«Tun Sie nicht einfach irgendwas. Halten Sie still!» Diese Worte des legendären US-Investors Jack Bogle sind die Weisheit für wilde Turbulenzen in Bullenmärkten – wie jetzt. Ich bezeichne den Aktienmarkt seit langem als «grossen Demütiger». Er verunsichert erneut die Zaghaften nach dem einsetzenden Aufschwung. Sie sorgen sich wegen des schwachen Wachstums in der Schweiz, der Rezession in Deutschland, der Probleme in China und wegen vielem mehr. Und über allem schweben die tragischen Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine. Aber lassen Sie sich nicht zu überstürzten Handlungen verleiten. Das Beste, was Sie jetzt tun können, ist, gar nichts zu tun.
Aber jetzt herrscht Skepsis, nachdem der SPI seit dem 19. Oktober offiziell als in «Korrektur» bezeichnet wird und die Welt- und US-Aktien kräftig schwanken. Die Konjunkturerwartungen von Sentix für die Schweiz im Oktober wurden zwar angehoben, aber bleiben gedämpft. Für die Euro-Zone sind die Erwartungen deutlich pessimistischer. Umfragen zufolge erwarten die meisten der globalen Fondsmanager und Fondsmanagemerinnen eine «sanfte Landung» der Weltwirtschaft – also keine harte Rezession, aber verlangsamtes Wachstum.
Der Gastautor
Ken Fisher ist Gründer und Executive Chairman von Fisher Investments, einer Vermögensverwaltungsfirma mit Niederlassungen weltweit, die über 205 Milliarden Dollar verwaltet. Fisher zählt zu den einflussreichsten (und auch reichsten) Investmentmanagern der USA.
Viele gehen aber von Schlimmerem aus. Die Furcht vor Chinas Schwäche sickert durch, und die abflauende Uhrennachfrage drückt auf die Schweizer Exporte. Der Krieg im Nahen Osten lässt die Energiesorgen wieder aufflammen. Weiter angefacht werden die Sorgen durch die rückläufige Kreditvergabe in der Euro-Zone und das Gerede über eine «Double-Dip»-Rezession in Deutschland. Hinzu kommt die Angst vor höheren Langfristzinsen. Der Rückgang der Schweizer Produktion und die sinkenden Wachstumsprognosen des Seco sind Ihnen bekannt. Das spiegelt sich auch in den jüngsten Marktschwankungen wider.
Aber Volatilität ist kein Makel dieses Bullenmarktes – sie ist ein Merkmal aller Bullenmärkte, die der Legende nach eine «Mauer der Sorgen» erklimmen. Kein Bullenmarkt verläuft linear. Betrachtet man aufgrund seiner langen, genauen Geschichte den amerikanischen S&P 500, zeigt sich, dass die Aktien seit 1926 34-mal Korrekturen erfuhren – heftige, stimmungsgetriebene Rückgänge von 10 Prozent bis 20 Prozent mitten in Bullenmärkten. Der durchschnittliche Einbruch betrug 13,7 Prozent, Dividenden ausgenommen. Ich zähle fünfzig Einbrüche von minus 8 Prozent oder mehr, etwa alle zwei Jahre einen.
Manche Bullenmärkte haben mehr. Nachdem der regionale Bärenmarkt 2011 geendet hatte, musste der SPI bis zum Ende des Aufschwungs im Jahr 2020 insgesamt fünf Korrekturen hinnehmen, darunter von 2015 bis 2016 einen Rückgang um 19,5 Prozent. Während des Marktanstiegs von 2003 bis 2007 gab es jedoch nur zwei – beide waren mit minus 10,2 Prozent und minus 12,2 Prozent geringfügig. In der kurzen Wachstumsphase von 2009 bis 2010? Nichts.
Erkennen Sie ein Muster? Ich nicht. Es gibt keines. Kurzfristige Schwankungen entziehen sich den Prognosen. Sie können jederzeit auftreten – begründet oder nicht – und lassen damit Geduld zu etwas enorm Wichtigem werden. Der grosse Lucien Hooper, nach mir und Heinz Biel der am drittlängsten für Forbes schreibende Kolumnist, sagte: «Sie verdienen mehr Geld mit Nichtstun als mit Herumwirbeln.» Das gilt besonders in jungen Bullenmärkten.
Kurzfristige Schwankungen sind der Preis für die hohen langfristigen Erträge der Aktien. Der Versuch, Wackelbewegungen auszuweichen, ist gefährlich. Eine Korrektur im S&P 500 dauert im Schnitt gerade einmal 2,1 Monate. Erholungen brauchen im Mittel 2,6 Monate. Der durchschnittliche Marktgewinn sechs Monate nach dem Tief liegt in Dollar bei 22,9 Prozent! Weil sie Schlimmeres fürchten, verkaufen zu viele nach dem Rückgang und kaufen wieder nach der Erholung. Verheerend!
Machen Sie sich keine Sorgen, dass die Wackler von heute zu einem Bärenmarkt werden. Energiepreisspitzen? Das sind aufgewärmte Ängste. Die Preise sind weit von den Niveaus des Jahres 2022 entfernt. Der Krieg im Nahen Osten ist auf menschlicher Ebene verheerend, aber es fehlt ihm die wirtschaftliche Reichweite, um auf die hartherzigen globalen Aktien durchzuschlagen. Und China? Analysten und Analystinnen beobachten 2023 ein BIP-Wachstum von 5,1 Prozent, ähnlich wie vor der Pandemie. Das ist nicht weit von den 4,9 Prozent im dritten Quartal entfernt. Jahrelang sehnten wir uns alle nach einer Rückkehr zu vorpandemischen Normen. Nun ist sie da. Bullish!
Bullenmärkte versuchen immer, im Anstieg so viele wie möglich abzuschütteln. Diese Volatilität können Sie nicht kontrollieren, Ihre Reaktion darauf jedoch müssen Sie kontrollieren.