BILANZ: Herr von Ah, US-Notenbankchef Alan Greenspan hat die Pessimisten mit einer Zinsreduktion etwas beruhigt. War dieser Schritt aus konjunktureller Sicht nötig?
Roman von Ah:
Das Wachstum verliert zwar an Tempo. Rezessionsängste betrachten wir aber als übertrieben. Die Abschwächung ist die normale, zeitlich verzögerte Reaktion auf die vorher restriktivere Gangart der amerikanischen und europäischen Zentralbanken, die gestiegenen Energiepreise sowie die Normalisierung der exorbitanten Wachstumsraten der USA. Es stimmt uns zuversichtlich, dass sich die Weltwirtschaft zum ersten Mal seit vielen Jahren auf einem synchronen Wachstumspfad befindet. In Europa besteht wenig Handlungsbedarf. An der Inflationsfront ist es ruhig, das Wachstum bleibt erfreulich, und die nachhaltige Erstarkung des Euro führt automatisch zu einer gewissen Kompensation der importierten Inflation.

Also war die Zinssenkung vielmehr ein Geschenk an die nervösen US-Anleger?
Alan Greenspan hat es wieder einmal meisterhaft verstanden, die Erwartung der Marktteilnehmer zu beeinflussen. Durch die Aussage, dass nicht mehr der Inflationsdruck, sondern die Wachstumsschwäche der USA im Vordergrund stehe, hat er bewirkt, dass die Zinserwartungen männiglich nach unten angepasst wurden. Mit einer unerwartet frühen Zinssenkung verhinderte er ein weiteres Blutbad der Technologietitel und stabilisierte den US-Aktienmarkt.

Das ist aber nicht nur für Aktienbesitzer, sondern auch für Obligationenanleger eine gute Kunde.
Die langfristigen Zinsen sind gesunken und dokumentieren weit gehend das positive Umfeld: Abschwächung, Ruhe an der Preisfront. Etwas zur Vorsicht mahnen uns die historisch tiefen Realzinsen bei langfristigen Obligationen. Sollten sich die Rezessionsbefürchtungen nicht bewahrheiten, trägt der Anleger ein Zinsrisiko. Eine Ausnahme bildet Japan, das immer noch mit Deflationsrisiken kämpft und deswegen sehr hohe Realzinsen aufweist.

In Schweizerfranken rechnende Investoren konnten im Jahr 2000 gerade einmal mit auf US- und kanadische Dollars lautenden Bonds eine ordentliche Rendite erzielen. Wie sieht hier Ihr Szenario für 2001 aus?
Seit der Intervention der Zentralbanken und der Abschwächung in den USA tendiert der Euro eindeutig stärker. Volkswirtschaftliche Modelle haben schon längere Zeit auf eine starke Unterbewertung hingedeutet. Das Vertrackte bei solchen Modellübungen besteht darin, dass der Anpassungspfad der Währung hin zum Gleichgewicht lang und variabel ist. Für einen einkommensorientierten Anleger sind Dollar-Anleihen wenig geeignet. Dem sehr hohen Währungsrisiko stehen unterdurchschnittliche Zinssätze gegenüber. Dies bedeutet nicht, dass Dollar-Anleihen in einem Obligationenportfolio keinen Platz haben. Unser Research zeigt, dass die teilweise Absicherung dieses Währungsrisikos die Risiko-Ertrags-Eigenschaften von internationalen Obligationenportfolios nachhaltig verbessert.

Der Markt für Unternehmensanleihen in Euro-Land erlebt einen regelrechten Boom. Schweizer Anleger, die in diesem Sektor investieren, haben neben dem Währungsrisiko damit zunehmend ein Kreditrisiko.
Das Kreditrisiko sehe ich als Chance, nicht als Problem. Ein einkommensorientierter Investor geht mit seinen Anlagen ja nur dann ins Ausland, wenn er im Vergleich zu Schweizer Obligationen bei ähnlichem Risiko einen höheren Ertrag erwirtschaften kann. Wie Studien belegen, steigen die Diversifikationsvorteile an, wenn Nicht-Regierungs-Anleihen zu den Staatspapieren gemischt werden. Die Vorteile sind umso grösser, je toleranter die Bonitätsrestriktionen gesetzt werden. Aber Achtung: Diese Aussage bezieht sich auf professionell verwaltetete Portfolios von Anleihen, nicht auf Einzelschuldner.

Mit der Einführung des Euro sind die Möglichkeiten der Währungsdiversifikation erheblich eingeengt worden. Welche Alternativen sehen Sie für einen Schweizer Anleger?
Neben den sehr vorteilhaften Unternehmensanleihen kommen auch Wandelanleihen als selbstständige Anlagekategorie in Frage. Sie haben einen doppelten Vorteil: Wenn die Aktienmärkte schlecht laufen, dann bildet der Preis des Obligationenteils die untere Wertgrenze. Wenn die Aktien gut abschneiden, dann profitiert der Anleger vom Aktienanteil seines Wandlers. Wer in ein breit diversifiziertes Portfolio von Wandelanleihen investiert, verbessert die Risiko-Ertrags-Eigenschaften seiner Anlagen. Ähnlich vorteilhafte Eigenschaften weisen auch Anlagen in Waren, den so genannten Commodities, auf. Wegen der tiefen bis negativen Korrelation sowie des Inflationsschutzes ist ein breit diversifiziertes Engagement in Commodities eine sehr attraktive Ergänzung zu Obligationenanlagen. Wir empfehlen in der Regel einen Anteil von bis zu fünf Prozent des gesamten Anlagevolumens.

Schwierig ist die Situation auch bei den Telekom-Gesellschaften. Die Aufsichtsbehörden haben bereits vor der hohen Verschuldung gewarnt. Besteht von dieser Seite her eine Gefahr für die Finanzmärkte?
Die Ratingagentur Moody’s hat sich kürzlich – ähnlich wie zuvor Standard & Poor’s – explizit zu der Verschuldung der Telekom-Gesellschaften geäussert. Sie betrachtet diese Ängste als übertrieben. Es sei zwar korrekt, dass die Banken für die UMTS-Lizenzen und die zu etablierenden Netzwerke viel Kapital zur Verfügung stellten. Dies allein führe aber nicht zu Ratingverschlechterungen. Die Ratingrückstufung der grossen Telekom-Firmen von Aa auf A bedeutet zudem nicht, dass diese Unternehmungen spekulativen Charakter bekommen. Der Cashflow dieser Firmen ist ausreichend, um die Zinszahlungen zu gewährleisten.

Mit der Abkühlung der Wirtschaft insbesondere in den USA nehmen Gewinnwarnungen von Unternehmen zu, wächst die Zahl der zahlungsunfähigen Schuldner. Welche Auswirkungen hat das auf die Bondmärkte?
Der Transmissionsmechanismus läuft über die Obligationenrenditen. Steigen die Erwartungen für Konkurse, dann erhöht sich die Differenz der Unternehmensrenditen im Vergleich zu Staatsrenditen. Bei den schlecht gerateten Unternehmen sind die Renditedifferenzen zu Staatsanleihen auf historischen Extremwerten.

Drängt sich denn angesichts des weltweiten Konjunkturabschwungs eine Umschichtung von Aktien in Obligationen auf?
Diese Frage ist verständlich, kommt allerdings zu einem Zeitpunkt, zu dem die meisten Aktienmärkte bereits korrigiert haben. Prozyklisch die Gewichtung anzupassen, ist in den wenigsten Fällen eine erfolgreiche Strategie. Ich würde andersrum anfangen: Seriöses Anlegen setzt bei den Fragen nach Anlageziel, Risikofähigkeit und Risikobereitschaft, Anlagehorizont sowie individuellen Restriktionen des Anlegers an. Jede Anlagekategorie hat ihre eigenen Renditemöglichkeiten und schwankt wertmässig mit unterschiedlicher Intensität. Dabei gilt ein eisernes Gesetz, das gegen Ende 1999 etwas aus den Augen verloren wurde: Eine höhere Rendite darf nur erwarten, wer bereit ist, auch höhere Risiken zu tolerieren. Bei Dividendenpapieren nur das eine haben zu wollen und das andere zu meiden, ist pures Wunschdenken. Wer damit nicht leben kann, der sollte die Gewichtung seines Aktienanteils überdenken.

Auf der Suche nach mehr Rendite treffen die Anleger im Bondbereich auf besser rentierende Emerging-Markets-Papiere. Worauf sollen Anleger, die hier direkt investieren möchten, bei ihren Engagements achten?
Die Renditeaufschläge sind in der Tat interessant. Allerdings muss beachtet werden, dass die Obligationen von Emerging Markets mehrheitlich in Dollars notieren und die Bonität die Toleranzgrenze der meisten Anleger überschreitet. Viele dieser Anleihen haben zudem lange Laufzeiten. Ein kleiner Aufschlag bei der Rendite führt dann schnell zu Kapitalverlusten von mehreren Prozent. Im Fall von Emissionen in Europa kommt der Anleger nicht umhin, die Kreditwürdigkeit der emittierenden Länder zu beurteilen. Diese Anlagekategorie kann ich nur risikotoleranten Anlegern empfehlen, die eine positive Meinung vom Dollar haben.
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