Schaffe, schaffe, Häusle baue – so lautete das Motto beim Schweizer Fernsehen DRS. Eine Woche lang richteten die Redaktoren von «Schweiz aktuell» die Kamera auf die Familie Stämpfli, als diese ihr ökologisches Systemhaus in Burgdorf zu bauen begann. Ob es um den Hypozinspoker ging, um das Berechnen des Budgets oder um die Wahl der Badezimmer-Plättli, rund um die Uhr waren die Zuschauer live dabei.
Das war im Sommer vor anderthalb Jahren, und es war der Beginn eines Trends. Denn seither wird der TV-Konsument mit so genannten Immobilien-Doku-Soaps, Bau-Erlebniswochen und Handwerker-Selbsthilfe-Formaten traktiert, vom täglichen «WohntraumTV» auf Tele Züri über «Wohnen nach Wunsch» bei Vox, «Vorsicht Baustelle» und «Mein Haus – dein Haus» bei RTL 2 bis zu «SOS Style & Home» auf Pro Sieben.
Die Medienmacher befriedigen damit ein wachsendes Bedürfnis: In der Schweiz wird gekauft, gebaut und renoviert, was das Zeug hält. Eine Studie der ETH Lausanne belegt, dass rund 82 Prozent der Schweizer den Wunsch nach einem Eigenheim verspüren und diesen neuerdings auch immer öfter in die Tat umsetzen. Wuchs die Immobilieneigentumsquote in den achtziger Jahren um lediglich 1,2 Prozent, in den neunziger Jahren dann schon um 3,3 Prozent, konnte in den vergangenen fünf Jahren gemäss Schätzungen von Experten eine Verdoppelung beobachtet werden. Die Eigentumsquote wird nun bei rund 40 Prozent vermutet. Zwar ist diese noch immer weit entfernt von der Eigentumsquote von 90 Prozent in Slowenien oder von 70 Prozent in Grossbritannien und Belgien, doch zeigt sich die Entwicklungsrichtung.
Zweiter Trend: Schweizer wechseln immer häufiger ihre Immobilie. Wie etwa das Ehepaar Bieri aus Basel. Gemeinsam zog es vor vier Jahren in eine solide Altbauwohnung am Rheinknie, um nun im Januar in ein schmuckes Reiheneinfamilienhaus an der französischen Grenze in Allschwil zu zügeln. «Der Nachwuchs soll im Grünen aufwachsen und nicht hinter grauen Grossstadtmauern», sagt Cornelia Bieri. Gleichzeitig sind sich die 32-Jährige und ihr Mann sicher, dass dies nicht der letzte Umzug in ihrem Leben war: «Wenn die Kinder einmal flügge geworden sind, könnten wir uns schon vorstellen, wieder in die Stadt zu ziehen», sagt die Krankenschwester. «Das Haus mit Garten haben wir hauptsächlich wegen der Kinder gekauft.»
Generell gilt: Der Lebenslauf eines typischen Eigentümers teilt sich heute in vier Phasen. Der junge Single lebt im Apartment, um später mit dem Partner in eine grössere Mietwohnung zu ziehen. Kommen Kinder zur Welt, wird die Wohnung gegen ein Haus im Grünen eingetauscht. Sind die Kinder ausgeflogen, geht es oft in die City zurück, um näher an der städtischen Infrastruktur mit Krankenhäusern, Ärzten, Kinos und Restaurants zu sein.
«Die Schweizer sind zu Wohnoptimierern geworden», sagt Martin Neff, Leiter Immobilien-Research der Credit Suisse über diese Entwicklung. Mit steigendem Einkommen im Laufe der Jahre wird sukzessive die Wohnsituation verbessert. So zügelt heute jeder Schweizer durchschnittlich 4,5 Mal in seinem Leben, die Jüngeren häufiger. Eines haben alle Altersgruppen gemeinsam: Sie bleiben gerne in der Nähe des letzten Wohnorts. So zieht die Hälfte der 15- bis 34-Jährigen nicht weiter als zehn Autominuten vom bisherigen Wohnort weg. «Immobilien-Finetuning» nennt dies Neff. «Man zügelt in eine hellere Wohnung mit einem grösseren Balkon oder einem Garten in den Nachbarort, aber nicht in die nächstgrössere Stadt, da pendeln die Schweizer lieber wie eh und je.»
Interessanterweise fängt der ganze Zügelstress heutzutage später an als auch schon. So wohnen gemäss der letzten Volks- und Wohnungszählung junge Erwachsene wieder länger zu Hause als noch in den neunziger Jahren. «Das Hotel Mama ist wieder angesagt», witzelt Christoph Enzler vom Bundesamt für Wohnungswesen. «Die Wohnungsknappheit in den Ballungszentren, eine verbesserte Nahverkehrsinfrastruktur und längere Studiumszeiten sind dafür massgeblich.» Ist die Lehre oder das Studium dann beendet, wird nicht mehr gekleckert. Die begehrtesten Objekte der Wohnbegierde sind heute gehobene Dreieinhalb- bis Fünfeinhalb-Zimmer-Wohnungen.
Dabei gilt jedoch: Wer sich auf möglichst viel Quadratmetern ausbreiten will, muss raus aus der Stadt. Entsprechend ist der Wohnraum, also die Wohnfläche pro Haushalt, in den Halbkantonen Appenzell Innerrhoden (mit 117 Quadratmetern) und Ausserrhoden (115 Quadratmeter) mit Abstand am grössten. Auch in den Kantonen Aargau, Glarus und Schwyz lebt es sich recht feudal, mit durchschnittlich 110 bis 115 Quadratmetern pro Haushalt. Schon fast zusammenrücken im Vergleich zu anderen Kantonen muss man dagegen in den Kantonen Basel-Stadt, Zürich und Genf. Dort verfügen die Haushalte über 80 bis 94 Quadratmeter.
Das Wohnen in Ballungszentren hat seinen Preis: Während eine Fünfeinhalb-Zimmer-Wohnung in Schaffhausen für einen Spottpreis von 1370 Franken monatlich zu haben ist, muss man in Bern bereits 1900 Franken hinblättern, in Basel 2095 und in Zürich gar 2600 Franken (siehe Nebenartikel «Vergleich: Die Mietzinse in den grössten Gemeinden der Schweiz»).
Besonders deutlich macht die Angespanntheit des Mietwohnungsmarktes die so genannte Leerwohnungskennzahl. Diese lag im Jahr 2004 mit 0,91 Prozent wieder auf dem tiefen Niveau des Jahres 1993. Seit dem Höchststand von 1998 ist in sämtlichen Wohnungsgrössen ein Rückgang der Leerstände zu verzeichnen. Alle grösseren Städte ausser der Stadt Basel weisen ausgesprochen tiefe Leerstandsquoten auf.
Kein Wunder also, dass selbst überzeugte Mieter schon mal darüber sinnieren, ob sie nicht doch vom Mieter- zum Eigentümerstatus wechseln sollen. Wer im Vorfeld gewisse Hürden überspringen kann, hat gute Chancen dafür: So muss ein Eigenkapitalanteil von mindestens 20 Prozent vorhanden sein. Weiter sollten die jährlichen Belastungen durch die Immobilie nicht mehr als ein Drittel des Bruttoeinkommens ausmachen. Einberechnet werden müssen die Renovations- und Nebenkosten, die je nach Objekt erheblich auf den Geldbeutel drücken können (siehe Artikel zum Thema «Sanierung für Fortgeschrittene»). Hilfreich dazu ist eine detaillierte Tragbarkeitsrechnung (siehe Nebenartikel «Tragbarkeitsrechnung: Kann ich mir ein Haus leisten?»).
Das Ehepaar Bieri aus Basel hat diese Berechnungen bereits hinter sich, ihr Haus ist solide finanziert, trotzdem denken die beiden bereits weiter. «Wir werden dieses Haus nicht ewig behalten und fragen uns natürlich, ob es an Wert gewinnen wird», sagt Cornelia Bieri.
Die Chancen stehen gut. Denn allen Krisen zum Trotz bleiben Einfamilienhäuser und Stockwerkeigentum renditesicher, wie die Immobilienspezialisten von IAZI in Bülach berechneten (siehe Nebenartikel «Wohneigentum: Gewinne und Verluste»). So brachen die Preise für Einfamilienhäuser zwischen 1991 und 1998 auf Grund der Immobilienkrise Anfang der neunziger Jahre um nur gerade zehn Prozent ein. 39 Prozent hingegen verloren Renditeobjekte (Mehrfamilienhäuser); sie werden von institutionellen Investoren wie Versicherungen, Pensionskassen, Grossunternehmen oder Baugesellschaften gehalten und vermietet. Bis heute hat sich der Markt von diesem Schock nicht erholt und dümpelt noch immer 19 Prozent unter dem Wert von vor 18 Jahren.
«Viele Baugesellschaften erstellten während der Immobilien-Boomphase in den Achtzigern Objekte und verkauften diese in der Krise nach 1991», sagt Donato Scognamiglio von IAZI. «Dies verstärkte natürlich den Abwärtstrend.» Im Gegensatz zu den Häuslebauern, die keinen Grund sahen, ihre Immobilie zu verschachern, sondern die Preiskorrektur aussassen. Ganz Gewiefte mit dem nötigen Kleingeld deckten sich in dieser Phase mit «Betongold» ein, mit dem Effekt, dass mittlerweile knapp zwei Drittel der Wohnungen in der Schweiz im Besitz von Privatpersonen stehen.
Weit abgeschlagen an zweiter Stelle stehen Personalvorsorgeeinrichtungen mit 5,1 Prozent. Und manchmal könnte sich die Geschichte sogar wiederholen. Einige Experten orakeln bereits, dass sich im Fall eines deutlichen Zinsanstiegs die Situation von Anfang der Neunziger wiederholen könnte.
Hauptverantwortlich dafür, dass die Immobilieneigentumsquote in der Schweiz in den vergangenen zehn Jahren so stark gestiegen ist, ist die Nachfrage nach Stockwerkeigentum. Diese hängt mit den veränderten Lebensbedingungen zusammen. «Für Paare mit Kindern wird auch in Zukunft das Haus die ideale Wohnform darstellen. Single-Haushalte, Alleinerziehende, Patchwork-Familien, homosexuelle Paare und ältere Personen hingegen bevorzugen häufig andere Wohnformen», sagt Christoph Enzler vom Bundesamt für Wohnungswesen.
Vor allem Personen ab fünfzig haben neuerdings ihre Vorliebe für Eigentumswohnungen entdeckt. Im Jahr 2004 wurden doppelt so viele neue Stockwerkeigentümer gezählt als noch vor zehn Jahren. Und der Boom hält an. Die 50- bis 59-Jährigen erzielen das höchste Durchschnittseinkommen. Auch grosse Erbschaften fallen in dieser Phase an, wodurch die Voraussetzungen für einen Kauf gegeben sind. «Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Einfamilienhäusern in Zukunft abnehmen wird, während die Nachfrage nach Stockwerkeigentum steigen wird», sagt Andreas Huber vom ETH-Wohnforum. Denn die als Interessenten in Frage kommende Altersklasse werde bis 2020 einen Zuwachs von 156 000 Personen verzeichnen.
Die Preise für Stockwerkeigentum sind zum Teil bereits in Schwindel erregenden Höhen. «In den nächsten Jahren müssen die Einkommen nachholen, was die Preise vorweggenommen haben», sagt Martin Neff, Leiter Immobilien-Research der Credit Suisse. «Die Immobilienpreise sind stärker gestiegen als die Einkommen. Das muss Korrekturen hervorrufen.»
Die Eigentumswohnungskäufer freut das allemal.