BILANZ: Was ist Ihr Fazit zum Private-Banking-Rating 2010?
Thorsten Hens: Das erste solche Rating vor einem Jahr zeigt bereits Wirkung. Die Kosten sind tiefer. Die Produkte sind weniger verschachtelt und günstiger. Allerdings hat sicherlich auch der Kollaps der Bank Lehman Folgen in diese Richtung gezeitigt.
Haben Sie den Eindruck, dass auch die Qualität der Beratung gestiegen ist?
Durchaus. Die Portfolios sind besser diversifiziert, auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet und effizienter. Auswüchse wie 2009, als der risikoscheuen Kundin bis zu 30 Prozent Hedge Funds vorgeschlagen wurden, gab es nicht mehr.
Wieso schneiden insbesondere die Grossbanken schlechter ab?
Eine Grossbank hat verschiedene Geschäftsfelder, die optimiert werden, um den Gewinn zu steigern. Die Folge davon ist zum Beispiel ein hoher Anteil an hauseigenen Produkten.
Damit sprechen Sie die Abspaltung des Investment Banking an.
Dafür plädiere ich schon lange. Die Banken führen Synergien mit dem Private Banking ins Feld. Diese sind für die Bank vorteilhaft, aber nicht für die Kunden.
Gerade die Grossbanken rühmen sich ja für ihre strukturierten Beratungsprozesse. Was läuft da falsch?
Das Management kann solche Prozesse vorgeben. Letztlich müssen die Kundenberater aber dahinterstehen und dieser Kultur nachleben. Das geht nicht, wenn sie mit rechtlichen Auflagen und dem Verkaufsdruck bei Produkten überfrachtet sind und wenn obendrein eine zeitliche Beschränkung des Kundengesprächs von einer Stunde vorgegeben wird.
Wie weit hängt die Beratungsqualität von der Tagesform des Beraters ab?
Es braucht Individualität in der Beratung, um den Kunden zu verstehen. Das erfordert hohe menschliche Intelligenz und Kompetenz. Noch immer steigt ein grosser Teil der Berater jedoch direkt über Stockpicking und Produktwahl ein. Das rührt von der Ausbildung her. Diese Berater sind Produktspezialisten, aber nicht in Finanzplanung geschult. Oft scheitern Kundenbeziehungen auch daran, dass der Kunde die Sprache des Beraters nicht versteht, weil dieser sein Expertenwissen mit Fachvokabular zur Schau stellen will.
Worauf sollte ein Kunde bei der Wahl einer Bank besonders achten?
In der ersten Anfrage wird die Situation nie vollständig beschrieben. So lässt sich auch noch kein Anlagevorschlag machen. Eine solche Antwort ist vermutlich dann nur vorgefertigt und nicht individuell auf den Kunden ausgerichtet. Deshalb ist es wichtig, dass die Bank nachfragt.
Welche Fehler werden häufig gemacht und führen dann zur Enttäuschung?
Oft wird zu sehr auf Äusserliches geachtet, ob der Berater freundlich ist oder noch ein Präsent offeriert. Das Wohlbefinden hängt von anderen Faktoren ab, von Transparenz, von Verständlichkeit und Offenheit, insbesondere bei den Kosten. Pauschalgebühren müssen transparent sein, und Retrozessionen sollen offengelegt werden.
Wie gut ist das Schweizer Private Banking im Vergleich zu Deutschland? Ist es auch ohne Bankgeheimnis und Steuerfluchtgelder gut genug?
Die Beratung ist in der Schweiz in der Tat besser. In Deutschland sind die Abläufe viel straffer durchorganisiert. Es wird viel mehr mit Standardlösungen gearbeitet, und die Schwelle für individuelle Beratung liegt deutlich höher. Die Schweiz zeichnet die Vielfalt der kleinen Privatbanken aus. Ich befürchte, dass diese Struktur zugunsten der Grossbanken verloren geht.
Immerhin soll im Gegenzug zur Preisgabe des Bankgeheimnisses der Marktzutritt erleichtert werden.
Davon profitieren aber in erster Linie die grösseren Banken. Kleinere können sich eine solche Expansion nicht leisten. Sie werden unter der Offenlegung der Kundenidentität leiden. Privatbank heisst ja auch, dass die Privatsphäre des Kunden geschützt ist. Vernünftig wäre die Lösung der Abgeltungssteuer, bei der die Bank die Identität des Kunden behält, jedoch die Steuer an den Staat abliefert.
Sie rechnen mit einer Konsolidierung?
Sollten tatsächlich allein nach Deutschland bis zu 400 Milliarden Franken aus der Schweiz abfliessen, würde das bei den kleineren Privatbanken zu einer Konsolidierung führen.
Was möchten Sie mit Blick auf das nächste Private-Banking-Rating an Verbesserungen sehen?
Bis dahin sollte dieses lästige Thema mit den Retrozessionen zugunsten der Kunden gelöst sein. Schön wäre, wenn die Kundenberater in kurzer Zeit die Situation des Kunden verstehen könnten, um einen effizienten Vorschlag auszuarbeiten. Aber daran werden wir wohl noch in zehn Jahren arbeiten. Den Kunden ist aber mehr geholfen, wenn sie eine Lösung erhalten, die ihrem Profil entspricht, anstatt eine Liste mit vermeintlich attraktiven Produkt- und Titelvorschlägen.