W.H. war mit dem Einschätzungsentscheid der Berner Steuerverwaltung überhaupt nicht zufrieden. Die Behörde hatte ihm den Abzug von 6160 Franken für die tägliche Fahrt mit dem Auto von seinem Wohnort nach Thun (220 × 40 km à 70 Rappen) gestrichen und stattdessen die Kosten des öffentlichen Verkehrsmittels (3860 Franken) abgezogen. Als Geschäftsführer eines Unternehmens ist er auch tagsüber häufig auf sein Auto angewiesen. Zudem schien ihm der Fahrplan von Bus und Bahn so schlecht, dass er ohne Auto unzumutbar viel Zeit für den Arbeitsweg benötigen würde.

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Der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, erhob fristgerecht Einsprache und verlangte gleichzeitig einen Termin zur mündlichen Begründung. Dort legte er die entsprechenden Fahrplanauszüge vor. Der zuständige Steuerbeamte gewährte daraufhin für fünfzig Tage pro Jahr die Benutzung des Privatautos.
Doch das war W. H. zu wenig. Er legte beim Verwaltungsgericht Rekurs betreffend Kantonssteuern und Beschwerde betreffend Bundessteuer ein und verlangte den Abzug für die vollen 220 Tage.

Die Hartnäckigkeit hat sich gelohnt. Das Verwaltungsgericht erhöhte seine Autotage nach Einsicht in seine Geschäfts- und Kundenagenda sowie nach Prüfung des Fahrplans auf 110 Tage. Mehr liegt für W. H. nicht drin, denn die kantonalen Verwaltungsgerichte entscheiden in aller Regel abschliessend. Ein Weiterzug ans Bundesgericht ist nur bei Verletzung des Bundesrechts − direkte Bundessteuer und Harmonisierungsgesetz − oder der Verfassung möglich. Dies zum Beispiel, wenn andere Steuerpflichtige in vergleichbarer Situation anders behandelt werden, also bei einer Verletzung des Willkürverbots.

Einsprachen per Einschreiben

Der Erfolg von W. H. gründet nicht nur darin, dass er überzeugende Argumente und Beweise vorlegen konnte. Entscheidend war auch, dass er alle formalen Vorschriften und Fristen einhielt, sonst wären Verwaltung und Gericht gar nicht erst auf die Forderungen eingetreten. Die Einsprache gegen den Einschätzungsentscheid − mancherorts auch Veranlagungsverfügung genannt − muss innerhalb von dreissig Tagen schriftlich und vorzugsweise per Einschreiben erfolgen. Gegen eine provisorische Einschätzung ist noch keine Einsprache möglich.

Die Einsprache muss aus einem Antrag, also einer Forderung, sowie einer Begründung bestehen. Beweismittel sind beizulegen (Fotokopien). Wer persönlich vorsprechen will, muss das ebenfalls im Brief verlangen. Sonst wird aufgrund der Akten entschieden − und das kann Monate dauern. Einsprachen sind in den meisten Kantonen unentgeltlich. Davon ausgenommen sind nur solche bei grobem Verschulden − zum Beispiel, wenn man keine Steuererklärung eingereicht hat und sich deshalb verspätet gegen die Einschätzung der Steuerverwaltung wehren will.

Nach Ablauf der dreissigtägigen Frist sind Einsprachen nur noch bei begründeter Verhinderung wie schwere Krankheit und Landesabwesenheit möglich. Ausserdem steht noch der Revisionsweg offen, wenn nachträglich neue, wichtige Tatsachen zum Vorschein kommen. Ein Fehler der Steuerbehörden genügt dann als Begründung aber nicht mehr. Hätte der Steuerpflichtige nämlich die Verfügung sorgfältig geprüft − und das ist ihm zuzumuten −, hätte er diesen bereits während der Einsprachefrist bemerken können.

Ausgenommen sind sogenannte Kanzleifehler, also simple Rechen-, Übertragungs- oder Schreibfehler des Steueramts. Sie können noch bis zu fünf Jahre nach Frist korrigiert werden.

Abklären, ob sich Aufwand lohnt

Ist auch das Einspracheverfahren nicht wunschgemäss verlaufen, kann der Steuerpflichtige Rekurs einreichen. Der Rekurs beziehungsweise die Beschwerde beim Verwaltungsgericht ist kostenpflichtig. Unterliegt man, hat man neben den Anwaltskosten auch die Gerichtskosten zu tragen. Bekommt man recht, erhält man eine Entschädigung, die die angefallenen Kosten decken sollte.

Die Rekursfrist beträgt ebenfalls dreissig Tage. Vor einem Rekursverfahren sollte man deshalb sehr genau abwägen, ob sich das Risiko lohnt. Viele Steuerexperten setzen dabei eine untere Schwelle von rund 5000 Franken an, weil sich der finanzielle Aufwand sonst meist nicht rechtfertigt. Ein Grund dafür: Steueranwälte verrechnen oft Honorare zwischen 300 und 500 Franken pro Stunde.

Wer über genügend Kenntnisse der Materie verfügt, kann natürlich auch ohne Vertretung durch einen Anwalt einen Rekurs einreichen. In diesem Falle kann sich für den Kläger auch ein Streitwert von deutlich unter 5000 Franken auszahlen. Der Beizug eines Steueranwalts empfiehlt sich aber spätestens dann, wenn man die Absicht hat, notfalls auch vor Gericht zu gehen.

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