Der Mitarbeiter der Zürcher Kantonalbank klingt selbst nicht besonders überzeugt, als er am Telefon über die Konditionen für Festgeld Auskunft gibt: «Die Mindesteinlagesumme beträgt bei uns 100 000 Franken. Bei einer Anlage von bis zu einer Million liegt die Verzinsung bei null Prozent.» Für eine individuelle Lösung kann er aber gerne einen Berater vermitteln. Zu viel wird sich ein Anleger aber davon nicht versprechen dürfen. Denn dass man mit Zinsgeschäften momentan nicht wirklich eine Rendite erzielen kann, ist eine Tatsache. Wer auf seinem Sparbuch heute noch mehr als ein Prozent bekommt, der hat schon ein relativ gutes Geschäft gemacht. Aber die Zeiten historisch tiefer Zinsen scheinen vorbei zu sein. Vor allem für die USA wird mit Zinssteigerungen am kürzeren Ende gerechnet.
Gute Konjunkturaussichten gelten als Vorboten für einen nahenden Zinsanstieg. 2003 beeindruckte die US-Wirtschaft bereits mit hohen Wachstumsraten, und auch in diesem Jahr wird der Aufschwung nach Meinung vieler Volkswirte noch anhalten. Die amerikanische Notenbank Fed wird sich dann bis zum Sommer von dem Ein-Prozent-Zinssatzniveau entfernen. «Eine Leitzinserhöhung in den USA hätte nicht nur Auswirkungen auf US-Anleihen, sondern würde auch die anderen Märkte unter Druck setzen», erwartet Oliver Adler, Leiter Research Wealth-Management bei der UBS.
Von der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Schweizer Nationalbank (SNB) werden vorerst keine Zinserhöhungen erwartet. Auf Grund des starken Euro wird im Markt bereits darüber spekuliert, ob die EZB die Zinsen ein weiteres Mal senken werde. Im Gegensatz zur Schweiz haben die europäischen Währungshüter noch Zinssenkungsspielraum. Aber auch die SNB kündigte an, vorläufig an ihrer lockeren Geldpolitik festzuhalten.
Staatsanleihen
Ein Zinsanstieg wäre Gift für die Obligationenkurse. Diese haben im vergangenen Sommer ihren Höhepunkt erreicht, und Experten warnen jetzt davor, dass die fetten Bondjahre endgültig vorbei seien. Das vergangene Jahr war, wider alle Erwartungen, ein gutes Jahr für Anleihen. Wegen der weiter sinkenden Leitzinsen, des Irak-Krieges und der Lungenkrankheit Sars erreichten die Renditen historische Tiefs. Zehnjährige Schweizer Eidgenossen rentierten bei gut zwei Prozent. Bis zum Jahresende 2004 erwarten Experten Sätze zwischen 3,3 und 3,5 Prozent. Für US-Treasury-Bonds mit entsprechender Laufzeit werden Renditen zwischen 5,1 und 5,3 Prozent prognostiziert. Im vergangenen Jahr hatten diese US-Anleihen noch ein 45-Jahres-Tief von gut drei Prozent erreicht.
In einem Punkt sind sich die Marktexperten daher einig: 2004 sind Aktien interessanter als Obligationen. Dieser Trend zeichnet sich bereits seit Mai vergangenen Jahres ab.
Generell werden die Anleger in diesem Jahr mit Kursverlusten ihrer Obligationenportfolios rechnen müssen. Für Investoren, die ihre Festverzinslichen bis zum Ende der Laufzeit halten wollen und nur auf Schuldner bester Kreditqualität gesetzt haben, spielt das aber gar keine Rolle. Alle anderen sollten ihr Depot aber genau unter die Lupe nehmen und gegebenenfalls umstrukturieren.
Rolf Biland, Chief Investment Officer (CIO) beim VermögensZentrum in Zürich, rät aber davon ab, ganz auf Anleihen zu verzichten. «Die meisten Prognosen im vergangenen Jahr waren in puncto Obligationen nicht richtig. Schon für das Jahr 2003 wurde ein Renditeanstieg vorhergesagt, und dieser blieb praktisch aus. Das vergangene Jahr war für Fremdwährungsanleihen sogar noch ein interessantes Jahr», sagt Anlageexperte Biland. Wer also sein Engagement in Obligationen nicht aufgeben will, der sollte wenigstens einige Sicherheitsvorkehrungen treffen.
«Anleihe-Portfolios, die vor allem hochqualitative und lang laufende Obligationen enthalten, werden 2004 leiden», prophezeit der Anlageexperte Adler von der UBS. Er rät daher zum einen, bei Staatsanleihen kürzere Laufzeiten zu wählen. Dabei ist wichtig, welchen Anlagehorizont ein Investor wählt. Bei langfristigen Engagements trifft der Zinsschock die Festverzinslichen nicht allzu stark. Doch auf mittelfristige Sicht sollten die Anleger lang laufende Anleihen gegen Kurzläufer austauschen. «Wenn man sich vor dem Zinsanstieg schützen will, muss man aus den Langläufern raus. Denn das kurze Ende ist weniger betroffen», sagt Jan Poser, Leiter Macro Research bei der Bank Sarasin. Vor allem bei US-Bonds sollten Anleger in der Duration deutlich heruntergehen. Die Empfehlungen der Zins- experten liegen bei Laufzeiten zwischen drei und fünf Jahren. Für andere Regionen wie Europa können dagegen noch etwas länger laufende Papiere gewählt werden.
Als zweite Konsequenz sollte eine Umstrukturierung der Kreditqualität vorgenommen werden. «Generell glauben wir, dass 2004 Anleihen tieferer Qualität wieder besser abschneiden werden als solche bester Kreditqualität», sagt Oliver Adler von der UBS. Er ist davon überzeugt, dass die Renditen der Anleihen mit bester Qualität (AA und besser) steigen werden. Bei Qualitäten von A, BB oder tiefer werde der Zinsanstieg zum Teil kompensiert, und zwar dadurch, dass die Zinsdifferenz zu den qualitativ hochwertigeren Anleihen weiter abnehmen werde. Ein ähnliches Phänomen wird auch für Unternehmensanleihen vorhergesagt.
Unternehmensanleihen
Anders als Staatsanleihen können Unternehmensanleihen bei einem Zinsanstieg durchaus interessante Anlagen sein. Denn normalerweise steigen die Zinsen, weil es der Wirtschaft besser geht. Bei vielen Unternehmen sinkt dadurch das Konkursrisiko. Typischerweise geht mit einem Wirtschaftsaufschwung ein Rerating-Zyklus einher, eine Phase, die durch viele Heraufstufungen durch die Ratingagenturen gekennzeichnet ist. «Die Ratings werden 2004 mit Sicherheit besser werden», erwartet Poser von der Bank Sarasin, denn er ist davon überzeugt, dass der Zyklus noch bis Mitte des Jahres stark bleiben wird. Dann verringert sich auch der Risikoaufschlag, der so genannte Spread, den Corporate Bonds gegenüber Staatsanleihen haben. Das hat zur Folge, dass Unternehmensanleihen weniger hohe Renditeanstiege verzeichnen müssen. Deswegen gilt auch für Unternehmensanleihen, dass im Wirtschaftsaufschwung am meisten solche Titel profitieren, die nicht zu den erstklassigen Schuldnern zählen, so genannte Junk-Bonds.
Bei der Wahl des emittierenden Landes geben die Zinsexperten einstimmig den Rat: Finger weg von US-Bonds! «Hier wird die Zinssteigerung am ausgeprägtesten sein. Zudem ist das Währungsrisiko zu hoch», sagt Anja Hochberg, Leiterin Fixed Income und Forex Research bei der Credit Suisse. Sie bevorzugt die Eurozone. Wegen der hohen Liquidität sollten bei Staatsanleihen deutsche Bundesanleihen zum Kernbestand zählen. Auch der Chefvolkswirt der Bank Sarasin, Poser, hält die so genannten Bunds für günstig bewertet: «Deutschland hat noch eine Art Schröder-Discount, der Deflationsängste widerspiegelt.» Weiterhin beliebt sind bei den Marktkennern Festverzinsliche aus Skandinavien. Hier wird vor allem Schweden, wegen der unterbewerteten schwedischen Krone, als interessantes Anlageziel genannt.
Das Problem der Landeswahl kann sich der Anleger sparen, wenn er sein Obligationendepot mit so genannten Floatern schützt. Dabei handelt es sich um variabel verzinste Anleihen, deren Zinsniveau sich am aktuellen Marktzinssatz orientiert und diesem vierteljährlich bis jährlich angepasst wird. Auf diese Weise hat man in Phasen steigender Zinsen die Chance auf eine höhere Verzinsung. Umgekehrt geht ein Anleger aber auch das Risiko ein, eine schlechtere Verzinsung akzeptieren zu müssen, wenn die Zinsen weiter fallen. Nach dem gleichen Prinzip funktionieren Geldmarktfloater, die sich gemäss dem Geldmarktsatz verändern.
Geldmarktfonds
Der Zinssatz am Geldmarkt ist derzeit besonders unattraktiv. Die kurzfristigen Geldmarktzinsen sind immer noch sehr tief. Der Drei-Monats-Libor liegt seit einigen Monaten bei rund 0,25 Prozent. Fonds aus diesem Bereich werden noch uninteressanter durch die Kostenstrukturen. Denn auch wenn die Gesamtkosten für einen Geldmarktfonds nur bei einem Prozent liegen, wird diese Anlage ein Nullsummenspiel; die Zinsen am Geldmarkt liegen nämlich, wenn überhaupt, nur knapp darüber. Der gesamte Zinsertrag wird so von den Kosten aufgefressen. «Das sollte sich aber ändern, sobald die Zinsen am kurzen Ende wieder steigen», sagt Rolf Biland vom VermögensZentrum in Zürich. Einige Anleger scheinen darauf bereits zu spekulieren. Geldmarktfonds in Schweizerfranken konnten im November vergangenen Jahres geschätzte Zuflüsse in Höhe von 114 Millionen Franken erzeichnen. Im Vormonat zählten die Geldmarktfonds mit Abflüssen von 2,3 Milliarden Franken dagegen noch zu den grössten Verlierern am Fondsmarkt. Über einen Beobachtungszeitraum von zehn Jahren war dies die höchste Abnahme in diesem Bereich.
Auch in den USA waren Ende 2003 wieder Nettokapitalzuflüsse bei Geldmarktfonds zu verbuchen. Insgesamt war aber das Kapital in dieser Anlagekategorie im vergangenen Jahr um fast acht Prozent gesunken. Nachdem die US-Notenbank Fed die Leitzinsen seit Januar 2001 insgesamt dreizehnmal gesenkt hatte, fielen die Renditen für Geldmarktfonds auf historisch tiefe Niveaus. Die aktuellen Zuflüsse hält die Zinsexpertin Hochberg aber nur für ein typisches Phänomen, das stets zum Jahresende auftritt. Sie hält Geldmarktfonds nicht für eine interes-sante Anlage: «Mit Obligationen erreichen Sie leicht höhere Erträge. Es sei denn, Sie gehen ein Währungsrisiko ein und investieren zum Beispiel in den britischen Geldmarkt. Hier liegen die Zinsen nur knapp unter vier Prozent.»
Festgeld
Da ein Zinsanstieg vor allem am kürzeren Ende erwartet wird, empfehlen die Experten für den Bereich Festgeld kurzfristige Anlagen in Schweizerfranken. «Wir rechnen mit einem Zinsanstieg der kurzfristigen Zinsen im Sommer. Die Drei-Monats-Sätze erwarten wir auf Jahresende bei einem Prozent. Heute liegen sie bei nur 0,24 Prozent. Daher sollte man in Festgeld kurzfristig oder gestaffelt anlegen», sagt Gerhard Werginz, Leiter Vermögensverwaltung Private der Zürcher Kantonalbank. Von Anlagen in Fremdwährungen raten die Experten ab. Besonders beim US-Dollar ist das Währungsrisiko hoch. Oliver Adler von der UBS geht davon aus, dass der Franken mittelfristig zum Euro gewinnen wird. «Daher könnten auch Euro-Anlagen riskant sein», fügt er hinzu.
Kassenobligationen
Ein Produkt, das einfach zu verstehen und deswegen bei Privatanlegern immer wieder beliebt ist, sind Kassenobligationen. Das sind mittelfristige Obligationen der Banken. Kassenobligationen werden am Schalter, also an den Kassen der Banken, fortlaufend nach dem Begehren der Kunden und den Bedürfnissen der emittierenden Bank verkauft. Sie sind in Stückelungen von 1000 Franken erhältlich, werden aber nicht an der Börse gehandelt.
«Aus Sicht des Anlegers hat dieses Produkt kaum eine Daseinsberechtigung», lautet das vernichtende Urteil Bilands vom VermögensZentrum. «Sie sind genauso interessant oder uninteressant wie normale Anleihen, mit der Ausnahme, dass sie kaum handelbar sind. Die Nachteile werden zudem zu wenig durch höhere Renditen aufgewogen», fügt er hinzu. Bei einer Mindestanlagedauer von zwei Jahren ist dieses Produkt ohnehin nur dann geeignet, wenn ein Anleger sein Geld nicht vorzeitig beziehen will.
«Es tut mir Leid, aber zweijährige Kassenobligationen haben wir zurzeit nicht im Angebot», entschuldigt sich der geduldige Mitarbeiter der Zürcher Kantonalbank. Anbieten kann er aber dreijährige, die einen Zins von 1,125 Prozent abwerfen. Klingt zwar schon um einiges besser als die Nullprozentnummer beim Festgeld, aber wer sich heute auf einen Zins von knapp einem Prozent für die nächsten drei Jahre festlegt, dem entgehen mit Sicherheit Erträge, die der bevorstehende Zinsanstieg mit sich bringen wird.
«Und wie sieht es denn mit den Zinsen für ein Sparbuch aus?» Auch die hierfür offerierten 0,375 Prozent sind enttäuschend. Für ein online geführtes Sparbuch bei Postfinance bekommt der Anleger nämlich fast das Dreifache. Wem Junk-Bonds zu riskant, Floater zu kompliziert oder schwedische Anleihen zu langweilig sind, der kann zu solchen Konditionen sein Geld auch auf dem guten alten Sparkonto parkieren, bis sich wieder attraktivere Möglichkeiten bieten.