«Der einzige Luxus, den ich mir leiste, ist Platz, je mehr, umso besser», sagt Michael Stemmle. Der 29-jährige Medienberater bewohnt zusammen mit dem Rechtsanwalt Marc R. Richter eine Loft im einstigen Seifenturm der ehemaligen Waschmittelfabrik Steinfels. Für die 190 Quadratmeter grosse, von drei Seiten lichtdurchflutete Bleibe im sechsten Stock, zu der noch eine an die 200 Quadratmeter messende, teils überdachte Terrasse gehört, müssen die beiden Junggesellen Monat für Monat 4700 Franken berappen. Viel Geld, vor allem angesichts der Tatsache, dass der Blick direkt auf eine an das Steinfels-Areal angrenzende Kehrichtverbrennungsanlage fällt, hinter der zudem ein viel befahrenes Bahntrassee verläuft – nicht unbedingt jedermanns Sache.
«Die Ästhetik von heute ist der Kontrast», meint Stemmle. «Mitten in einem teils kühlen Quartier sitzt man hier wie in einem Elfenbeinturm», doppelt Richter nach. Er findet die Industrielandschaft beim Escher-Wyss-Platz «superschön». Und für Stemmle ist dieses Areal einer der urbansten Flecken von Zürich, gar der ganzen Schweiz. «Hier hockt man mitten im Leben, mit all den Beizen, den Kleinunternehmen im und um den Technopark, den neuen Hotels und jetzt noch dem Theaterhaus in der Schiffbauhalle.»
«Im ganzen Gebiet ist lange Zeit nichts passiert, doch jetzt explodierts», konstatiert auch Peter Kaufmann vom Zürcher Architektur- und Planungsbüro Kaufmann, Van der Meer + Partner, unter dessen Ägide nicht nur die Umnutzung der Seifenfabrik Steinfels erfolgte, sondern zuletzt auch die Erstellung von 15 Lofts und 5 Maisonettewohnungen in einer ehemaligen Elektrofabrik an der Ampèrestrasse (siehe Foto auf Seite 111), ebenfalls in unmittelbarer Nähe des Escher-Wyss-Platzes.
Das Wohnen in alten Fabrikgebäuden hat seinen Reiz. Denn die in aller Regel hohen und hellen Räume ermöglichen architektonisch ungewöhnliche Lösungen. Die Bewohner können den Raum weit gehend selbst gestalten, die Wohnung wird ihnen nicht durch eingezogene Wände verplant. Die Anbieter von Lofts können die Nachfrage allerdings kaum befriedigen. So wurden auf dem Sulzer-Areal in Winterthur gerade 21 Loft-Eigentumswohnungen erstellt. «Bereits alle verkauft», muss Enrique Drescher von der Zürcher Projektfirma Kamata potenziellen Interessenten mitteilen (siehe Foto oben). Früher wurden in dem monumentalen Eisenskelettbau mit ockerfarbenen Sichtbacksteinen aus dem Jahr 1912 Generatoren gelagert. Zuvor hatte Kamata in der alten Feller-Fabrik oberhalb von Horgen Edelloftseingerichtet (siehe BILANZ-Sonderheft «Bauen & Wohnen» 6/99). Fast alle vermietet sind auch die gerade fertig gestellten Lofts in der alten Waschanstalt Zürich, direkt am Seeufer im Stadtteil Wollishofen (siehe Fotos auf Seite 109).
Insbesondere in Städten und ihren Agglomerationen finden die neuen Wohnfabriken reissenden Absatz. Zumal dann, wenn sie noch über eine attraktive Lage verfügen. Das sind dann aber auch schnell einmal Millionenobjekte, weil die Käufer einen den Neubauten entsprechenden Wohnkomfort wünschen. Von der ursprünglichen Fabrik bleibt oft nur noch die Fassade übrig. Allenfalls vermitteln im Inneren neben den hohen Räumen noch ein paar alte Stahlträger den Eindruck von historischem Industriedesign.
Dagegen sucht der Zürcher Architekt Hannes Strebel, Initiant und Projektleiter der Tamerlan-Lofts – ein Wortspiel – im nordwestlich von Biel gelegenen Uhrmacherstädtchen Tramelan immer noch Käufer (siehe Tabelle «Zum Verkauf stehende Wohnlofts und Preise von vergleichbarem Wohneigentum» unten). Eine sanfte Umnutzung war bei der Uhrenfabrik aus der Jahrhundertwende angesagt. Gleichwohl mussten die Bereiche Fenster, Gebäude-Isolation, Heizung, Sanitär, Elektrizitätsverteilung und Bodenbeläge komplett erneuert werden. Anfang 1990 waren die 13 Wohneinheiten fertig gestellt.
Gut die Hälfte der Lofts wurde zügig verkauft. Doch inzwischen hatte die Immobilienkrise eingesetzt. In abgelegeneren Regionen brachen während der Neunzigerjahre die Preise für Wohneigentum um bis zu 30 Prozent ein. Strebel konnte es sich zunächst finanziell nicht erlauben, die Konditionen nach unten anzupassen. «Jetzt haben wir aber für die Gegend marktübliche Preise», so der Architekt, «weil mir die Bank massiv entgegengekommen ist.»
Eigentümerin einer dieser Tamerlan-Lofts ist Iris Roth. «Für mich bildet das die einzig richtige Wohnform. Sie lässt Freiraum, zwingt zur Klarheit», meint die Mediensprecherin der Zurich Financial Services. «Als Städterin habe ich mich da irrsinnig wohl gefühlt.» Die Vergangenheitsform deshalb, weil sie ihre Loft verkaufen will und hofft, ein adäquates Objekt im Raum Zürich zu finden. Immerhin dauert die Autofahrt von der Finanzmetropole an der Limmat in die Abgeschiedenheit des Berner Jura eindreiviertel Stunden – falls man zügig durchkommt.
Die Geschichte der unter Denkmalschutz stehenden Papiermühle Rapperswil reicht zurück zum Ende des 17. Jahrhunderts. Hier wollte die Firma Braendlin klassische, einräumige Lofts erstellen. In grosszügigen, 145 bis 200 Quadratmeter messenden Räumen sollte jeweils nur eine abgedeckte Nasszellenbox mit Küche, zwei Bädern und einer Gästetoilette stehen. Doch spielte der Markt, das heisst die potenziellen Käufer, nicht mit. «Es ist nicht zu glauben», wundert sich Ruth Braendlin, «die Leute wollen zwar Lofts, aber gleichzeitig Zimmer.» Also wurde neu geplant, und die Preise wurden entsprechend angepasst.
Doch lässt es sich in Lofts auch vergleichsweise preisgünstig wohnen. Die Immobilien- und Bauberatungsfirma André Roth in Baden realisiert Umnutzungen auf genossenschaftlicher Basis, so jüngst mit dem Umbau der alten Fabrik Alpinit in Sarmenstorf AG. So-eben wurde für ein weiteres Projekt in Wohlen AG die Baubewilligung eingereicht. Die Genossenschaft dafür befindet in Gründung.
Das Prozedere geht wie folgt: Der künftige Mieter muss zunächst Anteilscheinkapital zeichnen. Beim Objekt in Sarmenstorf waren dies 21 Monatsmieten. Der monatliche Mietpreis für eine 100-Quadratmeter-Loft beträgt gut 1400 Franken, das ergibt ein Anteilscheinkapital von knapp 30 000 Franken, das zu vier Prozent verzinst wird. Dafür erhält der Genossenschafter Wohnraum im Zustand «Rohbau, fassenfertig». Das besagt, die Gebäudehülle ist wärmetechnisch saniert und die Heizung betriebsbereit, die Sanitäranschlüsse sind vorhanden, und in jedem Objekt führen die Elektroinstallationen bis zu einem Hauptverteiler. Die Unterverteilung sowie die Malerarbeiten und das Verlegen eines Bodens sind Sache des Mieters. Wie auch der Einbau von Küche, Bad oder Toiletten. «Da muss man mit Investitionen von mindestens drei Jahreszinsen rechnen», gibt André Roth eine Richtschnur. Macht in diesem Fall rund 50 000 Franken. «Doch in Sarmenstorf investierten Genossenschafter auch 80 000 bis 100 000 Franken», so Roth. Immerhin betrage die Grösse dieser Ateliers 120 bis 150 Quadratmeter.
«Unsere Lofts haben im Minimum 250 Quadratmeter», sagt Michael Meier von der Unternehmens- und Wirtschaftsberatung Fritschi, Meier + Co, die mit Büros in Wald ZH und in der Stadt Zürich vertreten ist. Die Firma ist gerade auf der Suche nach einer für die Umnutzung geeigneten Fabrik. Meier hat zuletzt die alte Weberei Neuthal etwas ausserhalb von Wald im Zürcher Oberland in Wohnlofts umgewandelt. Für eine 250-Quadratmeter-Loft kommt die Monatsmiete auf 1050 bis 1250 Franken zu stehen. Dafür bekommen die Mieter allerdings ein Objekt nur im Rohbaustandard, lediglich mit Grundanschlüssen für Wasser und Strom. Nach Meiers Erfahrungen sind dann noch Investitionen von 30 000 bis 100 000 Franken erforderlich. Im Gegenzug erhält der Mieter einen auf Dritte übertragbaren Zehnjahresvertrag. – Werden wie bei diesen Objekten an umgenutzte Gewerberäume tiefere Anforderungen gestellt als an eine neuwertige Wohnung oder ein entprechendes Haus, empfiehlt es sich ganz besonders, vorgängig wärmetechnische und akustische Aspekte abzuklären.
Wer eine Loft gehobenen Standards erwirbt, muss mit Preisen rechnen, die vielfach an die von Einfamilienhäusern heranreichen (siehe Tabelle «Zum Verkauf stehende Wohnlofts und Preise von vergleichbarem Wohneigentum» auf Seite 110). Vergleichbares Stockwerkeigentum ist zwar oft günstiger, aber es fehlt meist die Grosszügigkeit des Raumes.
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