Der von US-Präsident Donald Trump angezettelte Handelsstreit sorgt vor den Kongresswahlen für Zündstoff. Denn die Wähler können dem Konflikt um Zölle auf Produkte wie Stahl und Soja eine neue Richtung geben. Sie haben es am 6. November in der Hand, Trumps Republikanern im Parlament die Mehrheit zu entziehen. Es stehen alle Sitze im Repräsentantenhaus und ein Drittel der Mandate im Senat zur Wahl.

Das Votum könnte so zum Plebiszit über die Handelspolitik des Präsidenten werden, die sich immer stärker zur Machtprobe mit China entwickelt. Dabei kommt Trump ein tiefsitzendes Unbehagen vieler Amerikaner angesichts des chinesischen Aufstiegs zugute, wie USA-Kennerin Laura von Daniels meint: «Die Mehrheit sagt: China ist die große Bedrohung, unsere Regierung muss dem etwas entgegensetzen», so die Expertin von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

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Zwischen Washington und Peking knistert es gewaltig. Trump wirft der Volksrepublik vor, Einfluss auf die Kongresswahlen zu nehmen, um einen Sieg seiner Partei zu verhindern. Für weitere Brisanz sorgte zuletzt die Festnahme eines Chinesen wegen des Vorwurfs der Wirtschaftsspionage. Der US-Präsident hat gegen China schon zahlreiche Sonderzölle in Kraft gesetzt und weitere angedroht, da er sich im Handel über den Tisch gezogen fühlt.

Dies galt auch für die Wirtschaftsbeziehungen zu den Nachbarn Mexiko und Kanada, die über Jahrzehnte mit den USA in der Nordamerikanischen Freihandelszone (Nafta) vereint waren. Nun hat der Präsident rechtzeitig vor den Kongresswahlen ein Nachfolge-Abkommen nach seinem Geschmack durchgeboxt, dessen Existenz auch in der US-Notenbank Beifall findet. Ein klarer Punktsieg für Trump, meint von Daniels: «Ihm gelingt es derzeit, sich als starker Verhandler und Anführer zu präsentieren. Zugleich sind die negativen Auswirkungen des Zollstreits mit China noch nicht ausreichend spürbar.»

Trump hatte bei seiner Amtseinführung auf den Stufen des Kapitols im Januar 2017 feierlich gelobt, die «wie Grabsteine über das Land verstreuten verrosteten Fabriken» in alten Kohle- und Stahlregionen wieder beleben zu wollen. Er setzt darauf, dass die sogenannten «Rostgürtel»-Staaten wie Michigan, Ohio und Pennsylvania im Schutz hoher Zollmauern auf Stahl und Aluminium aufblühen. Einige gelten als Schlüsselstaaten, um die Mehrheit im Kongress zu bekommen. Falls die Demokraten den Republikanern die Kontrolle über das Abgeordnetenhaus entreißen, müssen sie diesen 23 Sitze wegnehmen – fünf davon winken laut Experten in Pennsylvania.

Kampf um den Rostgürtel

Dabei könnte den Demokraten helfen, dass der von Trump entfachte Handelskonflikt im «Rostgürtel» kein Wahlkampfschlager ist. Eine Umfrage des Forschungsinstituts Ipsos im Auftrag von Reuters ergab, dass eine Mehrheit der Wähler in Indiana, Michigan, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin Zölle als schädlich ansieht. «Handel und Zölle sind kein besonders positiv besetztes Thema für den Präsidenten und die Republikaner», sagt John Austin von der Denkfabrik Brookings.

Auch in der eigenen Partei stehen nicht alle hinter der protektionistischen Linie Trumps: In Indiana hat sich der republikanische Bewerber um einen US-Senatssitz, Mike Braun, bereits frühzeitig gegen Zollmauern positioniert und sie als «Fehler» verurteilt. Pikanterweise hatte sich sein demokratischer Gegner, Senator Joe Donnelly, früher für Schutzmaßnahmen im Handel ausgesprochen. Nun äußerte er jedoch Sorge über den Handelskonflikt.

Diese Sorge teilen auch mehr als 60 US-Lobbygruppen - vom Einzelhandel bis hin zu Schiffsherstellern. Sie stehen hinter einer Kampagne «Americans for Free Trade» (Amerikaner für Freien Handel). Damit wollen sie die Wähler angesichts der sich immer weiter drehenden Eskalationsspirale wach rütteln. Trump hatte im September eine neue Zollrunde eingeläutet. Dabei geht es um Waren aus China im Volumen von 200 Milliarden Dollar. Der weltgrößte Einzelhändler Walmart sah sich zu einem Brandbrief an Trumps Handelsbeauftragten Robert Lighthizer veranlasst, in dem vor höheren Preisen für Verbraucher gewarnt wird: Dies betreffe auch Alltagsgüter wie Gasgrills, Fahrräder und Weihnachtsbeleuchtung.

«Zölle kosten Jobs»

Der Handelsstreit hat bei einigen Unternehmen dazu geführt, dass sie wegen steigender Kosten Entlassungen erwägen – etwa in der Schiffsbaubranche. Und Trump hat Entschlossenheit signalisiert, notfalls praktisch sämtliche Einfuhren aus China mit Sonderzöllen zu belegen. Seine Wirtschafts- und Handelspolitik habe die chinesische Volkswirtschaft bereits getroffen, sagte er jüngst dem Sender Fox. «Ich kann noch viel mehr machen», fügte er drohend hinzu. Eine Horrorvision für die Initiatoren von 'Americans for Free Trade': «Zölle kosten amerikanische Jobs», warnt die Wirtschaftslobby.

Auch in Missouri, wo Sojabohnen-Bauern die hohen Zölle auf ihre Produkte beim Export nach China vor neue Herausforderungen stellt, lässt der Handelsstreit niemand kalt. Rund die Hälfte der amerikanischen Sojabohnen ging voriges Jahr in den Export. Etwa ein Viertel der Ernte wurde ins Reich der Mitte verschifft.

Die Demokraten in dem Bundesstaat beklagen, dass durch den Handelskonflikt mit der Volksrepublik Jobs vernichtet werden. Allerdings hat die US-Regierung den Bauern Hilfen in Aussicht gestellt. Zudem haben sich neue Perspektiven für den Absatz von Sojabohnen auf dem europäischen Markt eröffnet, nachdem Trump im Sommer EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker entsprechende Zusagen abgerungen hatte.

Der republikanische Bewerber um einen Sitz im Senat, Josh Hawley, präsentiert sich als Kämpfer für die Interessen der Bauern in Missouri. Und deren mehr als 100 Jahre alte Landwirtschaftskammer «Missouri Farm Bureau» (MFB) steht hinter ihm: «Hawley hat bewiesen, dass er sich für den Schutz unserer Bauern und Familienbetriebe einsetzt», lobt MFB-Präsident Blake Hurst. Die Landwirte fühlten sich in den USA an den Rand gedrängt. Schließlich stellten sie mittlerweile weniger als zwei Prozent der Bevölkerung.

Auch für Bürgermeister Dick Bodi aus New Madrid in Missouri ist Trumps Protektionismus kein rotes Tuch: «Jetzt gibt es wieder Hoffnung», sagt er. Denn seit Mitte Juni rauchen die Schlote in der nahen Aluminium-Hütte wieder, die vorher zu der von Trump beklagten industriellen Ruinenlandschaft im Mittleren Westen gehörte. In der Republikaner-Hochburg sind sich viele einig, dass sie dieses Wunder dem Staatschef und seinen Schutzzöllen zu verdanken haben.

Doch diese haben auch eine Kehrseite der Medaille: US-Produzenten haben sie zu Preiserhöhungen genutzt. Dadurch steigen zum Beispiel die Kosten für Autobauer. Laut SWP-Expertin von Daniels dürfte dies die Hersteller anspornen, die Automatisierung voranzutreiben: «Dies könnte zu einem wahren Problem für die Beschäftigten werden. Diese Effekte werden sich wohl noch nicht in größerem Maße vor dem Wahltermin im November zeigen. Doch die Zeit arbeitet gegen Trump.»

(reuters/mlo)