Im Laufe der turbulenten Geschichte der Eurozone waren die getroffenen Entscheidungen oft nicht zeitgerecht oder einheitlich. Kurz nach der globalen Finanzkrise erlebte die Eurozone mit der Staatsschuldenkrise ihre ganz eigene, selbst verschuldete Katastrophe.
Stewart Robertson ist Chef-Ökonom für das Vereinigte Königreich und Europa bei Aviva Investors.
Dies bedeutete eine wirklich existenzielle Bedrohung für das Einheitswährungsprojekt. Irgendwann schien es unvermeidlich, dass Griechenland die Währungszone verlassen würde, und das löste sofort die Debatte darüber aus, wie viele weitere Länder folgen würden.
Nicht zum ersten Mal überstand die Eurozone jedoch die tiefe Krise und nutzte sie als Gelegenheit für entscheidende Veränderungen. Mit der COVID-19-Pandemie scheint es sich ähnlich zu verhalten. Nach einer Periode der Uneinigkeit zu Beginn des Virusausbruchs fanden sich die Mitgliedsstaaten schnell wieder zusammen und präsentierten eine einheitliche Haltung.
Uns stehen sicherlich schwierige Zeiten bevor, insbesondere angesichts des jüngsten Anstiegs der Infektionsfälle, allerdings ist es wahrscheinlich, dass die Länder der Eurozone standhaft bleiben und sich in Schlüsselfragen stärker aufeinander abstimmen werden.
Nirgendwo wird dies deutlicher als bei der Konzeption und ersten Umsetzung des 750-Milliarden-Euro-Förderprogramms für Wiederaufbau und Nachhaltigkeit. Auch wenn es sich hier vielleicht nicht um das Ereignis handelt, das Europa auf den unvermeidlichen Weg zur vollständigen Vereinheitlichung der Euroschulden bringt, so ist es doch ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Die Schritte zur Schaffung eines Rahmenwerks
Das 750-Milliarden-Euro-Förderprogramm, das Darlehen und Zuschüsse umfasst, enthält auch Ansätze für Emissionen von gemeinsamen Schuldtiteln und umfangreiche Kapitaltransfers. Es gelten immer noch erhebliche Einschränkungen, und das Ganze ist nach wie vor gedacht als vorläufige und zeitlich begrenzte Reaktion auf die gegenwärtige Krise, um dort finanzielle Hilfe zu leisten, wo sie am dringendsten benötigt wird.
Die Eurozone (wie die EU insgesamt) ist weiterhin geprägt von ideologischen Gegensätzen, die möglicherweise die Ausschüttung von Geldmitteln verzögern oder modifizieren und die Umsetzung des Förderprogramms massgeblich beeinflussen werden.
Aber es ist trotzdem ein wichtiger Schritt zur Schaffung eines Rahmenwerks, das für einen gut funktionierenden einheitlichen Währungsraum zwingend notwendig ist. Die Schaffung des Förderfonds deutet auch darauf hin, dass die politische Unterstützung für mehr europäische Integration wächst, selbst in Bereichen, in denen es zuvor Widerstand gab.
Ein einheitliches europäisches Banksystem existiert nach wie vor erst zur Hälfte, aber zumindest ist es nun nicht mehr völlig abstrus, zu argumentieren, dass dieses letztendliche Ziel inzwischen zumindest klarer definiert ist. Mehr Einheitlichkeit wird europäischen Risiko-Anlagen, einschliesslich Währungsanlagen, zugutekommen und gewährleisten, dass Anleihe-Spreads nicht aus dem Ruder laufen.