Alles ganz vertrackt: «Manchmal muss man akzeptieren, dass etwas nicht gestimmt hat», wand sich Peter Wuffli, hinter Marcel Ospel der neue starke Mann der UBS, am Dienstag vor Weihnachten nach dem abrupten Abgang des bisherigen Konzernchefs Luqman Arnold. Andererseits, beeilte sich Wuffli zu betonen, werde der Wechsel «keine Änderung der Strategie nach sich ziehen».

Ja was denn nun? Immerhin die Grundaussage war klar: Die Luft in der Chefetage der grössten Schweizer Bank muss in den Wochen vor dem Fest zum Schneiden gewesen sein. Dass der Brite Arnold gerade acht Monate nach seiner Wahl durch den 45-jährigen Schweizer Wuffli ersetzt wurde – nur der Schlusspunkt einer Kabale um Macht und verletzte Eitelkeit. Ein Kampf, bei dem am Ende jeder Erklärungsversuch auf der Strecke blieb. «Wenn die Ursache für den Entscheid weder im Finanzbereich noch in der operativen Führung und auch nicht in der Unternehmenskontrolle liegt, muss man daraus schliessen, dass es Zwist gab, weil Herr Arnold Milchschokolade und Chairman Marcel Ospel dunkle Schokolade mag?», lästerte das «Wall Street Journal» über die «alberne Sprache» des Pressecommuniqués.

Tatsächlich ging es im Zürcher UBS-Hauptquartier um mehr als um Vorlieben beim Konfekt: Ausgangspunkt des Streits war eine Kompetenzüberschreitung von Marcel Ospel in Sachen Swissair. Auch zeitlich ist der Bruch genau datierbar: auf das Wochenende vom 29. und 30. September 2001, den entscheidenden Tagen vor dem Grounding der Swissair am 2. Oktober. «Den Grund für den Bruch zwischen Ospel und Arnold müssen Sie im Entscheidumfeld Swissair sehen», bestätigt ein UBS-Verwaltungsrat.

An jenem letzten Septemberwochenende leiteten die Swissair-Chefs zusammen mit dem Bundesrat und den Banken in einem dramatischen Sitzungsmarathon hinter verschlossenen Türen die Rettung der Schweizer Airline in die Wege. Die Banken waren gefordert.

Vertreten war die UBS an jenen Sitzungen durch Marcel Ospel. Dies ist ungewöhnlich, denn die Finanzierung einer Firma ist primär Aufgabe der Geschäftsführung und nicht des Verwaltungsrats. Zuständig für den Kunden Swissair war das Kapitalmarktteam von UBS Warburg. Die Konzernleitung ist umso mehr direkt betroffen, als sich die UBS bei dieser Rettung ein erhebliches finanzielles Risiko aufbürdete, für das am Ende der Konzernchef geradestehen muss. Wer das Organisationsreglement der UBS konsultiert, findet dort die Aussage, dass «die Ergebnisverantwortung beim Group Executive Board liegt». Präsident des Group Executive Board war zu jenem Zeitpunkt niemand anders als Luqman Arnold. Ospel habe sich «ungewöhnlich stark exponiert», fiel auch der «Neuen Zürcher Zeitung» auf.

Der Grund, warum Ospel persönlich in den Sattel stieg, war zunächst durch Sachzwänge bedingt. Die gesamte operative Führung der UBS weilte im Ausland: Am 30. September und 1. Oktober fand in New York eine Konzernleitungssitzung der UBS statt. Für Dienstag, 2. Oktober, stand – auch in New York – eine Verwaltungsratssitzung der UBS auf der Agenda.

Am 30. September, dem entscheidenden Tag der Swissair-Verhandlungen, musste Arnold in New York also die Konzernleitungssitzung eröffnen, während Ospel in der Schweiz war. Er sei im Gegensatz zu Arnold sofort verfügbar gewesen, so Ospel heute. Klar war aber auch, dass an jenem Wochenende Wirtschaftsgeschichte geschrieben würde. Und Ospel möglicherweise dem Reiz nicht widerstehen könnte, an dieser aktiv mitzuwirken. Umso mehr, als er wichtige Key-Player wie etwa den Crossair-Gründer Moritz Suter persönlich bestens kannte.

Klar ist auch: Arnold stand der Swissair-Rettungsaktion skeptisch gegenüber: «Die Geschäftsleitung hatte eher eine negative Haltung beim Entscheid Swissair», heisst es im UBS-Verwaltungsrat, «sie hat vor der Weiterentwickung und der Dimension gewarnt.» Doch – und genau darin liegt der Knackpunkt des Zwists zwischen Ospel und Arnold – ist laut einem Mitglied des Gremiums «diese Haltung der Geschäftsleitung nicht zum Tragen gekommen in der unheimlich kurzen Zeit, während deren die Entscheide fielen».

Der Ablauf der Ereignisse überstürzte sich in den Sitzungen. Angesichts der dramatischen Lage der Swissair sahen sich die Beteiligten zu einer möglichst schnellen Lösung gezwungen. Laut einem Insider soll Ospel in weiten Teilen allein entschieden haben, und dies auch noch, ohne Arnold zu konsultieren. Schlimmer noch: Keiner der drei relevanten Geschäftsleitungsmitglieder sollen von Ospel in den Entscheid mit einbezogen worden sein – weder Arnold als Vorsteher noch Markus Granziol als Spartenchef UBS Warburg, noch Stephan Haeringer als Chef von UBS Schweiz. Die Banken stellten 1,3 Milliarden Franken für Überbrückungskredite, Betriebskapital und Kapitalerhöhungen zur Verfügung. Die UBS zahlt davon 51 Prozent.

Die UBS hat eine klare, schriftlich festgelegte Kompetenzregelung, in der detailliert beschrieben ist, wofür der Konzernchef und wofür der VR-Präsident zuständig ist. Ospel hat diese Regeln der Corporate Governance verletzt. Der Verwaltungsrat hat Ospel nach dem Swissair-Entscheid denn auch in die Pflicht genommen und sich die Umstände schildern lassen. Die Frage war: Hat Ospel seinen Konzernchef Arnold und die Vertreter des Group Executive Board nicht anrufen wollen, oder hat er sie nicht anrufen können?

Für Arnold war die Antwort klar: Er soll sich aufs Gröbste übergangen, ja regelrecht desavouiert gefühlt haben. Zum einen, weil er in der entscheidenden Phase nicht kontaktiert wurde, zum andern, weil Ospel die Warnungen der Konzernleitung in Sachen Swissair in den Wind schlug. Ein Hinweis, dass Ospel in der Tat seine Kompetenzen überschritten hatte, ist, dass der Verwaltungsrat sein Vorgehen beim Swissair-Entscheid im Nachhinein formal als «Ausnahmefall» bewilligen und bestätigen musste – und dies auch tat.

Mit dieser Reinwaschung Ospels hat sich Arnold zwar abfinden können, aber der Groll sass tief. «Materiell war es für ihn damit erledigt», sagt ein UBS-Insider, «aber auf der persönlichen Ebene nicht.»

Tatsächlich war nach dem Vorpreschen Ospels an jenem Septemberwochenende das Vertrauen zwischen den beiden Topbankern nachhaltig zerstört. Immer wieder soll es zu Diskussionen gekommen sein, vor allem darüber, wer für was zuständig sei. So gesehen war es schon die offiziell bemühte «Summe von Meinungsverschiedenheiten», sagt ein Arnold-Vertrauter, «aber alle waren entlang der gleichen Linie: Kompetenzregelungen und Corporate Governance».

Der Zwist drohte schon früh auch nach aussen zu dringen. So konnte es Arnold nicht lassen, Mitte Oktober an einer Telefonkonferenz mit Finanzanalysten seine Vorbehalte zu signalisieren, ob es der UBS anstehe, eine Airline zu unterstützen. Nach dem wuchtigen Einstehen seines Präsidenten für die Swissair kein Zeichen von Einheit bei der UBS.

Dabei hatte das Tandem Ospel/Arnold lange Zeit gut funktioniert. Als Finanzchef hatte Arnold einen exzellenten Leistungsausweis. Mit der Übernahme von PaineWebber war dem Duo gar der grosse Coup geglückt. Zwei UBS-Verwaltungsräte weisen unabhängig voneinander darauf hin, dass Ospel selber Arnold im Herbst 2000 als Konzernchef eingebracht habe.

Dass der UBS-Verwaltungsrat gleichwohl so schnell handelte, macht Sinn. In der Tat ist es gefährlich, wenn sich die beiden obersten Chefs einer Firma derart feindlich geworden sind. Die Lösung des Problems, das war dem VR klar, konnte nur noch darin bestehen, eine der beiden Personen auszuwechseln.

Auch der Rauswurf von Ospel stand zur Disposition: «Wir haben über alle Möglichkeiten offen diskutiert», heisst es im UBS-Verwaltungsrat. Das Gremium scheint zum Schluss gekommen zu sein, dass Ospel für die Bank wertvoller sei als Arnold – und servierte den Briten ab. Der Entscheid war einstimmig. Die Konzernleitung wurde ebenfalls konsultiert. Niemand opponierte gegen den Entscheid: «Die Konzernleitung steht voll hinter der Änderung und auch hinter der Nominierung von Peter Wuffli», sagt UBS-Schweiz-Chef Stephan Haeringer. Auch das Topmanagement litt unter dem Clash zwischen ihren beiden Chefs. Dass Arnold und nicht Ospel die Bank verlassen müsste, wenn es hart auf hart kommen sollte, war jedoch jedem klar: Und so scharte sich die Konzernleitung hinter ihren mächtigen Präsidenten.

Im Gegensatz zum Kompetenzgerangel um die Swissair waren die anderen Gründe, welche die Medien für den Wechsel in der UBS anführten, nebensächlich oder halten einer näheren Überprüfung nicht stand.

Die Spekulationen waren freilich allerorten ins Kraut geschossen. Zu aberwitzig schien die Vorstellung, dass da zwei weltgewandte Gentlemen in das involviert sein könnten, was Angelsachsen zwar salopp, aber im Wirtschaftsleben nicht unüblich als «pissing match» bezeichnen. Mangels besserer Erklärungsmuster fiel der Verdacht schnell auf die Amerikaner im Konzern.

Eine Dolchstosslegende machte die Runde: Die um Macht und Einfluss strebenden New-Yorker Investment-Banker hätten den Bremser Arnold weggeputscht und selber das Zepter übernommen. Gehörten Joe Grano (53) von UBS PaineWebber und John Costas (44) von UBS Warburg nicht zu den grossen Gewinnern des Arnold-Sturzes? Katapultierte das Weihnachtsgemetzel die beiden Wall-Street-Veteranen Joe & John nicht endgültig an die Schalthebel der Macht

? Für Anhänger dieser Theorie konnte es kaum Zufall sein, dass Granos Herrschaftsgebiet zeitgleich mit Arnolds Rauswurf mit einer eigenen Unternehmenssparte aufgewertet wurde. Als Chef des neu installierten Wealth Management Committee, das in Zusammenarbeit mit UBS Private Banking in der Schweiz jetzt eine globale Vermögensverwaltungs-Plattform erstellen soll, zieht Grano ab sofort die Fäden im wichtigsten strategischen Expansionsbereich des Konzerns. Und es schien mehr als Zufall zu sein, dass John Costas ausgerechnet am Tag des Arnold-Abgangs als neuer Chef von UBS Warburg Einsitz in die Konzernleitung nehmen durfte.

Als «absurd» bezeichnete Grano in New York gegenüber BILANZ diese Spekulationen. Und John Costas betont: «Meiner Ansicht nach hat der Abgang von Arnold keinerlei Einfluss auf die Gesamtstrategie der UBS Group. Mit Sicherheit hat er keinen Einfluss auf die Strategie von UBS Warburg.»

Tatsächlich scheint die Vorstellung, dass ausgerechnet Grano gegen Arnold opponierte, unwahrscheinlich. Arnold war einer der Architekten der PaineWebber-Übernahme, die für Grano zum «idealen Zeitpunkt» erfolgte. Das stechendste Gegenargument aber – die Entscheidung, dass Grano jetzt die für die Bank eminent wichtige europäische Ausweitung des lokalen Private-Banking-Geschäfts vorantreiben soll – fiel noch durch Arnold. «Diese Strategie war mit Arnold völlig konform», sagt Grano. Mit anderen Worten: Der ungezügelte Expansionsdrang von UBS PaineWebber widerspricht dem in der Presse eilfertig kolportierten Bild von Arnold als Bremser.

Der neue CEO von UBS Warburg, John Costas, dessen Vorgänger Markus Granziol sich künftig als Chairman auf Strategien und Kundenbeziehungen konzentrieren soll, kann über die Spekulationen ebenfalls nur schmunzeln: «Sehen Sie, die ‹New York Times› vermutete, wir würden nach dem Managementwechsel jetzt einen wesentlich aggressiveren Gang im Investment-Banking ein- legen. Die meisten europäischen Kommentatoren schrieben dagegen, UBS Warburg werde jetzt massiv in ihren Geschäftsaktivitäten zurückgestutzt. Ich kann ihnen versichern: Beide Interpretationen treffen nicht zu.»

Die Investmentsparte sei gut am Markt positioniert, das Ziel, zu einer der fünf führenden Investmentbanken der Welt zu gehören, habe man weiter fest im Blick. «Wir haben einen sehr gut ausgegorenen Businessplan, der sich über die letzten drei bis vier Jahre hinweg kontinuierlich entwickelt hat. An der Umsetzung dieses Plans ändert der Wechsel an der Spitze nichts.» Die Vorstellung, das Investment-Banking werde im Hause mehr und mehr zu einem Nebengeschäft, sei lächerlich.

Viele Mutmassungen gingen in eine andere Richtung. Reichlich Resonanz fand die Episode von Ende Oktober, als Arnold sowohl den Verwaltungsrat wie auch seine New-Yorker Investment-Banker verärgert habe, indem er zunächst dem UBS-Kunden Echostar Communication bei der Übernahme der General-Motors-Satellitenfernsehsparte Hughes Electronics unterstützte. Dann aber, als der Deal heiss wurde, habe er einen nötigen Überbrückungskredit in Milliardenhöhe verweigert – angeblich gegen den Willen von Marcel Ospel. In einer peinlichen Wendung übergab Echostar am Schluss die Finanzierung an zwei Erzrivalen von UBS, die Credit Suisse First Boston und die Deutsche Bank. Bekam ein übervorsichtiger Arnold am Schluss also doch kalte Füsse?

Alles Quatsch, befindet Costas: «Wir haben uns den Echostar-Kredit sehr genau angesehen, grundsätzlich sind solche Transactional Lendings ja ein sehr profitables Business. Es kommt allerdings vor, dass man bestimmte Deals analysiert und zu dem Entschluss kommt, dass die Risk-Reward-Ratio nicht attraktiv ist. Das war hier der Fall.» UBS Warburg habe ein Finanzierungskonzept vorgelegt, das dem konzernüblichen Risikoprofil entsprach. «Wir waren sehr nahe dran, den Deal zu übernehmen. Am Ende stellte sich aber heraus, dass zwei unserer Konkurrenten noch aggressiver waren. Das passiert von Mal zu Mal.» Die These, dass Arnold über den Echostar-Deal gestolpert sei, hält Costas für «eine geradezu alberne Annahme».

Dafür, dass die Spartenchefs die Absetzung von Arnold im Sinne eines Putsches gezielt forciert hätten, gibt es keine Anzeichen. Der Streit eskalierte wegen des Aufeinanderprallens zweier extrem willensstarker Managerpersönlichkeiten: Ospel und Arnold.

Dass dieses Aufeinanderprallen von der Swissair-Krise ausgelöst wurde, ist wenig verwunderlich. Der grösste Firmenzusammenbruch in der Geschichte der Schweizer Wirtschaft hat in- und extern Karrieren zerstört und einstmals hoch angesehene Manager mit in den Strudel gerissen. Jetzt hat die Swissair-Krise mit dem Rausschmiss von Luqman Arnold indirekt ein weiteres Opfer gefordert.

Es könnte noch nicht das letzte gewesen sein. Gerade weil sich Ospel persönlich in Verletzung der Kompetenzregelung und gegen die Skepsis seiner Geschäftsleitung für die Swissair stark gemacht hat, steht er jetzt auch besonders ausgeprägt persönlich in der Verantwortung. Sollte die Sanierung der Swissair nicht klappen und die UBS als Folge viel Geld verlieren, könnte sich der Verwaltungsrat möglicherweise noch einmal an die warnenden Worte des Briten erinnern.
Partner-Inhalte