Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Die Märkte sind in einem Wechselbad der Gefühle, wobei makroökonomische und politische Faktoren im Vordergrund stehen. Es dominiert viel Hoffnung, die aber erst bestätigt werden muss. Gleichzeitig werden Unternehmen, die mit ihren Resultaten enttäuschen, gnadenlos abgestraft. Der Markt hat die Kehrtwende der Notenbanken gefeiert, nun kommen Zweifel auf ob dies angebracht ist.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Trotz anhaltend miserablen Konjunkturdaten hat sich die Schweizer Börse massgeblich erholt. Nun muss sich zeigen, ob der Aktienmarkt lediglich in Vorleistung gegangen ist oder ob sich die Erholung als nachhaltig erweist. Sollte sich eine Erholung der Frühindikatoren noch weiter hinziehen, werden die Ungeduld und der Stresspegel wieder ansteigen. Von den Notenbanken sind vorerst keine Impulse zu erwarten.

HartmannBoerseninterviewVPBank

Bernd Hartmann ist Chefstratege und Leiter Investment Research der VP Bank Gruppe.

Quelle: Roland Korner / Close Up AG 9495 Triesen

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Konkrete Prognosen geben wir nicht. Nur so viel: Zuletzt waren trotz der Börsenerholung primär defensive Werte und Qualitätstitel gefragt. Kommt es zu einer Rotation in gescholtene Zykliker, weil beispielsweise der chinesische Stimulus die globale Konjunktur belebt, wird die Schweizer Börse wohl etwas zurückbleiben, zumal die Bewertungen vergleichsweise hoch sind. Da einiges bereits eingepreist ist, ist das Potenzial beschränkt.

In den USA gehen eine Reihe von Techkonzernen an die Börse – Taxidienstanbieter Lyft macht heute Freitag den Anfang, gefolgt von Uber, Pinterest, Slack und Postmates. Werden die Börsendebüts bei Anlegern auf grosses Interesse stossen?
Nach den Rückschlägen im Vorjahr dürfte der Appetit vieler Privatanleger auf neue Techstocks limitiert sein. Dennoch haben diese Firmen jeweils ihre Anhängerschaft, sodass die Aktien ihre Abnehmer finden werden. Auch das Timing wirft Fragen auf. Der Verdacht, dass es darum geht, Kasse zu machen, solange die Stimmung gut ist, muss zuerst entkräftet werden.

Die US-Zinswende ist auf Eis gelegt. Dieses Jahr wird aus heutiger Sicht keine Zinserhöhung der Notenbank Fed mehr erfolgen. Wird die Ära des billigen Gelds kein Ende nehmen?
Darauf spekulieren die Anleger, doch zu sicher sollte man nicht sein. Kurzfristig kann sich die Fed die Zinspause leisten. Doch die US-Löhne ziehen kräftig an. Schlägt sich dies breiter in der Teuerung nieder, muss sich die Fed entscheiden. Damit die Börsen das Wiedereinpreisen von Zinserhöhungen verkraften können, muss die Konjunktur parallel anziehen. Sonst drohen Enttäuschungen.

Im Mai wird das EU-Parlament neu gewählt. Werden die Europawahlen Auswirkungen auf Börse und Konjunktur haben?
Die Börsen sind pragmatisch. Eine Schwächung der Mitte-Parteien und Zugewinne der Populisten werden erwartet und stellen somit keine Überraschung dar. Gleichzeitig hat aber auch die Zustimmung zum Euro breit zugenommen. Somit erwarten wir keine nennenswerten Impulse. Dennoch werden die internationalen Investoren auch nicht schnell zurückkehren.

Die Renditen von kurz- und langfristigen US-Staatsanleihen haben sich angenähert. Eine geringe Zinsdifferenz gilt als Warnzeichen für eine drohende Rezession. Sollten sich Anleger über den Zustand der amerikanischen Wirtschaft Sorgen machen?
Die invertierte Zinskurve mahnt zu Vorsicht. Ihre Deutung ist nach den massiven Eingriffen der Notenbanken schwierig. Die US-Wirtschaft hält sich im aktuell schwierigen globalen konjunkturellen Fahrwasser gut. Dass die Fed dennoch von ihrem Kurs abkehrt, ist ungewöhnlich, könnte aber letztendlich dazu führen, dass sie mithilft, eine Rezession zu verhindern.

Weitere Invest-Artikel auf cash.ch

Umfassende Börsendaten und tagesaktuelle Informationen zu Invest-Themen stellen wir auf unserer Seite cash.ch bereit.