In dieser Krise war Warren Buffett ja eher eine Enttäuschung: Für einmal gab es keine tröstlichen Weisheiten, das Orakel machte sich rar. Als der legendäre Investor Anfang Mai an der Generalversammlung von Berkshire Hathaway auftrat, bot er wenig Orientierung, wohin sich die Wirtschaftswelt entwickeln könnte. Er beliess es bei «Don’t bet against America»-Weisheiten.
Jetzt aber hat er eine Botschaft abgesetzt: Berkshire Hathaway, Buffetts Mischkonzern, übernimmt die Gas-Pipelines und Speicherkapazitäten von Dominion Energy – wofür er knapp 10 Milliarden Dollar frei macht.
Das mag nicht sehr spektakulär wirken: Immerhin sitzt Berkshire Hathaway auf 137 Milliarden Dollar, die investiert sein wollen. Anderseits ist es der grösste Zukauf seit 2015: Das macht den Deal in der Tat zum Signal.
«Er ist nun bereit, Investitionen in beträchtlichem Ausmass zu tätigen», interpretierte David Kass, Professor für Finanzwissenschaften an der University of Maryland: «Es ist sehr positiv, dass er ein Signal für den richtigen Deal zum richtigen Preis aussendet.»
«Wir sind bereit …»
Die Stossrichtung war bereits absehbar. Im Februar hatte Buffett im Aktionärsbrief geschrieben, er wolle in grosse Infrastruktur-Projekte investieren («We stand ready, willing and able to take on such opportunities.») Im Mai verwies er an der Berkshire-GV aufs konzerneigene Energiegeschäft und kommentierte: «Diese Unternehmen werden Cash liefern, selbst wenn die Umsätze etwas zurückgehen.» Sie seien von der Pandemie weniger betroffen.
«Das scheint wie eine Bestätigung, dass Rohstoffe wie Energien unterbewertet sind», interpretiert Bill Smead, CIO von Smead Capital Management, gegenüber «Bloomberg» die Dominion-Übernahme.
Energie statt Airlines
Infrastruktur statt Konsumgüter, Energie statt Airlines: Dies ist ein Muster von Warren Buffett 2020. Im Frühjahr hatte sich Berkshire Hathaway von den Anteilen der Airlines Delta, United, Southwest und American getrennt. Nun kommen mit der Dominion-Übernahme gut 12’000 Kilometer an Pipelines und 25 Milliarden Kubikmeter Gasspeicher unter seine Kontrolle. Das Pipeline-Geschäft in den USA ist unter Druck (mehrere Projekte von Dominion waren zuvor wegen zu grossen Widerstands gestoppt worden), auch die Aktien entsprechender Unternehmen litten.
Wie ein «Bloomberg»-Kommentar bemerkte, könnte sich gerade hier eine Situation entwickelt haben, wie sie Buffett liebt: ein guter Preis; in einer Branche, die er mag; zu einer Zeit, in der alles noch zögert.
«Bloomberg»-Kolumnistin Tara Lachapelle vermutet nun, dass dies erst ein Anfang sein könnte: Warren Buffett wird im August 90 Jahre alt, «und das ist für das Orakel ein symbolischer Schritt für den Beginn des letzten Kapitels. Er wird nicht wollen, dass die letzte Fussnote in seinem Vermächtnis der wenig denkwürdige Kauf von Gasanlagen sein wird, auch wenn dies eine feine Transaktion ist.»
(rap – mit Material von «Bloomberg»).