Die Welt ist mitten im Kampf gegen die zweite Welle der schlimmsten Pandemie der vergangenen 100 Jahre und den stärksten Wirtschaftseinbruch der zurückliegenden 80 Jahre. Dennoch gehen die meisten Finanzmarktakteure davon aus, dass die konjunkturelle Talsohle bereits durchschritten ist.

Johannes Maier ist Analyst für globale Infrastruktur-Aktien beim Asset Manager Bantleon Bank AG.

Dies bedeutet, dass in den Aktienmarktkursen bereits ein optimistisches Szenario eingepreist ist, obwohl ein konjunktureller Dämpfer und Rückschläge bei Risikoassets möglich sind. Viele Aktionäre blicken bereits weit in die Zukunft, wenn die Unternehmensgewinne wieder auf Vorkrisenniveaus gestiegen sein werden.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Mit einer schnellen Rückkehr zu alten Rekorden rechnet aber niemand. Die anstehenden Ergebnisse für das 2. Quartal werden verstärkt Aufschluss über das Ausmass des Wirtschaftseinbruchs auf einzelne Firmen geben. In der vergangenen Berichtssaison bewerteten Anleger die Auswirkungen oft nur auf Sektorebene.

Quartalsergebnisse als Stresstest

Einen ersten Eindruck von den Auswirkungen der Coronavirus-Krise auf die europäischen Unternehmen geben die Schätzungen für das 2. Quartal: Analysten rechnen mit branchenübergreifenden Gewinneinbrüchen von 42 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Es wäre jedoch ein Fehler, die Auswirkungen der Krise zu verallgemeinern, denn bereits in der vergangenen Berichtssaison war die Kluft zwischen einzelnen Branchen gross.

So verzeichneten europäische Firmen aus den Bereichen Öl und Gas sowie Konsumgüter im 1. Quartal Ertragseinbrüche von mehr als 50 Prozent. Dem standen Versorger und Telekommunikationsfirmen mit wachsenden Erträgen gegenüber. Die sektorale Spreizung wird im 2. Quartal, das vollständig von der Coronavirus-Krise geprägt ist, sogar noch grösser ausfallen. Es ist eine klare Differenzierung zwischen robusten Geschäftsmodellen und Verlierern abzusehen. Die anstehende Quartalssaison wird damit zum Stresstest für die Aktienkurse einzelner Firmen.

Zu den Gewinnern sollten auf jeden Fall solche Unternehmen zählen, die von robuster Nachfrage profitieren und auch nach dem Ende der aktuellen Krise auf der Sonnenseite stehen. Dies gilt vor allem für Firmen aus den Bereichen erneuerbare Energien und digitale Infrastruktur. Beide Bereiche werden von europäischen Konjunkturpaketen favorisiert und profitieren mittelfristig auch vom anhaltenden Niedrigzinsumfeld.

Tretminen im Portfolio meiden

Die genauen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie für stark nachfragegetriebene Firmen zu prognostizieren, ist für das 2. Quartal noch schwieriger als für die ersten drei Monate des Jahres 2020: Unzählige Unternehmen zogen in den vergangenen Monaten ihre Prognosen zurück, weshalb es nur wenige Orientierungshilfen gibt. Damit besteht eine grosse Gefahr von Tretminen im Aktienportfolio, weil Anleger in den nächsten Wochen bei einzelnen Valoren mit erhöhter Volatilität rechnen müssen.

Im Gegensatz dazu gelten die bereits im 1. Quartal sehr robusten Telekommunikationsfirmen und Versorger zwar aufgrund vorhersehbarer Erträge und konjunkturunabhängiger Nachfrage als vergleichsweise langweilig. Sie sind aber jetzt gerade deshalb mit ihren reduzierten Kursschwankungen nervenschonend.

Schub für erneuerbare Energien und die digitale Infrastruktur

Die Bedeutung digitaler Infrastruktur, zu der auch Glasfasernetze und Rechenzentren gehören, wurde während des Lockdowns und der sozialen Isolation infolge der Coronavirus-Krise deutlich: Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen, die teilweise massive Umsatzeinbrüche erlitten, verzeichnete die Telekommunikationsbranche eine steigende Nachfrage.

Derweil blieb die Nachfrage nach den Dienstleistungen von Unternehmen aus dem Bereich der digitalen Infrastruktur zumindest stabil. Und die Perspektiven sind ebenfalls gut: Zum Beispiel die in den USA ansässigen, aber global agierenden Betreiber von Rechenzentren, Equinix und Digital Realty Trust, werden nicht nur von der aktuellen Krise profitieren.

Auch mittelfristig wird ihr Geschäft von einer rasanten Digitalisierungswelle und dem damit verbundenen stetig steigenden Datenkonsum angetrieben. Darüber hinaus wird die Energiewende durch die Fiskalprogramme einzelner Staaten deutlich an Fahrt gewinnen. Davon können Betreiber von Windparks, beispielsweise Orsted und Iberdrola, die zu den Versorgern zählen, sowie Umweltdienstleister wie Suez und Veolia profitieren.

Als Infektionsschutz gegen Schwankungen

Unter dem Strich haben Investoren mit ausgewählten Infrastruktur-Investments die Möglichkeit, attraktive Renditen zu erzielen und gleichzeitig die Welt von morgen mit aufzubauen. Zwar haben sich die Kurse zahlreicher Infrastruktur-Aktien bereits wieder deutlich erholt, aber die langfristigen Megatrends und der Green Deal der EU sowie die aktuellen Fiskalprogramme sprechen mittel- und langfristig für noch deutlich mehr Kurspotenzial – bei reduzierten Kursschwankungen im Vergleich mit dem breiten Aktienmarkt.

Sie wirken quasi als Infektionsschutz gegen starke Schwankungen des Aktienportfolios. Hinzu kommt quasi als Sahnehäubchen, dass viele Infrastruktur-Firmen aufgrund ihrer stabilen Ertragslage ihre Dividenden unverändert zahlen wollen, während in anderen Industriezweigen starke Kürzungen oder komplette Streichungen geplant sind.