Am Sonntag wählen die Deutschen einen neuen Bundestag. Die Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich haben Anlegern in diesem Jahr Sorgenfalten auf die Stirn getrieben, aus Angst vor einem Erstarken populistischer Parteien. In Deutschland wird nun aller Voraussicht nach die 2013 gegründete rechtspopulistische AfD erstmals in den Bundestag einziehen. Trotzdem können Investoren Ruhe bewahren: Wahrscheinlich bleibt vieles beim Alten.

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Die Unionsparteien CDU/CSU liegen in den jüngsten Wahlumfragen mit 36 Prozent weit vor der SPD, die auf 22 Prozent der Stimmen kommt. Angela Merkel, seit zwölf Jahren im Amt, hat beste Chancen, weitere vier Jahre Bundeskanzlerin zu bleiben. Ihr Kontrahent Martin Schulz von der SPD gilt als chancenlos. «Wir sehen die Wahrscheinlichkeit, dass Angela Merkel die Kanzlerschaft behält, bei 90 Prozent», sagt Ricardo Garcia, Ökonom der UBS. Grosse Überraschungen erwartet er am Sonntagabend, wenn die Wahllokale schliessen, nicht. Auch andere Marktbeobachter sehen dem Ereignis gelassen entgegen. Grössere Börsenbewegungen nach der Wahl erwarten sie nicht.

Koalitionsfrage noch offen

Die Deka-Bank betrachtet die deutsche Bundestagswahl aus wirtschaftspolitischer Sicht gar als «Nicht-Ereignis». Schliesslich gehe es Deutschland gut, und in guten Zeiten neigten Wähler dazu, alles beim Alten zu lassen. Trotzdem sollten Anleger die Bundestagswahl im Nachbarland keinesfalls ignorieren. Denn die Zusammensetzung der neuen deutschen Regierung dürfte sich mittel- bis langfristig auf einzelne Branchen auswirken und die Entwicklung einzelner  Valoren beeinflussen.

Offen sind vor allem die Fragen, mit welchem Koalitionspartner Merkel letztlich regieren wird – und auf welchen Stimmenanteil die AfD kommt. «Die Partei wird wohl in der Opposition landen. Eine akute Gefahr für die Stabilität der Europäischen Union (EU) sehen wir nicht», sagt Daniel Lösche, Investmentstratege beim Fondsanbieter Schroders. Der Effekt auf die europäischen Kapitalmärkte werde deshalb gering sein.

Von starker FDP profitieren

Europa-Investoren müssen sich mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl nicht sorgen, sagt auch Dylan Ball, Portfoliomanager bei der Investmentgesellschaft Franklin Templeton. «Viele Konjunkturindikatoren sprechen dafür, dass die wirtschaftliche Erholung in Europa weitergeht», sagt Ball. Viele Unternehmen überzeugten mit guten Fundamentaldaten, was für europäische Aktien spreche. «Daran wird sich nach der Bundestagswahl nichts ändern», sagt Ball. Grundsätzlich stehen alle grossen deutschen Parteien zu einem geeinten Europa mit einer stärker abgestimmten Aussen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. Auch den Euro stellen sie nicht in Frage.

In Deutschland könnten je nach künftiger Regierungskoalition Immobilienunternehmen, Versorger und digital gut aufgestellte Unternehmen profitieren, sagt Oliver Maslowski, Fondsmanager bei GAM: «Im Vergleich zur Wahl im Jahr 2013 könnte die wirtschaftsliberale FDP in diesem Jahr der grosse Gewinner sein. Sollte die Partei Einzug in die Regierung erhalten, könnte es zu einer Abschaffung der Mietpreisbremse kommen.» Hiervon würden grosse Privatvermieter profitieren, etwa die Wohnungsunternehmen Vonovia, LEG Immobilien oder Deutsche Wohnen. «Eine Übergewichtung des Immobiliensektors erscheint aus Risiko-Rendite-Perspektive sinnvoll», sagt Maslowski.

Auf Digitalisierungstrend setzen

Deutsche Versorger wiederum könnten profitieren, wenn die neue Regierung die Elektromobilität weiter vorantreibt. Elektroautos brauchen Strom – und um diesen zu liefern, müsste die Stromproduktion erheblich gesteigert werden. Unabhängig vom Wahlausgang dürfte zudem die Digitalisierung in Deutschland künftig eine grössere Rolle spielen. Fast alle Parteien wollen die Breitbandversorgung ausbauen und sehen im schnellen Internet Chancen für Bildung, Gesundheit, Sicherheit und Industrie. Während Telekomunternehmen in einem starken Preis- und Technologiewettbewerb stehen, profitieren Unternehmen mit einer klaren Digitalstrategie branchenübergreifend.

Handlungsbedarf besteht also noch nicht. Ohnehin sei es für die Kapitalmärkte nicht entscheidend, wer nach der Bundestagswahl am Sonntag regiert, erklärt die Sutor Bank. Die Bank hat sich die Entwicklung von Bruttoinlandprodukt (BIP) und Aktienmarkt in Deutschland in den Amtsperioden aller bisherigen Bundeskanzler angeschaut. Demnach ist es für die Entwicklung des BIP und des deutschen Leitindex Dax relativ egal, wer gerade Kanzler ist. Starke Marktbewegungen seien vielmehr meist das Resultat globaler Ereignisse.

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