BILANZ: Herr Giacobbo, Sie sind Verwaltungsratspräsident ...

Viktor Giacobbo: Ja, ich gehöre damit zu jenen, die im Unternehmen am wenigsten Bescheid wissen und am meisten mitreden.

Sie kennen Ihre Pflichten als Verwaltungsrat?

Ich bin primär das Aushängeschild und repräsentiere die Casino Theater AG nach aussen.

Also sind Sie der Grüssaugust im Unternehmen?

Nein, ich bin nahe am Operativen, weil ich nicht nur Verwaltungsratspräsident bin, sondern ab und zu auch auf der Bühne auftrete. Das ist, wie wenn Nestlé-Präsident Peter Brabeck nebenbei noch Verkaufsleiter Schokolade im Markt Ostschweiz wäre.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Sie sind primär als Satiriker und Fredi Hinz in der Öffentlichkeit bekannt. Jetzt stehen Sie einem Unternehmen vor. Ihre Erfahrungen?

Als Eric Honegger VR-Präsident der Swissair wurde, schickte man ihn zuerst nach London in eine Lehre, was offenbar auch nicht viel genützt hat. Ich wurde einfach ins Geschäft geworfen und habe nun in fünf Jahren etwas Unternehmertum gelernt, immerhin haben wir 50 Angestellte.

Sind Sie auch an Zahlen und Budgets interessiert?

Zwangsläufig. Auch wenn unser Betrieb sehr gut läuft, haben wir keine Reserven und stehen deshalb schnell am Rand einer Krise, wenn eine Produktion floppt. Da sind die Zahlen schon ziemlich wichtig.

Viktor Giacobbo – ein Unternehmer am Abgrund?

Eine schöne Schlagzeile, aber leicht übertrieben. Wir sind stolz, dass wir als Kultur-KMU keine staatlichen Subventionen beziehen und das unternehmerische Risiko selber tragen.

Sie schreiben schwarze Zahlen?

Sagen wir rot-schwarze, aber es ist ein steiniger Weg, weil wir noch Vorinvestitionen aus der Gründerzeit abtragen müssen. Zum Glück helfen uns aber einige Private, sie nennen sich Freunde des Casinotheaters.

Zu Ihren Supportern gehört UBS-Verwaltungsrat und SVP-Nationalrat Peter Spuhler.

Richtig, es hat sich ein Kreis von Unternehmern um Peter Spuhler gebildet. Er lud gelegentlich Künstler an die Betriebsfeste der Stadler-Gruppe ein, wo wir uns kennen lernten. Zudem ist er ein Schulkollege von Kabarettist Lorenz Keiser, der bei uns auch beteiligt ist. Spuhler und anderen Unternehmern imponiert, dass ein paar Leute eine Kulturinstitution gründen und dabei das volle kommerzielle Risiko tragen. Doch falls Sie das beruhigt: Unter unseren Aktionären sind auch SPler und Gewerkschafter.

Spuhlers Partei, die SVP, haben Sie nie geschont, Parteipräsident Maurer haben Sie auf der Bühne immer wieder lächerlich gemacht.

Erstens ist Spuhler nicht Maurer, und zweitens geniesst niemand Satireverschonung, nur weil ich ihn kenne.

Wie geht VR-Präsident Giacobbo mit seinen Aktionären um?

Wir haben da ein gutes Einvernehmen. Wer als Profi-Künstler arbeitet, kriegt sogenannte Künstleraktien, die etwas mehr Stimmkraft besitzen als die sogenannten Förderaktien. Es ist aber keine unter 10 000 Franken zu haben, und renditemässig sind alle gleich.

Und worin besteht die Rendite? Eine stattliche Dividende?

Ja, eine Naturaldividende, etwa in Form von vergünstigten Tickets und einem Vorkaufsrecht. Und nach der Generalversammlung speisen wir die Aktionäre nicht mit billigen Würsten ab, wie das die Grossbanken tun, sondern mit einem Spitzenmenu und einem exklusiven Bühnenprogramm.

Gibt es auch kritische Investoren im Aktionariat?

Klar, die Leute wollen Rechenschaft haben. Aber das Unternehmen funktioniert, da ist der Umgang angenehm. Das hätten die Leute aus Zürich nicht gedacht, die zu Beginn verkündeten, unser Theaterprojekt in Winterthur sei zwar schön, werde aber hier nie funktionieren. In den vergangenen fünf Jahren aber haben nicht wir dichtgemacht, sondern ein paar Projekte in Zürich.

Wie führt ein Satiriker eine Sitzung des Verwaltungsrates?

Nach Traktanden, wir sind keine Hasardeure. Dabei werde ich natürlich von Spezialisten unterstützt. In den Verwaltungsräten des Theaters und der Immobilien AG sitzen auch ein Treuhänder, ein Wirtschaftsanwalt, ein Gastrofachmann und ein Bauunternehmer. Die einzigen Laien sind Patrick Frey und ich. Dafür erzählen wir am Schluss dann einen Witz.

Was verdient der Präsident?

Im Jahr 2005 habe ich 2737.50 Franken erhalten. Das Gehalt soll aber in diesem Jahr etwas erhöht werden.

Macht es Spass?

Sehr. Wir führen neben dem Theater auch ein Restaurant. So lässt sich beispielsweise das Menu aufs Theaterprogramm abstimmen und können wir Events nach Mass durchführen. Als wir auf der Bühne «Salzburger Nockerln» spielten, gab es in der Beiz österreichische Spezialitäten, im Stück «Ein seltsames Paar», das wir im Dezember wieder spielen, kommt ein Lammrücken vor, also haben wir Lamm auf die Speisekarte genommen.

Sie haben einmal gesagt, das VR-Präsidium sei der Tiefpunkt Ihrer Karriere.

Ach, das war ein flapsiger Spruch. Ab und zu habe ich auch gefeixt, dass wir die einzige Schweizer Aktiengesellschaft seien, die offen zugibt, einen Komiker an der Spitze zu haben.

Haben Sie ein Problem, Verwaltungsrat zu sein

Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Verwaltungsratspräsident einer Aktiengesellschaft werden würde. Im Gegensatz zu anderen Verwaltungsräten gilt bei uns aber: Wenn wir einen miesen Job machen, kassieren wir nicht nur keine Abgangsentschädigung, wir verlieren auch noch unser investiertes Kapital. Das habe ich, im Gegensatz zu den Abzocker-Verwaltungsräten, auch immer unter unternehmerischem Risiko verstanden.

Trotz diesem Risiko sind Sie auf den Geschmack gekommen?

Hier im Casinotheater schon, aber ein VR-Mandat bei der Bank of America würde ich wohl ablehnen.

Ihr Geld verdienen Sie derzeit primär mit Auftritten vor Firmenpublikum, zum Beispiel bei der Berner Kantonalbank in Huttwil.

Das sind Galas, wo ich als Figur, beispielsweise als Unternehmensberater Erwin Bischofberger, auftrete. Das ist, mit Verlaub, mein Beruf.

In Neftenbach, Ihrem Wohnort, haben Sie Ihr Steuerregister sperren lassen. Weshalb?

So, so, hab ich das? Ich gebe gerne, wie Sie hier sehen, über meinen Beruf Auskunft. Aber privat ist halt eben privat.

Sie sollen für eine Gala 5000 Franken kassieren. Das ist fast mehr als UBS-Chef Marcel Ospel auf die Stunde gerechnet bekommt.

Da haben Sie aber hart recherchiert. Ich verdiene jedoch mehr als 5000 Franken pro Gala, aber so einfach hochrechnen können Sie das Salär nicht. Und mir geht es nicht ums Maximieren, ich nehme nämlich längst nicht alle Galas an.

Nach welchen Kriterien sortieren Sie aus?

Zeit oder Lust spielen eine Rolle und ob ich etwas zu sagen habe. Klar, zu einer Waffenfirma würde ich nicht gehen, auch wenn ich Zeit hätte. Auch an einer Pressekonferenz würde ich nicht auftreten, weil ich keine Lust habe, vor gelangweilten Journalisten den Hampelmann zu spielen.

Pensionskassen-Affären waren in den vergangenen Monaten ein grosses Thema in der Öffentlichkeit. Der «Blick» hat den PK-Manager von Rieter zum «frechsten Manager der Schweiz» gekürt. Ist das kein Thema für einen Satiriker?

Ich sehe bei diesen «Affären», ehrlich gesagt, nicht durch. Und ich springe nicht gerne auf einen Medienhype auf. Und wenn schon, dann mache ich lieber den Hype selber zum Thema. Als Satiriker habe ich auch nicht die Pflicht, flächendeckend zu kommentieren. Ich habe keinen Idée-suisse-Auftrag.

Hohe Managerlöhne sind in der Schweiz das grosse Thema – auch hier schweigt Satiriker Viktor Giacobbo. Weil Sie auf Sponsorengelder angewiesen sind?

Das stimmt ganz einfach nicht, ich habe das oft thematisiert. Nur: Gewisse Themen sind irgendwann satiremässig ausgelutscht. Und was unsere Sponsoren betrifft: Auch diese geniessen keine Satireverschonung, das haben wir auf unserer Bühne mehrfach bewiesen.

Millionensaläre sind also kein Thema?

Doch, aber das sollte es vor allem an Aktionärsversammlungen der grossen Konzerne sein. Ich staune, was sich Aktionäre alles gefallen lassen. Der Hinterletzte hat doch gemerkt: Da spielt kein Markt, auch wenn immer das Gegenteil behauptet wird. Und das unternehmerische Risiko trägt ein Topmanager auch nicht. Wird er wegen fehlender Leistung geschasst, kassiert er grad nochmals.

Sie sind selber Aktionär – ein aufmüpfiger, der an der GV auftritt?

Ich habe einen Teil meines Geldes ins Theater investiert, ein anderer steckt in gemischten Anlagen mit mittelgrossem Risiko, das macht eine Bank für mich. Als ich bei denen mein Anlageprofil abgeliefert hatte, war für mich die Sache erledigt. Ende Jahr schaue ich jeweils, ob die Anlage zugelegt hat oder nicht. Das ist alles, nicht eben spektakulär.

Sie werden von Konzernchefs unterstützt. Haben diese Leute Humor?

Ich verstehe, dass die BILANZ von Berufs wegen auf Konzernchefs fixiert sein muss, aber in unser Haus kommen pro Jahr rund 150 000 Leute. Da sind auch ein paar drunter, die nicht Konzernchef sind.

ABB-Chef Fred Kindle ist oft bei Ihnen zu Gast.

Statusgemäss müsste er eigentlich in die Oper gehen, aber er kommt zu uns, weil er Komik liebt. Und was ich auch herausgefunden habe: Ich hab noch nie jemanden getroffen, der sich besser in Rockmusik auskennt als Fred Kindle. Mit ihm kann ich da hervorragend Tipps austauschen.

Und wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren Sponsoren?

Gut. In Sponsorenverträgen ist klar geregelt, dass sie auf das Theater keinen Einfluss nehmen dürfen. Am Eröffnungsanlass haben wir gleich ein Exempel statuiert: Lorenz Keiser war für die Beleidigung der Sponsoren zuständig. Er hat das grossartig gemacht – Kritik hörten wir nicht, stattdessen haben sich die Sponsoren bestens amüsiert und damit auch Selbstironie gezeigt.

Seit kurzem ist die ZKB einer Ihrer Geldgeber. Versteht CEO Hans Vögeli Spass?

Natürlich, er kam im Übrigen regelmässig in unser Theater, bevor die Zürcher Kantonalbank Sponsor wurde. Unsere Sponsoren arbeiten mit uns zusammen, weil sie unser Haus kennen und um die Einzigartigkeit dieses Unternehmens wissen. Dies gilt auch für Rolando Benedick von Manor, der aus persönlichem Engagement heraus viele kulturelle Projekte und Anlässe sponsert.

Welche Galagäste sind Ihnen lieber, Detailhändler, Industrielle oder Autohändler?

Die Unterschiede zwischen den Berufsgruppen oder den Regionen sind nicht sehr gross. Gross ist dagegen der Unterschied, ob jemand bezahlt hat oder eingeladen ist. Am schlimmsten ist die geladene Prominenz an einer Premiere im Theater: Die wollen noch mit dem Cüpli und der Zigarre in den Theatersaal, furchtbar.

Banker im Publikum?

Toll, sind in der Regel sehr gut informiert. Was mir hingegen bei denen auffällt: Sie entschuldigen sich immer für ihren Job – «ich bin halt Banker».

Ihre Erfahrungen mit Werbern?

Galas mit Werbern und Journalisten im Publikum sind mühsam. Die wissen und können alles besser.

Heute sind Sie Unternehmer, plädieren für private Risiken. Früher waren Sie Mitglied einer revolutionären Organisation, plädierten für den Klassenkampf. Eine natürliche Entwicklung?

Nun, die Revolution war auch ein privates Risiko ... Ich bin mit 25 Jahren ausgetreten, weil es mir zu dogmatisch wurde. Aber immerhin: Ich habe in diesen idiotischen Marx-Lenin-Seminaren gelernt, abstrakt zu denken und zu argumentieren. Das nützt mir heute. Und ich habe auch gelernt, wie eine Sekte funktioniert und dass man schneller dabei ist, als man meint.

Sie haben damals die Kulturrevolution Maos verteidigt.

So wichtig waren mir Mao und seine Kulturrevolution nicht. Aber es stimmt: Ich habe dieses Zeug verteidigt, damals war die Jugend beispielsweise von den Gedichten Maos fasziniert. Mao und China waren ein Trend. Dass Millionen umkamen, hat man entweder nicht gewusst oder einfach übersehen. Nicht gerade ein Ruhmesblatt in meinem Leben.

Was haben Sie daraus gelernt?

Heute frage ich mich immer: Was meine ich zu einem Thema?, und nicht: Wo ordne ich mich ein? Das heisst, bei Wahlen setze ich nicht nur Linke auf die Liste, sondern auch Grüne und Liberale. Mein Vorwurf an Teile der Linken: ihre Denkfaulheit. Ihre Fronten sind abgesteckt, darüber hinaus wird nicht weitergedacht. Das haben die Rechten im Land zwar auch, aber mich störts bei den Linken mehr, weil es immer noch mein persönliches Umfeld ist.

Für die Linken war und ist Christoph Blocher ein Feindbild, er wollte bei Ihnen im Theater investieren.

Das war ein Gerücht. Blocher hat mich damit in meiner damaligen Sendung provozieren wollen. Klar ist: Blocher ist für die Satirikerbranche ein grosser Gewinn, seit er im Bundesrat ist, noch mehr: Eines meiner Lieblingsziele ist die Konkordanzdemokratie. Für mich ist es absurd, wenn die ärgsten politischen Gegner in einer Regierung sitzen und sich auch noch einem absurden Kollegialitätsprinzip unterwerfen müssen. Damit finden Auseinandersetzungen in der Regierung statt, die eigentlich ins Parlament gehören.

Legendär ist der Auftritt Blochers in Viktors Spätprogramm.

Ja, er hat in der Sendung gut gekontert – und sich seinen Applaus verdient. Den Journalisten aber musste ich nachher erklären, ich sei nicht der Scharfrichter der Fernsehnation. Wenn Christoph Blocher sich gut und witzig verkauft, hat er den Applaus verdient. So einfach ist das in der Unterhaltung.

Seit Ihrem Abgang beim Fernsehen DRS ist es um die Unterhaltung etwas ruhiger geworden. Richtig?

Ich möchte nicht dem Übersax- oder dem Schellenberg-Syndrom verfallen und ständig an den Nachfolgern herumstänkern. Ich habe meinen Job beim Fernsehen aufgegeben und will mich nicht einmischen.

«Black’n’Blond» war das Flaggschiff der TV-Unterhaltung, bis die Sendung abgesetzt wurde. War das nicht fast eine Beleidigung Ihres Publikums?

Es gibt auch noch andere Sendungen: «Punkt CH», «Genial daneben» oder «Edelmais». Jeder kann sich da aussuchen, was ihm gefällt.

Gibt es ein Bildschirm-Comeback von Viktor Giacobbo?

Ich habe immer noch gute Kontakte zu SF, und hin und wieder werde ich auch angefragt. Ich plane aber meine Karriere nicht über ein Jahr hinaus.

Viktor Giacobbo

Als Harry Hasler, Fredi Hinz und Debbie Mötteli ist er dem TV-Publikum bekannt. Als Viktor Giacobbo ist er VR-Präsident des Casinotheaters Winterthur. Der 54-jährige Satiriker, Ex-Maoist und Schriftsetzer engagiert sich als Unternehmer für ein subventionsfreies Kulturinstitut. Unterstützt wird er von einem Unternehmerzirkel um UBS-VR Peter Spuhler. Giacobbo spielt mit Mike Müller im Stück «Ein seltsames Paar», Casinotheater Winterthur, 13.–31. Dezember 2006 und 8.–13. Januar 2007.