Es war Ende der 1990er Jahre, ich erinnere mich genau. Meine damaligen Vermieter, ein älteres Ehepaar, hatten Aktienwarrants gekauft – ein Instrument, über dessen Funktionieren und insbesondere dessen Risiko sie kaum Bescheid wussten.
Sind wir heute in einer ähnlichen Situation? Einfach mit dem Unterschied, dass es statt um Warrants um Bitcoin et cetera geht? Ähnliches wie beim Bitcoin sehen wir auch im Bereich der Immobilien, wenn wir hören, dass jede sechste Eigentumswohnung «buy to let», also als Renditeobjekt, erworben wird.
Es gibt kein Patentrezept gegen Negativzinsen
Zum Thema Assetinflation, also die sukzessive Aufblähung von Vermögenspreisen, haben sich die Zeitungsspalten und Online-Foren längst gefüllt – diese Entwicklung, die leider die Ungleichheitsschere weiter befeuert, ist längst eine Tatsache. Doch was soll man tun angesichts der Situation, dass Negativzinsen mittlerweile nicht nur bei Institutionen, sondern auch beim Privatanleger angekommen sind?
Ein Patentrezept gibt es natürlich nicht, aber immerhin gilt ein wichtiges Gebot, das auch sonst als Lebensmaxime ganz tauglich ist: Differenzierung. Will heissen: Aktie ist nicht gleich Aktie, Immobilie ist nicht gleich Immobilie.
Werner Rutsch ist Mitglied der Geschäftsleitung von Axa IM Schweiz
Wer also einen Ausweg sucht, um überschüssige Liquidität zu investieren – was notabene nicht parkieren heisst –, sollte sich deshalb bemühen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Das heisst konkret: Auf dem aktuellen Niveau in die berühmten FANG-Titel oder gar in Tesla einzusteigen, bietet zwar Chancen, aber ist zweifellos riskant. Erfahrungsgemäss kann dieses Segment in einer Korrektur locker 20 bis 40 Prozent korrigieren.
Auf dem aktuellen Niveau Roche oder Nestlé zu kaufen, ist einiges risikoärmer, beinhaltet aber ebenso Chancen: weil diese Gesellschaften viel mehr von Basisfaktoren wie Bevölkerungs- und Produktivitätswachstum getrieben sind und zudem global breit diversifiziert. Dass sie ihre Dividendenzahlungen aussetzen oder gar kürzen könnten, ist eher unwahrscheinlich.
Lässt es sich noch ruhiger schlafen, wenn man im neu erstellten Mehrfamilienhaus im Nachbardorf eine Wohnung erwirbt? Bitte einfach das Leerstands- und Zinsrisiko miteinberechnen! Um eine vernünftige Rendite zu erzielen, ist ja etwas Fremdkapitaleinsatz erforderlich.
«Gönnen Sie sich doch einen Sachwert, etwa eine Vintage-Uhr.»
Oder sollte man sich besser mit einem kleineren Engagement via Crowd-Finanzierung im Immobilienbereich positionieren? In einem zwar bestechenden Geschäftsmodell, das bisher allerdings noch keine Zyklen durchlebt hat, sondern sich bisher bloss in einem lang andauernden Schönwetterumfeld behauptet? Bei Zweifeln tut man besser daran, einen etablierten Immobilienfonds zu kaufen oder – falls vorhanden – die Hypothek zu amortisieren.
Differenzieren und diversifizieren hilft immer
Und pro memoria: Nebst der erwähnten Differenzierung sei an ein zweites, im Prinzip ebenso banales Gebot erinnert: Diversifikation. Bitte beherzigen Sie den Rat, nicht alle Eier in einen Korb zu legen.
Und ist der geneigte Leser oder die geneigte Leserin noch immer unentschlossen, dann habe ich noch einen Rat: Machen Sie sich doch eine Freude mit einem Realwert, aber vorzugsweise vintage: zum Beispiel mit einer Sammleruhr, einem schönen Bild oder einer Skulptur, vielleicht gar mit einem politisch unkorrekten Oldtimer. Sie werden jeden Tag Freude daran haben. Und könnten die Teile eines Tages aber auch via Ricardo oder Ebay mit höchst überschaubarem Verlust wieder verkaufen.