Nach mehrtägiger, intensiver Suche ist jetzt klar: Alle Insassen der vermissten Tauchkapsel «Titan» sind tot. Rettungskräfte haben nur noch drei Überreste der verschwundenen «Titan» gefunden, und zwar etwa 1600 Meter vom Wrack der «Titanic» entfernt. Auf der Tauchfahrt zum gesunkenen Luxusliner ist die Kapsel implodiert, auf halbem Weg.

Die Suche selber zog sich über Tage hinweg, das mediale Interesse war enorm. An den Such- und Rettungsmassnahmen waren amerikanische, kanadische und französische Experten, die Küstenwachen von Kanada und den USA sowie die US-Marine beteiligt. Die «New York Times» stellte sich daraufhin die Frage, wer für die Kosten einer solchen Suchaktion aufkommt – der Anbieter, deren Versicherung, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die Angehörigen?

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Kosten in Millionenhöhe

Klar ist, an Bord befanden sich fünf Männer, darunter der britische Milliardär Hamish Harding. Die Passagiere der «Titan» zahlten 250’000 Dollar für das Once-in-a-Lifetime-Erlebnis, das als 8-Tages-Package verkauft wurde. Gegenüber der «New York Times» sagte Chris Boyer, Geschäftsführer der National Association for Search and Rescue: «Diese Leute haben viel Geld für etwas bezahlt, das ausserordentlich riskant ist.»

Dass daraus eine mehrtätige Suchaktion resultiert, entspricht dem schlimmst möglichen Szenario. Laut Boyer kostet die ganze Suchaktion «wahrscheinlich Millionen» – es dürfte wohl über 50 Millionen sein. Immerhin waren diverse Flugzeuge, ein Dutzend Spezialschiffe soewi Tauchroboter im Einsatz. Ob die Anbieterin der Expedition, OceanGate Expeditions, von den Teilnehmenden eine Reiseversicherung verlangt hat, ist nicht bekannt.

Normalerweise müssen Gäste von riskanten Expeditionen im Voraus umfangreiche Versicherungspolicen unterschreiben. Ein Anbieter von Extremtouren ist Peter Anderson, Geschäftsführer des Luxus-Concierge-Dienstes Knightsbridge Circle. Er erklärt, dass seine Firma mit verschiedenen Diensten zusammenarbeitete, um im Notfall alle Teilnehmenden evakuieren zu können und die Rettungskosten zu decken. Nur: Steht im Vertrag eine Maximalversicherungssumme von 100’000 Dollar, würde das im jetzigen Fall nicht ansatzweise ausreichen, um die ganze Bergungsaktion zu finanzieren.

US-Küstenwache rettete Paddler für 40'000 Dollar

In solchen Fällen hängt in den USA die Kostenübernahme vom Bundesstaat und dem genauen Ort ab, in dem sich ein Unglück ereignet. So müssen beispielsweise Personen in New Hampshire für Rettungseinsätze selbst aufkommen, wenn sie nachweislich rücksichtslos gehandelt haben. In gewissen US-Parks stellen Such- und Rettungseinsätze hingegen einen öffentlichen Dienst dar – beispielsweise führte der National Park Service bereits 3428 Such- und Rettungsaktionen durch.

Zurück zur «Titan»-Suche: Die US-Küstenwache wollte sich bislang nicht zu den Kosten äussern. Ein früherer Fall aus dem Jahr 2021 zeigte jedoch, dass die Küstenwache den Kajakfahrer Cyril Derreumaux retten musste, der von der kalifornischen Küste nach Hawaii paddeln wollte. Diese Rettungsaktion kostete  rund 42’000 Dollar und wurde von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern getragen. Der hohe Betrag stand entsprechend auch in der Kritik.

Doch das sind keine Millionenbeträge, wie sie jetzt fällig werden könnten. Ein ähnliches Szenario gab es bisher noch nicht, und der Fall ist noch zu akut, als dass bereits Rechnungsträger bekannt wären. Aber es ist davon auszugehen, dass die Behörden und die privaten Bergungsschiffbetreiber vorgängig mit den betroffenen Familien über eine Kostenübernahme geredet haben.

Gerichtsfall möglich

Ausgeschlossen ist es nicht, dass bald ein rechtliches Gezerre losgehen könnte und über Schadenersatz gestritten wird. Offenkundig mussten die «Titan»-Passagiere vor dem Tauchgang einen «Liability Waver» unterschreiben, in dem sie bestätigen, dass die «Titan» ein «experimentelles Objekt» sei und dass sie im Unglücksfall rechtlich nicht auf den Organisator loszugehen würden. Allerdings schützt diese Ausschlussklausel vor einem Gericht nicht, wenn den Passagieren vor Tauchgang wichtig Informationen vorenthalten oder gar Schäden am Gerät negiert oder verheimlicht wurden. Dies zu beweisen, dürfte aber nicht einfach sein. Der Organisator hat ein Argument: Die «Titan» war bislang 13mal zum Titanic-Wrack abgetaucht, ohne Unfall.

Support für ihre Interessen könnten die Angehörigen der Opfer darin sehen, dass der ehemalige OceanGate-Mitarbeiter David Lochridge 2018 gegen die Firma klagte und «grobe Sicherheitsmängel» konstatierte. Nach einer Gegenklage der Firma hat man sich anschliessend aussergerichtlich geeinigt; ein Gerichtsurteil kam also nicht zustande. Zur selben Zeit wiesen diverse amerikanische Tauchindustrie-Experten in einem offenen Brief ebenfalls auf Sicherheitsmängel hin und kritisiert, dass die «Titan» nicht durch Dritte zertifiziert worden sei. Der Chef von OceanGate, Stockton Rush, meinte damals, Zertifizierungen würden Innovation nur verzögern; vielmehr sah er sich in der Rolle von Elon Musk, der mit seinem SpaceX-Projekt den Mars erobern will. Rush war als Pilot an Bord des letzten Tauchganges der «Titan» und überlebte - wie seine Passagiere - nicht.

Ob es in den nächsten Monaten zu Streitereien vor Gerichten kommen wird, hängt schliesslich auch davon ab, ob sich die Angehörigen einen jahrelangen Disput zumuten wollen. Was alles nicht einfacher macht: Das Unglück geschah in internationalen Gewässern.

(nzu, bar)