Nein, es ist nicht nur Panikmache vor der nächsten AHV-Abstimmung. Es sind harte Fakten: Das lange so vorbildliche helvetische Altersvorsorgesystem ist kein Vorzeigemodell mehr. Gemäss dem jüngsten Mercer Global Pension Index ist die Schweiz im vergangenen Jahr erstmals aus den Top Ten verdrängt worden und rangiert nun auf Rang elf. Noch hinter Chile und Neuseeland. Das Grundübel: Alle Reformversuche der letzten zwanzig Jahre sind kläglich gescheitert. Auch die anstehende AHV-Vorlage geht die Problematik nicht entschlossen genug an. Die Kernfrage des Rentenalters wird schlicht ausgeklammert. Und rein technische Grössen wie der Umwandlungssatz und der Mindestzins bleiben ein Spielball der Politik.
Nun einfach über die unfähigen Politiker zu fluchen, ist allerdings wenig hilfreich. Denn der Vorsorgenehmer hat es zumindest teilweise selbst in der Hand, das eigene Rentnerglück zu erhöhen. Und das in erheblichem Ausmass. Das Potenzial wäre vorhanden, sein Renteneinkommen rasch einmal um einen zweistelligen Prozentsatz zu steigern. Möglichkeiten gibt es in erster Linie im überobligatorischen Bereich der zweiten und in der dritten Säule. Man kann also etwas tun. Hier und jetzt. Angesichts des schmelzenden Renteneinkommens wohl ein Muss.
PK-Nachzahlungen als Königsweg
Der einfachste Weg zur Steigerung des Rentnerwohls sind Nachzahlungen in die Pensionskasse (PK). «In Zeiten von Magerzinsen sowie hohen Aktien- und Immobilienbewertungen ist ein freiwilliger Einkauf in die PK sehr attraktiv», erklärt Jörg Odermatt, Leiter des Vorsorgeberatungsunternehmens Pensexpert. Wer auf einen möglichen Einkauf verzichtet, müsste nach seinen Berechnungen einen Anlageertrag von rund 10 Prozent erzielen, um nach zehn Jahren auf das gleiche Kapital zu kommen wie mit einer PK-Nachzahlung. Es ist nicht zuletzt der Steuervogt, der dafür sorgt, dass sich Pensionäre ihre Renten so vorteilhaft aufpeppen können. Nachzahlungen können eins zu eins vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden. Auf den Zins- und Dividendenerträgen der PK-Anlagen werden ebenfalls keine Steuern erhoben. Und das ausbezahlte PK-Kapital wird bei der Pensionierung zum vorteilhaften Rentensatz besteuert. Ein gleich dreifacher Hebel.
Lücken in der PK, die Nachzahlungen erst möglich machen, können beispielsweise durch eine Lohnerhöhung oder einen Unterbruch im Erwerbsleben entstehen. Und da läppert sich einiges zusammen. Bei der grössten schweizerischen PK, der Publica, beziffert sich die gesamte mögliche Einkaufssumme auf rund 6 Milliarden Franken. Effektiv nachbezahlt worden sind in den letzten Jahren aber jeweils bloss 77 bis 80 Millionen. «Bei der Publica könnten fast alle noch Nachzahlungen vornehmen», sagt Lanz. Und schweizweit schätzen Experten die PK-Lücke auf einen zweistelligen Milliardenbetrag.
Wer die Nachzahlmöglichkeiten sukzessive ausnutzt, kann seine Steuern erheblich senken. Mit einer gestaffelten PK-Nachzahlung von beispielsweise 50 000 Franken steigt nämlich nicht nur das PK-Guthaben, sondern sinken ebenfalls die Steuern. Und dies massiv. Je nach Kanton sind es zwischen 13 000 bis 23 000 Franken. Besonders attraktiv sind Nachzahlungen, wenn sie drei bis zehn Jahre vor der Pensionierung erfolgen. Je früher einbezahlt wird, desto stärker verwässert sich sonst der Steuerspareffekt. Sinn machen PK-Nachzahlungen sodann nur bei gesunden Pensionskassen mit einem Deckungsgrad von mindestens 100 Prozent.
Wer bei der Pensionierung nicht die Rente, sondern den Kapitalbezug wählt, sollte wissen, dass er nicht das gesamte Guthaben auf einmal beziehen muss. Mit einem gestaffelten Bezug lassen sich oft nochmals mehrere tausend Franken an Steuern sparen.
Bei der Säule 3a und bei Freizügigkeitskonti ist ein gestaffelter Bezug ebenfalls möglich und ratsam. Hier allerdings nur dann, wenn mehrere Konti bestehen. Beziehen kann man diese Gelder bis zu fünf Jahre vor oder nach dem ordentlichen AHV-Alter, falls man bis siebzig weiterarbeitet.
Anders als bei der AHV kann der Vorsorgenehmer sodann bei der Anlage der Gelder, die er in die zweite und dritte Säule gesteckt hat, mitreden. Leider aber nur für die überobligatorischen PK-Guthaben. Gesetzlich erlaubt ist eine individuelle Anlagestrategie demnach erst ab einer Lohnsumme von 127 980 bis zu 853 000 Franken. Nach Schätzungen von Experten könnten davon aber immerhin 10 bis 15 Prozent aller Vorsorgenehmer profitieren. Auf Vorsorge spezialisierte Finanzdienstleistungsunternehmen wie beispielsweise Liberty Vorsorge, Pensexpert oder das Vermögenszentrum VZ bieten eine ganze Palette von Individuallösungen für das Überobligatorium der Säule 2 und für die Säule 3a an. Die Kernidee: Die Versicherten sollen die Bewirtschaftung ihrer Vorsorgegelder so weit als möglich in die eigene Hand nehmen. Möglich ist dies im Bereich der zweiten Säule mit Sammelstiftungen wie der Liberty Flex oder Pensflex. Sie offerieren im überobligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge, in der sogenannten Beletage, für die einzelnen Versicherten eine persönliche Strategiewahl. Zum Beispiel auch Direktanlagen in Aktien, ETF, Fonds oder in Hypotheken für selbst bewohnte Eigenheime.
Ebenfalls im Bereich der zweiten Säule kommen verschiedene Freizügigkeitsstiftungen infrage. Von solchen Stiftungen können insbesondere Personen profitieren, die eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen oder definitiv ins Ausland ziehen.
Auf Wertschriften setzen
Im Bereich der gebundenen Vorsorge 3a offerieren mehrere Vorsorgestiftungen – auch solche der Banken – neben der traditionellen, kaum mehr verzinsten Kontolösung verschiedene Varianten mit Wertschriften. Bei der Vorsorgestiftung Pens3a kann ein Vorsorgenehmer bis 10 Prozent seines 3a-Vorsorgeguthabens als Hypothekardarlehen direkt in sein Eigenheim investieren (Eigenhypothek). Bei anderen Instituten können 3a-Sparer ihre Guthaben in kostengünstige ETF (Indexfonds) investieren. Und die Anlagestrategie kann innerhalb der gesetzlichen Vorgaben individuell festlegt werden. Bei mehreren Banken und Versicherungen sind seit kurzem bei 3a-Wertschriftenfonds Aktienquoten von bis zu 100 Prozent möglich. Zum Beispiel bei der UBS, dem Fintech-Unternehmen Viac, der Swiss Life oder der Zurich. Maximale Aktienquoten sind allerdings nur bei einem langfristigen Anlagehorizont sinnvoll.
Zu beachten: Bei einer individuellen Strategiewahl gibt es weder eine Zins- noch eine Kapitalgarantie. Die mit der gewählten Anlagestrategie erzielte Performance wird dem einzelnen Versicherten eins zu eins gutgeschrieben. In guten wie in schlechten Anlagejahren. Der Versicherte kann dafür von einer Anlagestrategie profitieren, die exakt seiner Risikofähigkeit und -neigung entspricht. Unter dem Strich sind mit diesem Modell langfristig Mehrrenditen von 1 bis 2 Prozent pro Jahr realistisch, sind Finanzexperten überzeugt. Dies nicht zuletzt deshalb, weil auf diese Weise keine allgemeinen Wertschwankungsreserven gebildet werden müssen. Durch den Durchschnittspreiseffekt als Folge der regelmässigen Einzahlungen der Sparbeiträge erhöht sich die Performance zusätzlich. Diese Effekte können bei einem überobligatorischen PK-Kapital von einer halben Million Mehrerträge von 5000 bis 10 000 Franken bringen. Pro Jahr wohlverstanden. Kein kleiner Batzen.
AHV: Anmelden nicht vergessen
Auch bei der staatlichen AHV kann der Vorsorgenehmer die eine oder andere Stellschraube drehen, um seine Rente zu optimieren: zum Beispiel länger arbeiten, wenn immer möglich. Wichtig ist daneben vor allem das Vermeiden von unnötigen Einbussen. Solche können vor allem durch Beitragslücken wegen Auslandaufenthalten, Studium oder Scheidung entstehen. Sie wären relativ leicht und kostengünstig zu stopfen. Die nötigen Beiträge können aber nur während fünf Jahren rückwirkend nachbezahlt werden. Gemäss Ueli Kieser, Professor für Sozialversicherungsrecht an der Universität St. Gallen, sind fehlende Kenntnisse der AHV der Grund für Beitragslücken in der individuellen Rentenberechnung. Viele bemerkten die Lücken erst viel zu spät. Dann könnten diese nicht mehr geschlossen werden. Und noch ein Hinweis: Die AHV-Rente kommt nicht einfach so. Wer nach seiner Pensionierung eine solche Rente beziehen will, muss sich rechtzeitig bei der zuständigen AHV-Ausgleichskasse anmelden.