Wer durch Genf flaniert, fühlt sich häufig eher wie in Südfrankreich denn wie im Westen der Schweiz. Und das liegt nicht nur an der Sprache. Tatsächlich pflegen die Suisses romands auch sonst den französischen Lebensstil, präsentieren sich gern chic und geben sich mondän.
Genf, die zweitgrösste Stadt der Schweiz, tritt denn auch ganz unbescheiden als «kleinste Metropole der Welt» an, und kann dazu nicht bloss den Europäischen Sitz der Vereinten Nationen vorweisen, sondern auch berühmte Hotels, noble Banken, Altstadtgassen mit eleganten Boutiquen, die Promenade mit der berühmten Sissi-Skulptur, die Quais und die vielen Parks am Rande des Lac Leman.
Starke Wirtschaftsleistung
Aber nicht nur für Ausflügler, auch für Anleger in der Schweiz lohnt es, die Westschweiz einmal zu besuchen. Dabei sind insbesondere die Regionen rund um den Genfer sowie um den Neuenburger See Wirtschaftsstandorte von herausragender Bedeutung.
Nebst Teilen von den zweisprachigen Kantonen Bern, Freiburg und Wallis bilden vier Kantone die Romandie oder Westschweiz: Genf, Jura, Neuenburg und Waadt zählen zusammengenommen zu den zehn wohlhabendsten Regionen Europas – und das, ohne den Bonus einer Hauptstadt oder eines grossen Pendler-Aufkommens, die häufig die Wirtschaftskraft wohlhabender Gegenden statistisch aufwerten. Fast ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts der Schweiz wird in dieser Gegend erwirtschaftet.
Wo internationale Unternehmen zuhause sind
Das liegt vor allem daran, dass eine ganze Reihe global agierender Unternehmen aus der Bio-und Medizinaltechnologie, der Nahrungsmittelverarbeitung, der Pharmabranche und der Computerindustrie ihr Hauptquartier in der französischsprachigen Schweiz aufgeschlagen haben. Zudem profitiert Genf als einer der grössten Rohstoff-Handelsplätze der Welt vom Verkauf von Öl, Gas, Getreide und anderen Produkten. Privat geführte Milliarden-Unternehmen wie Vitol, Gunvor und Cargill sorgen dafür, dass weltweit jeder dritte Liter Rohöl, ein Drittel aller Getreide und Ölsaaten, jeder zweite Sack Zucker und Kaffee über die Region gehandelt wird.
Für öffentliche Investoren sind die Mitspieler in diesem Geschäft allerdings kaum zugänglich, denn an der Börse kotiert ist so gut wie keiner der Händler. Ganz anders die Luxusgüterindustrie, die die Region ebenfalls auszeichnet. Zum Beispiel die Compagnie Financière Richemont aus Bellevue bei Genf: Das Unternehmen hat gleich 20 weltbekannte Marken der Schmuck- und Uhrenbranche im Portfolio, darunter Cartier, Montblanc und Piaget. Auch wenn Richemont zuletzt weniger Umsatz und Gewinn erzielte, sehen Analysten den Luxusgüterkonzern gut positioniert, weil die weltweite Nachfrage nach Markenartikeln der ersten Güteklasse steigt.
In Genf ansässig sind aber auch bedeutsame Mittelständler aus der Industrie. Zum Beispiel LEM, ein hoch profitabler Hersteller von Strom- und Spannungswandlern. Das Unternehmen produziert auch in Tokio und Peking, beliefert die Automobilindustrie sowie Bahnnetzbetreiber, Industrie- und Energieunternehmen.
Mit Aufwärtspotenzial
Die Kantone Jura und Neuenburg wiederum gelten unter anderem als Wiege der Schweizer Uhrenindustrie. Gerade am Neuenburger See haben sich viele Branchen-Grössen angesiedelt: Cartier Horlogerie, LVMH Swiss, Tissot und auch das Börsen-Schwergewicht Swatch steuern von hier aus ihre Geschäfte.
Swatch, weltgrösster Hersteller von Fertiguhren mit Hauptsitz in Biel, hat zwar ein wirtschaftlich schwaches Jahr hinter sich und zuletzt mit massiven Spekulationen sogenannter Leerverkäufer zu tun, die auf einen Kursverfall des Valors wetteten. Inzwischen sehen Analysten bei dem Titel wieder Auswärtspotential, mehrere von ihnen sprachen zuletzt Kaufempfehlungen aus. Zudem könnte in zwei Jahren die Batterietochter Belenos an die Börse kommen, was mehrere Milliarden in die Kassen des Mehrheitseigentümers spülen könnte.
Innovativer Verpackungshersteller
Südwestlich an Genf grenzt schliesslich noch der Kanton Waadt rund um Lausanne, ein regelrechter Tummelplatz mehrerer Börsenschwergewichte. Neben dem Nahrungsmittelgiganten Nestlé sind hier auch der Computerzubehörhersteller Logitech und der Energiekonzern Alpiq ansässig.
Auch Bobst hat in Lausanne einen Sitz. Der Lieferant von Anlagen für Verpackungs- und Etikettenhersteller verkauft Produkte in mehr als 50 Länder. Kein anderes Unternehmen aus der Verpackungsindustrie investiert so viel in Forschung und Entwicklung wie Bobst. Damit konnte der Mittelständler im vergangenen Jahr den Umsatz vor allem in den USA und in Asien steigern und die Gewinnerwartungen vieler Analysten übertreffen. Zwischen den Giganten finden sich also auch in der Westschweiz viele kleine Investment-Chancen.
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