Aktionärinnen und Aktionäre der Credit Suisse haben am Mittwoch eine zweistufige Kapitalerhöhung abgenickt. Einerseits stimmten sie einer Privatplatzierung an die Saudi National Bank (SNB) und weitere qualifizierte Investoren zu. Die zweite Kapitalerhöhung richtet sich andererseits an bestehende Aktionäre und somit auch an die «breite Masse» von Privatanlegerinnen und -anlegern. Mit den beiden Aufstockungen sollen der Credit Suisse rund 4 Milliarden Franken an frischem Kapital zufliessen.
Wie läuft das genau ab für bestehende Aktionäre? Sie erhalten für den Erwerb neuer CS-Aktien so genannte Bezugsrechte, die ab Montag, 28. November 2022, zugeteilt und gehandelt werden können. Bei der Credit Suisse berechtigen sieben Bezugsrechte zum Kauf von zwei neuen Aktien, wie die Bank am Donnerstagabend mitteilte. Der Preis der neuen Aktien beträgt wie angekündigt 2,52 Franken pro Stück, was trotz des erneuten Falls der CS-Aktie in dieser Woche noch immer deutlich unter dem aktuellen Kurs liegt.
Es liegt also ein deutlicher Discount vor und soll die Aktionäre dazu animieren, bei der Kapitalerhöhung mitzumachen. Der Bezugsrechtehandel läuft bis 6. Dezember, die Einlösefrist bis 8. Dezember. Erstmals an der Schweizer Börse SIX gehandelt werden sollen die neuen Titel am 9. Dezember.
Drei Optionen
Es gibt für Aktionäre bei einer Kapitalerhöhung grundsätzlich drei häufig angewandte Optionen, wie man mit den Bezugsrechten «umgehen» soll: Man kann die neuen Aktien vollständig zu dem festgelegten Preis beziehen, man kann auf den Bezug verzichten und sämtliche Bezugsrechte verkaufen, denn diese werden ebenfalls an der Börse gehandelt. Man kann auch nur einen Teil der neuen Aktien erwerben.
Aufgrund des meist hohen Abschlags zum eigentlichen Aktienkurs ist der vollständige Bezug aller Aktienrechte der Normalfall für Anleger mit langfristiger Perspektive.
Bestehende Aktionäre erhalten die Bezugsrechte von ihrer Bank automatisch in ihr Depot zugeteilt. Oft verpassen interessierte Anleger aber solche Kapitalerhöhungen, weil sie sich zu wenig über das aktuelle Börsen- und Firmengeschehen informieren oder nicht regelmässig ihr Depot checken. Die Bezugsrechte werden dann am Ende der Bezugsfrist von der Hausbank automatisch «bestens» verkauft, der Erlös wird dem bestehenden Aktionär gutgeschrieben. Der Betrag liegt in aller Regel aber deutlich unter dem aktuellen Aktienkurs.
Das ist die Theorie. Stellt sich nun die Frage, ob bestehende Aktionärinnen und Aktionäre der Credit Suisse die Kapitalerhöhung tatsächlich mitmachen sollen. Bei Kapitalaufstockungen gilt grundsätzlich: Bestehende Aktionäre sollten neue Aktien kaufen, falls das Unternehmen solide aufgestellt und das frische Kapital zum Beispiel für die Expansion verwendet wird. Bei unsicher aufgestellten Firmen mit entsprechender Historie muss man sich das zweimal überlegen. Oft stehen bei solchen Unternehmen weitere Kapitalmassnahmen ins Haus.
Was gegen eine Beteiligung spricht
Die Credit Suisse gehört eindeutig in die zweite Gruppe, und die alte Investorenfrage vom guten Geld, dem man dem schlechten hinterherwerfen soll, stellt sich hier eindeutig. Die CS-Kapitalerhöhung ist eine riskante Wette auf den Turnaround der zweitgrössten Schweizer Bank. Denn ob dieser gelingt, steht seit den jüngsten Entwicklungen der Bank mehr denn je in den Sternen.
Am Mittwochmorgen hatte die Bank für das vierte Quartal einen Vorsteuerverlust von bis zu 1,5 Milliarden Franken angekündigt, womit ihr für das Gesamtjahr 2022 ein weiterer, gigantischer Verlust vor Steuern droht. Die CS hatte bereits das von den Skandalen um den Hedgefonds Archegos und die Greensill-Fonds geprägte Jahr 2021 mit einem hohen Verlust abgeschlossen.
Wirklich erschreckend ist die Entwicklung beim Kerngeschäft, dem Wealth Management. Die Bank kämpft dort mit hohen Geldabflüssen ihrer Kunden: Von Anfang Oktober bis zum 11. November flossen gruppenweit netto rund 6 Prozent der verwalteten Vermögen ab, im eigentlichen Vermögensverwaltungsgeschäft waren es sage und schreibe 10 Prozent.
Wohin fliessen die Milliarden, welche die Kundinnen und Kunden von ihren Konten bei der Credit Suisse holen? Klar: Ganz genau wissen das nur die CS und die Banken, welche das Geld empfangen. Aber es gibt durchaus Hinweise, wonach die UBS, Pictet und die Kantonalbanken profitieren. Und es fliesst auch Geld ins Ausland ab – zum Nachteil des gesamten Finanzplatzes.
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Daneben sprechen auch ethische Gründe gegen ein Mitziehen bei der CS-Kapitalerhöhung. Die Saudi National Bank (SNB) – sie steht unter der Kontrolle des umstrittenen saudischen Königshauses – wird nach Abschluss der Kapitalmassnahmen rund 10 Prozent an der Credit Suisse halten. Die CS hat mit der saudischen Investmentgesellschaft Olayan und der Qatar Investment Authority (QIA) bereits zwei weitere gewichtige Aktionäre aus dem Nahen Osten.
Auch wer ein Zeichen setzen will gegen die strategischen Verfehlungen und Skandale der Ära Rohner, Thiam und Gottstein, hat gute Gründe, der Kapitalerhöhung fernzubleiben.
Was spricht für ein Mitmachen bei der Kapitalerhöhung?
Daneben gibt es Gründe, die für ein Mitziehen bei der Kapitalspritze sprechen: Der angebotene Preis für die neuen Aktien ist per se attraktiv. Was aber nicht heisst, dass der aktuelle Kurs nicht schon bald auf dieses Niveau herunterfallen könnte. Und auch wenn der Turnaround gelingen sollte: Anleger sollten auch nicht träumen, dass der Aktienkurs wieder an Rekordwerte über 90 Franken gelangt wie im Jahr 2007.
Zum Vergleich: Auch die Aktie der mittlerweile wieder soliden UBS, die vor der Finanzkrise über 80 Franken kostete, pendelte in den letzten 15 Jahren lediglich zwischen 10 und 20 Franken.
Generell macht sich unter Anlegern nach all den Jahren der bitteren Enttäuschungen und teils massiven Buchverlusten bei den Credit-Suisse-Investments Fatalismus breit. «So wie die Kapitalerhöhung strukturiert ist, mit rund 2 Milliarden für qualifizierte neue Investoren und 2 Milliarden als Bezugsrechte für bisherige Aktionäre, kommt man als Privatanleger fast nicht darum herum, dem schlechten Geld gutes hinterher zu werfen», sagt ein Investor. Ansonsten werde man als Aktionär «verwässert».
Oder anders gesagt: Auf mögliche weitere Verluste bei CS-Investments kommts auch nicht mehr drauf an.