer berät seine Kunden persönlich. Der 42-Jährige ist «one to one» mit den Schweizer Wirtschaftsmächtigen – und damit nicht genug. Er ist der wichtigste Consultant in der Schweiz. Er ist Politiker, ein Freisinniger mit sozialem Flair, der sich mit der SVP anlegt, Walter Frey seinen Freund nennt und bisweilen Hand in Hand mit den Sozialdemokraten arbeitet, aber von sich selber sagt, er sei ein strammer Bürgerlicher. Urs Lauffer ist erstgenannter Kandidat für die Nachfolge von Stadtrat Thomas Wagner, doch er sagt dazu nur: «Ich werde definitiv nicht Stadtrat; für ein Exekutivamt stehe ich nicht zur Verfügung.» Urs Lauffer steuert ein Elektromobil, er besitzt keinen Fahrausweis, aber ein Auto, in dem er sich chauffieren lässt. Er liest Harry Potter – und die Genscher-Biografie.
Urs Lauffer verwirrt. Das weiss er, und es macht ihm sichtlich Spass, falsche Fährten zu legen. Er gleicht einem Phantom, das kaum einer kennt. Er lässt sich nicht gern festlegen. Weil er unfassbar bleiben will, und weil ihm dies den Erfolg bringt. Im öffentlichen Getümmel wäre seine Arbeit schwierig, sie ist diskret und leise. Nie wird er an Prominentenveranstaltungen abgelichtet, nie an Bilanzmedienkonferenzen der Roche oder der CS Group gesehen. Nie wird er in den Sonntagsblättern zitiert, Stellung nehmend zur Bundesratswahl oder zum Rinderwahnsinn oder zum Grasshopper-Club Zürich. Das Foto, das ihn während eines Fussballspiels auf der Tribüne hinter seinem Kunden und GC-Miteigner Rainer E. Gut und Regierungsrätin Rita Furrer zeigt, ist ein Unfall, aber mehr als nur ein zufälliges Dokument. Er ist als Berater mitschuldig am branchenfremden finanziellen Wagnis seines Klienten bei den Hoppers.
Urs Lauffer spricht schnell. Er mag keine Fragen zu seiner Person, und er untertreibt gern. Wenn er etwas sagt, das ihm wirklich wichtig scheint, dann legt er lächelnd eine Pause ein, auf dass der Gedanke in Ruhe seine ganze Bedeutung entfalte. Nur sagt Lauffer in die Stille hinein: «Schön, nicht?», und lässt damit die bedeutungsschwangersten Sätze ins Banale kippen. Er gibt das Bild eines unablässig reflektierenden Menschen, der nichts mehr hasst als den drohenden Kontrollverlust, und er kleidet diese Haltung in Ironie: «Ich habe zwei Grundsätze: Ich finde, Berater neigen zur Selbstüberschätzung.» Pause. «Diskretion ist eine Grundlage des Vertrauens.» Pause. «Oder nicht?»

EINE GESCHICHTE WIE EIN FLUSS
Urs Lauffers Geschichte ist keine, die bei McKinsey unter Laborbedingungen geschrieben worden wäre. Keine, die fadengerade vom Kinderstuhl in der heimischen Küche auf den Chefsessel in einem globalisierten Unternehmen führt. Lauffers Leben gleicht einem mäandernden Fluss.
Sein Vater war Kantonsrat und Oberst, gutzürcherisches FDP-Haus, seine Mutter eine energische Person, politisch durch und durch. Der Esstisch war Plenarsaal. Mit 19 Jahren flog der Sohnemann vom Gymnasium und blieb ohne Abschluss. «Ich habe als Zwanzigjähriger natürlich gelitten, aber nicht für lange», sagt er im Rückblick. Im selben Jahr, 1977, fand er Unterschlupf bei der ersten PR-Agentur Europas, bei Farner in Zürich. Gustav Däniker wurde sein Lehrmeister, Rudolf Farner sein Ziehvater. Als Ko-Chefredaktor verantwortete er in jener Zeit das rechtsbürgerliche Kampfblatt «Pro» aus dem Hause Farner.
Der entscheidende Schritt gelang Urs Lauffer mit 25 Jahren. Er machte sich selbstständig und nahm das Roche-Mandat mit. «Unsere Firma schrieb vom ersten Moment an schwarze Zahlen», sagt er rückblickend nicht ohne Stolz. «Das hat viel mit Zufall zu tun. Ich weiss das und gehöre nicht zu denen, die nachträglich sagen: Seht her, ich bin genial gewesen!» Urs Lauffer besuchte Fritz Gerber, den damaligen CEO und Chairman von Hoffmann-La Roche, und wollte sich gebührend von seinem wichtigsten Klienten bei Farner verabschieden. Fritz Gerber aber verkündete zur Überraschung Lauffers, dass er weiterhin auf dessen Dienste zähle. «Das war entscheidend für meine Laufbahn. Wahrscheinlich habe ich es auch als Berater nicht schlecht gemacht.» Eine leichte Untertreibung. Erst hatte Lauffer 1983 die Roche durch den Skandal mit den verlorenen Seveso-Fässern begleitet, dann schützte er Fritz Gerber während dessen Scheidung vor den Boulevardjournalisten des «Blicks». Der Wirtschaftskapitän fühlte sich von diesem Zeitpunkt an dem blutjungen PR-Mann verbunden, und von der Roche über die «Zürich» zur CS waren es nur kleine Schritte.
In seinen Jugendjahren politisierte Urs Lauffer in der Eidgenössischen Jugendkommission und knüpfte Beziehungsnetze im Militär. In Uniform begegnete er Hauptmann Walter Frey, und dieser lernte ihn schätzen. Heute sitzen der Nationalrat und Präsident der SVP der Stadt Zürich, Frey, und der FDP-Fraktionschef des Zürcher Gemeinderates, Lauffer, jeweils im Verwaltungsrat des anderen. «Gegenseitige Wertschätzung» nennt dies Walter Frey und hat keine Probleme damit, dass Urs Lauffer im Gemeinderat seit zehn Jahren sozialpolitisch gegen die SVP antritt. «Urs Lauffer ist ein sehr guter Analytiker, der sich seine Argumentation wohl überlegt und zu Kompromissen bereit ist. Er ist sehr engagiert, sozial engagiert, sehr gründlich und ambitioniert. Er ist ein feiner Typ», sagt Walter Frey.
Andere verunsichern diese Verbindungen weitaus mehr. Selbst innerhalb der städtischen FDP-Fraktion war Lauffers Nähe zu Frey während langer Zeit ein Thema. «Meine Beständigkeit hat aber die Kritiker überzeugt», sagt Urs Lauffer. «Alle wissen heute, dass niemand über eine lange Zeit eine derartige Sozialpolitik machen kann, wenn er es damit nicht ehrlich meint.»

WELTENBUMMLER
Verblüffend ist Urs Lauffers Vermögen, in den verschiedensten, manchmal gegensätzlichen Welten zu agieren und dabei doch alles scheinbar auseinander zu halten. «Die Kombination vom Vizepräsidenten des schweizerischen Beirats der CS-Gruppe mit dem Vizepräsidenten der Fürsorgebehörde der Stadt Zürich ist wohl einmalig. Darauf bin ich ein wenig stolz», sagt er. Er sieht sich gerne als einen, der über Grenzen geht. Der Zürcher hat daraus eine Marke gemacht und setzt sie zu seinem geschäftlichen Vorteil ein: «Ich empfinde es als wichtig und spannend, wenn ich heute in der Fürsorgebehörde Auskünfte über wirtschaftliche Zusammenhänge, bei der Bank über soziale Realitäten geben kann.»
Gegensätze ziehen ihn an. Der heute sozialliberal denkende Urs Lauffer vertrat während der Jugendunruhen 1980 als 22-Jähriger nach eigenem Bekunden eine «sehr konservative Position. Auch weil viele andere auf der anderen Seite politisierten.» «Mich hat nie das Einfache und Vordergründige interessiert. Ja, mich reizt der Widerspruch.»
Gewandelt habe er sich im Laufe der Jahre, sagen viele, die ihn schon lange kennen. Werner Sieg, Fraktionschef der SP im Gemeinderat, attestiert ihm «Weltläufigkeit und soziale Kompetenz» und sagt: «Es hatte Auswirkungen, dass er 1990 nicht wieder gewählt wurde und erst 1992 als Ersatzmann wieder in den Gemeinderat nachrutschte. Das brach die Arroganz der Macht.» Urs Lauffer runzelt die Stirn, wenn er dies hört. Es blitzt kurz in seinen Augen, die bequeme Sitzhaltung ist vergessen: «In den Grundsätzen bin ich immer konservativ gewesen und bin es heute noch. Aber ich war auch immer liberal. Nur habe ich früher die sozialen Realitäten zu wenig gekannt.» 1990, nach der Wahlschlappe, die seinem dreijährigen politischen Engagement im stadtzürcherischen Gemeinderat ein vorübergehendes Ende bereitete, begann sich Lauffer in der Fürsorgebehörde zu engagieren. Dort fand er sein Thema, die Sozialpolitik. Heute sagt er: «Ich meine, der Staat soll die Leistungsstarken möglichst nicht einschränken und die Schwachen gezielt unterstützen.»
Während seiner «sozialen Läuterung» hat der PR-Berater – ein offenbar typischer laufferscher Gegensatz – die Zahl seiner Verwaltungsratsmandate ständig erhöht. Heute wirkt er in neun Verwaltungsräten und in vier Aufsichtsräten. Prominentester Einsitz: der Verwaltungsrat von F. Hoffmann-La Roche in Basel. «Mehr Verantwortung übernehmen» heisst der Titel dieses Programms. Urs Lauffer zieht die Konsequenzen. Er hat sein Geschäft auf die persönliche Beratung von Wirtschafts-Spitzenleuten konzentriert und sich unlängst von seinem langjährigen Partner und Schulkollegen, dem PR-Fachmann Jean-Marc Hensch, getrennt. «Im Guten», betonen beide. Fritz Frischknecht, Ökonom, Partner und Begleiter der ersten Stunde, stellt heute Lauffers Backoffice dar. Nur vier Leute arbeiten «Im Paradies» Urs Lauffers.

DER SOZIALHELFER

Auch Thomas Wellauer, CEO der «Winterthur» und rechte Hand Mühlemanns in der CS Group, kennt den paradiesischen Garten. Seit er an Bord der «Winterthur» ist, greift er auf Urs Lauffers Beraterdienste zurück. Aus verschiedenen Gründen: Erstens ist ihm dieser vor drei Jahren empfohlen worden, zweitens versteht er sich mit ihm nach eigenem Bekunden gut, drittens schätzt er dessen Kompetenz in Sachen Kommunikation und die kritischen Fragen. Und viertens scheint der Sozialpolitiker Urs Lauffer nicht nur für Thomas Wellauer eine sich öffnende Lücke zu kitten. «Mich beschäftigen persönlich die zunehmenden Schwierigkeiten innerhalb unseres Landes. Ich sehe kommunikative Probleme zwischen einem hier stark verwurzelten und einem in der globalen Welt aktiven Teil der Bevölkerung», sagt Thomas Wellauer. «Persönlich bin ich der Überzeugung, dass diese Bevölkerungsteile immer mehr Mühe haben, miteinander zu reden und einander zu verstehen. Sie haben bereits völlig unterschiedliche Wertvorstellungen entwickelt.» An diesem Punkt setzt Urs Lauffer ein. Er baut die Brücke zwischen Politik und Wirtschaft. Er nimmt für sich in Anspruch, die Alltagsprobleme der so genannten kleinen Leute von der Strasse zu kennen, die den viel fliegenden Managern der Teppichetagen abhanden gekommen sind. «Mit Urs Lauffer spreche ich über viele praktische Kommunikationsfragen, aber auch über politische und soziale Tendenzen, über Veränderungen in der Gesellschaft, die wichtig für unser Unternehmen sind», sagt Wellauer. «Ich schätze ihn, weil er kritisch ist und dennoch die Grenzen des Beraters sieht.»
Das entspricht Urs Lauffers Philosophie des Beratens. Diskretion und Vertrauen ist das eine, Zuneigung das andere. «Das echte persönliche Interesse für den Mandanten ist matchentscheidend. Deshalb bevorzuge ich langjährig anhaltende Geschäftsbeziehungen», sagt Urs Lauffer. Mindestens einmal im Monat sieht er Thomas Wellauer. In Krisensituationen haben die beiden manchmal täglich Kontakt. Dann zahlt es sich aus, dass Lauffer in Worst-Case-Szenarien denkt. So kürzlich, als auf der CS-Website während einer Woche Daten von Prominenten fälschlicherweise offen einsehbar waren. Die Kommunikationsabteilung der CS verfasste Entwürfe für Ad-hoc-Meldungen. Urs Lauffer überflog sie. Er sage, wo die heiklen Punkte zu finden seien, plaudert Thomas Wellauer aus der Schule: «Zum Schluss entscheiden aber immer wir als Auftraggeber.» Das sieht Urs Lauffer genauso: «Ich bin ein ganz kritischer Berater, versuche aber zu vermeiden, anmassend zu sein. Ich bin auch kritisch mit mir selbst. Das muss ich sein in meiner Position. Sonst hebe ich ab und habe das Gefühl, ich sei hauptverantwortlich, wenn etwas gut läuft.»
Diese Gefahr besteht derzeit, weil es ihm gut geht wie selten. Urs Lauffer lässt sich in Steinmaur eine 300-Quadratmeter-Villa bauen. Mit einem 16-Meter-Schwimmbecken im Erdgeschoss. Er präsentiert das Modell und sagt: «Ich bin ein ganz normaler Mensch.» Er jasse gern, er spiele Tischtennis und keineswegs Golf, er mache viel Ferien, acht bis zehn Wochen in den USA oder im Bündnerland, wo er eine Wohnung und ein Haus besitzt. Und er bezeichnet sich als einen passionierten «Lindenstrasse»-Seher. Nur fünf Folgen der TV-Serie hat er verpasst. Fünf von tausend. Er macht ein verschämtes Gesicht, weil er etwas gestanden hat. Man glaubt für einen Moment, in diesem Büro am Rande des Gartens Eden tatsächlich auf einen normalen Menschen gestossen zu sein. Bis Urs Lauffer am Ende des Gespräches sagt: «Ist das gut so?»
So ist Urs Lauffer: Wohl dosierte Widersprüche und Gegensätze, wohin man blickt und woher es tönt.
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