Das Volumen von Exchange Traded Funds (ETF) hat in Europa in den vergangenen Jahren rapide zugenommen, wenn auch von einem niedrigen Ausgangspunkt. Wenn der US-Markt aber als Anhaltspunkt herangezogen werden kann, dürfte sich das kräftige Wachstum fortsetzen.
Dem Anlagevehikel ETF haftet allerdings nach wie vor ein weit verbreitetes Vorurteil an: dass nämlich ETF gleichbedeutend mit passiven Anlagen sind. ETF sollten aber lediglich als Anlage-Vehikel betrachtet werden, die einen Zugang zu Anlageoptionen ermöglichen – und die mit bestimmten Eigenschaften und auch Vorteilen einhergehen.
Ryan Blute ist Leiter europäischen ETF Business bei PIMCO.
Bei der Wahl einer Anlageoption ist die wichtigste Entscheidung stets, welche Anlagestrategie verfolgt werden soll: etwa Euro-Unternehmensanleihen oder Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern. Erst im zweiten Schritt gilt es, das Anlagevehikel zu wählen – wie etwa ETF, Publikumsfonds oder Spezialfonds.
Obgleich ETF in der Vergangenheit meist als Mittel genutzt wurden, um auf passive Anlagestrategien zuzugreifen, sind wir der Ansicht, dass Anlegern in passiven Anleihen-ETF Chancen entgehen könnten, ihre Rendite mittels eines aktiven Managements zu steigern und gleichzeitig von der Struktur des ETF-Vehikels zu profitieren.
Warum ETF?
Dass sich Anleger für einen ETF entscheiden, hat vielerlei Gründe: von der Intraday-Liquidität über die Transparenz bis hin zu teils günstigen Gebühren. Während der ETF-Markt aus historischer Sicht von passiven Anlagestrategien dominiert wurde, gewinnt das aktive Management aber zunehmend an Boden.
Wir gehen davon aus, dass die Anleger in einem Umfeld mit anhaltend niedrigen Zinssätzen weiter in aktive, festverzinsliche ETFs umschichten werden. Das aktive Management festverzinslicher Wertpapiere kann sich eine Reihe von Ineffizienzen am Anleihenmarkt zunutze machen, die Gelegenheiten für eine Renditesteigerung schaffen, ohne gleichzeitig das Risiko zu erhöhen. Diese lassen sich allesamt auf ETF anwenden.
Erstens steht der Anleihenmarkt nach wie vor unter dem Einfluss der Ratingagenturen, die Bonitätsnoten für Anleihen festlegen, die von regulierten Banken und Versicherungsgesellschaften, zahlreichen institutionellen Pensionskassen sowie bei der passiven Indexnachbildung eingehalten werden müssen. Möglicherweise unterliegen diese Anleger Vorschriften, die eine Anpassung ihrer Portfolios erfordern, sobald eine Anleihe herabgestuft wird, was unabhängigen, wertorientierten Anlegern die Gelegenheit bietet, diese Papiere zu einem attraktiven Preis zu erwerben.
Der «Klienteleffekt»
Zweitens werden festverzinsliche Wertpapiere von zahlreichen öffentlichen Institutionen wie etwa Notenbanken mit einem anderen Ziel als einer Maximierung des Gesamtertrags gekauft. Dies lässt weitere Verzerrungen entstehen. Das bedeutet, dass Anleger, die einen Index passiv nachbilden, einen zu hohen Preis für jene Anleihen zahlen müssen, die von gewissermassen «nicht rein ökonomisch handelnden» Akteuren gehalten werden. Demgegenüber können aktive Manager von ETF den entgegengesetzten Standpunkt einnehmen und auf ähnliche Anleihen mit attraktiveren Renditen setzen.
Drittens – und damit zusammenhängend – greifen bestimmte Anleger, wie etwa Versicherungsgesellschaften, aufgrund ihres Zinsertrags auf Anleihen zurück und befolgen spezifische Rechnungslegungsgrundsätze, die ihre Transaktionen bestimmter Wertpapiere zur Optimierung des Jahresabschlusses verzerren. Aus diesem so genannten «Klienteleffekt» können aktive Manager ebenfalls Nutzen ziehen und die entsprechenden Anleihen meiden, da diese überbewertet sind. Nicht zuletzt können aktive ETF-Manager von der Tatsache profitieren, dass passive ETF-Anbieter bei der Indexnachbildung zum Kauf bestimmter Anleihen gezwungen sind.
Die Vorteile der aktiven Manager
Ein Paradebeispiel hierzu liefern Unternehmensanleihen: Hier müssen passive ETF die grössten beziehungsweise liquidesten Anleihen jener Emittenten kaufen, die im nachzubildenden Index enthalten sind. Aktive Manager sind sich dessen sehr wohl bewusst und können diese Anleihen meiden, um sie durch attraktiver bewertete, substanziell ähnliche Alternativen zu ersetzen.
Wenn diese passiven ETF schliesslich Abflüsse erfahren, können sich aktive Manager den Sachverhalt zunutze machen, dass die Kurse der «zu besitzenden» Wertpapiere stärker fallen, als es durch die Fundamentaldaten gerechtfertigt wäre, und sie zu attraktiveren Renditen erwerben.
Während es keine Garantie gibt, dass ein aktiver Manager eine bessere Wertentwicklung erzielen wird als seine Benchmark, sind passive ETF derart konzipiert, dass sie nach Abzug der Gebühren stets schlechter abschneiden müssen als ihre Benchmark.
In einer Welt mit deutlich höheren Zinssätzen mag dies angebracht gewesen sein. Im heutigen Umfeld zählt jedoch jeder Basispunkt an Ertrag. Die Zukunft jedenfalls sieht besser aus für Anleger – ob institutionelle oder private –, die das Beste beider Welten miteinander kombinieren möchten: die Vorteile von ETF und die Vorzüge des aktiven Managements.