Das vergangene Jahr brachte Anlegerinnen und Anleger am Schweizer Aktienmarkt mehrheitlich Kursverluste. Der breite Swiss Performance Index (SPI) hat 16 Prozent verloren. Gleichzeitig sind durch die breite Marktkorrektur die erwarteten Dividendenrenditen für 2023 von 2,3 auf 3 Prozent angestiegen.
«Die guten Dividendenzahler gehörten schon 2022 zu den relativen Gewinnern», sagt Raiffeisen-Anlagechef Matthias Geissbühler auf Anfrage von cash.ch. Er geht davon aus, dass auch 2023 Aktien mit hohen und stabilen Ausschüttungsrenditen in der Gunst der Anleger sein werden. Er rechnet insgesamt mit stabilen bis leicht steigenden Ausschüttungsquoten.
Auch Pictet-Chefstratege Anastassios Frangulidis rechnet mit steigenden Ausschüttungen. Im internationalen Vergleich blieben die Schweizer Dividendentitel aufgrund ihres defensiven Charakters sowie der guten Qualität ihrer Bilanzen, der stark kompetitiven Gütern und Dienstleistungen attraktiv. «Zudem ist der Schweizer Franken aus einer real handelsgewichteten Sicht eher schwächer geworden, was die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Unternehmen erhöht,» fügt Frangulidis gegenüber cash.ch an.
Sofern die Zinsen nicht weiter steil ansteigen und im Verlauf dieses Jahres ihren Peak überschreiten, könnte 2023 auch von der Kursentwicklung her ein gutes Jahr für Dividendentitel werden. Gleichzeitig dürfte die Volatilität am Markt angesichts der geldpolitischen, konjunkturellen und geopolitischen Unsicherheit auch in den kommenden Monaten hochbleiben, was nachhaltige Dividenden-Aktien ebenso attraktiver macht.
Leonteq als Dividenden-Königin - Mobilezone als Geheimfavorit
Auf die Frage, welche Aktie eine potenzielle Dividenden-Königin 2023 sein könnte, gibt die untenstehende Tabelle eine eindeutige Antwort: Leonteq führt mit knapp 10 Prozent die Rangliste an. Der Derivatespezialist hat 2022 wegen der anspruchsvollen Marktlage für Finanzprodukte gegen 40 Prozent verloren, was die Ausschüttungsrendite stark ansteigen liess. Insgesamt rechnen Analysten aber damit, dass Leonteq langfristig seine Ertragsbasis kontinuierlich steigern kann. Auch dürfte das Unternehmen die Ausschüttungsquote weiter erhöhen.
Vorsicht ist aber generell angebracht, wenn Unternehmen eine sehr hohe Ausschüttungsquote aufweisen. Aufgrund der konjunkturellen Abschwächung und des steigenden Margendrucks sind die Dividenden möglicherweise nicht nachhaltig. Adecco (8,2 Prozent) oder auch APG (6,9 Prozent) verfügen über hohe Renditen, allerdings sind dies auch die Ausschüttungsquoten mit über 70 Prozent. Zudem sind zyklische Titel in einer konjunkturellen Abschwächung - dazu gehören auch Sulzer, Kühne+Nagel oder Phoenix Mecano - in der Regel stark unter Abwertungsdruck.
BB Biotech und Varia US Properties (beide 7,2 Prozent) sind mit Investments in Biotechnologie und US-Immobilien für einen Aktienkauf aber ebenso riskant. Beide Titel könnten stark unter Druck kommen, sollten die weiteren Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed stärker ausfallen, als diese derzeit am Mark eingepreist sind.
Mobilezone hat sich hingegen in den letzten Jahren vom Geheimtipp zum verlässlichen Dividendenzahler gewandelt. Das Unternehmen überzeugt mit einem robusten und widerstandsfähigen Geschäftsmodell mit einem Fokus auf der Schweiz und Deutschland und scheint auf nachhaltigem Wachstumskurs. Und auch der Aktienkurs orientierte sich seit dem Corona-Tief im März 2020 mehrheitlich in eine Richtung: aufwärts.
Ist die Dividendenpolitik bei der Swiss Re nicht nachhaltig?
Wer am Schweizer Markt nach soliden und zuverlässigen Dividendenzahlern Ausschau hält, landet bei den grossen Versicherern und dem Telekomkonzern Swisscom. Letzterer schafft es mit einer Dividendenrenditen von 4,3 Prozent zwar nicht auf die obenstehende Liste, gilt aber gemeinhin als Stabilisator in einem Anlegerportfolio. Von den Versicherern bietet Swiss Re mit 5,5 Prozent wie gewohnt die höchste Ausschüttungsrendite, ist aber auch ein Beispiel für eine wenig nachhaltige Dividendenpolitik. Der Rückversicherer bezahlt die Dividende seit fünf Jahren aus der Substanz. Als eine der wenigen SMI-Gewinneraktien 2022 ist Zurich Insurance (5,2 Prozent) hinsichtlich der Dividendenrendite hinter das stark korrigierte Swiss Life (5,5 Prozent) zurückgefallen.
Wichtig ist, wie der Fall Swiss Re zeigt, neben der absoluten Höhe der Dividendenrendite also auch die Ausschüttungsquote. Diese sollte tendenziell nicht über zwei Drittel des Nettogewinnes liegen, da ansonsten im Falle eines Gewinnrückgangs das Risiko einer Dividendenkürzung besteht. «Aktien, welche dieses Kriterium erfüllen, sind unter anderem Swiss Life, Holcim, Novartis, Roche, Swatch Group und OC Oerlikon,» sagt Geissbühler. Neben den attraktiven und gesicherten Dividenden seien auch die Bewertungen dieser Titel günstig.
Daher ist für das Jahr 2023 unter den grossen Versicherern Swiss Life in der Favoritenrolle, da die Ausschüttungsquote und die Bewertung bei Zurich zunehmend sportlich sind. Zudem gilt der Lebensversicherer auch als Dividendenaristokrat - hat daher mindestens zehn Jahre in Folge eine Dividendenerhöhung vorgenommen. In der Schweiz sind auch Novartis, Partners Group, Geberit, Nestlé, Roche, Givaudan, Sika und Lindt&Sprüngli Mitglied in dieser illustren Gruppe von guten und stetigen Dividendenzahlern.
Interssant sind aber auch Helvetia, Bâloise und Vaudoise Versicherungen. Gerade die Waadtländer gehören dank der sehr starken Kapitalisierung als defensives Bollwerk innerhalb des Sektors. Helvetia, das sich letztes Jahr im Kurs halten konnte, empfehlen bei Bloomberg jedoch gleich viele Analysten zum Kauf wie zum Verkauf. Immerhin erwartet die ZKB bei diesem 2023 eine weitere operative Verbesserung und die bereits tiefe Bewertung bietet einen Schutz nach unten. Bei Bâloise ist die Dividende dank der guten Liquidität in Stein gemeisselt, grosse Kurssprünge dürfen Anlegerinnen und Anleger jedoch nicht erwarten.
Grosse Auswahl bei den Banken
Unter den Top-Dividendenaktien befinden sich Bank-Institute wie VP Bank (5,7 Prozent), Bellevue Group (5,4 Prozent), Vontobel (5,3 Prozent), Basler Kantonalbank (5,1 Prozent) oder Julius Bär (5,0 Prozent). Dank steigender Zinsen - das Kreditgeschäft wird lukrativer - haben diese Titel 2022 zwar mehrheitlich im Minus aber besser als der Gesamtmarkt abgeschlossen. Während Kantonalbanken als verlässliche Dividendenzahler das Portfolio bei Marktturbulenzen gegen unten absichern, bieten grössere Bank-Institute wie Vontobel oder Julius Bär mehr Kurspotenzial.
Das Kreditinstitut Cembra Money Bank (5,1 Prozent) wurde im August 2021 wegen dem Verlust der Migros-Partnerschaft an der Börse abgestraft. Die Aktie hat seither Boden gut machen können, liegt aber weiterhin deutlich unter dem Vorabsturz-Niveau. Einerseits profitiert Cembra im angestammten Geschäft von den steigenden Zinsen, zeigt aber mit den jüngsten Akquisitionen strategisches Geschick. Eine Dividendenerhöhung auf 4 Franken liegt laut Analysten dank des wohl guten Gesamtjahrs 2022 im Bereich des Möglichen.