Applaus dürfte Dieter Zetsche nach mehr als 13 Jahren als Daimler-Chef am Mittwoch auf der Hauptversammlung in Berlin sicher sein. Kurz danach übergibt er das Lenkrad an seinen Nachfolger Ola Källenius. Ein bisschen Kritik wird in den Lobreden auf den Mann mit dem markanten Schnauzbart trotzdem nicht fehlen. «Zetsches Bilanz ist gemischt», sagt etwa Michael Muders, Fondsmanager von Union Investment. Der 66-Jährige habe viel erreicht, zuletzt aber zu zögerlich agiert.
Umso grösser sind nun die Erwartungen auch anderer Investoren an den jüngeren Nachfolger: Källenius soll den traditionellen Auto- und Lastwagenbauer ins Zeitalter von Elektroantrieb und Mobilitätsdienste führen, ohne dass Gewinn und Beschäftigung darunter stark leiden. Und das, während sich die wichtigen Absatzmärkte gerade abkühlen.
«Ein paar Aufräumarbeiten»
«Er tritt in sehr grosse Fußstapfen von Dieter Zetsche – dieser hat bei Daimler in einem schwierigen Umfeld einen guten Job gemacht», sagt Christian Ludwig, Autoanalyst vom Bankhaus Lampe. So steuerte Zetsche den Stuttgarter Konzern kurz vor Ausbruch der Finanzkrise 2007 weg vom Abgrund, als er den kriselnden US-Hersteller Chrysler verkaufte. Im nächsten Jahrzehnt gelang der Pkw-Marke Mercedes-Benz dann mit grundlegend neuem, sportlicherem Design und mehr Kompaktwagenmodellen wie SUVs die Aufholjagd auf die Konkurrenten BMW und Audi.
Auch Qualitätsmängel mussten überwunden werden. «Ein paar Aufräumarbeiten» habe er geleistet, sagte Zetsche kürzlich selbst bescheiden. Die Rückkehr der Marke mit dem Stern zur Spitzenposition des weltgrössten Premium-Autobauers 2016 markierte den Höhepunkt seiner mehr als 40-jährigen Daimler-Karriere. Diese soll auch jetzt nicht enden. Denn nach zwei Jahren Abkühlphase will Zetsche Nachfolger von Aufsichtsratschef Manfred Bischoff werden.
Nicht reagieren, sondern agieren
Doch seit dem vergangenen Jahr läuft es nicht mehr rund bei den Schwaben. «Plötzlich muss die Dividende gekürzt und ein Effizienzprogramm aufgelegt werden wegen Problemen, die längst bekannt waren - wie die Abkühlung in China und der Handelsstreit», moniert Union-Investment-Mann Muders. Daimler hätte früher und offener über Probleme reden müssen, kritisiert der Fondsmanager. «Zetsche hat zuletzt nicht mehr vorausschauend agiert, sondern nur noch reagiert.» Källenius müsse deshalb früher aktiv werden und nicht erst, wenn das Unternehmen mit dem Rücken zur Wand stehe. Der 49-jährige Schwede, ein studierter Betriebswirt, solle ausserdem häufiger als Zetsche den direkten Kontakt mit Investoren suchen.
Unter Zetsche habe Daimler nicht so viel Wert für die Aktionäre geschaffen wie die Konkurrenz, kritisieren ausserdem die Analysten vom Investmenthaus Evercore ISI. So habe die Aktienrendite in den vergangenen Jahren bei den Schwaben 130 Prozent betragen, bei BMW hingegen 171 Prozent und bei Volkswagen 167 Prozent. «Beschäftigte und Lieferanten sind happy - die einzigen, die nicht zufrieden sein können, sind die Aktionäre», schreiben sie in einer Analyse.
Sparprogramm in Arbeit
Die wichtigste Aufgabe des neuen Daimler-Chefs sei es, den Umbruch von Fahrzeugen mit Diesel- oder Benzinmotoren hin zu solchen mit alternativen Antrieben zu bewältigen, um die Klimaschutzvorschriften in der EU zur CO2-Reduktion einzuhalten. Die Krux für alle Autobauer dabei: Die Entwicklungsausgaben steigen, weil für weitere rund zwei Jahrzehnte Übergangszeit gleichzeitig auch Verbrenner- und Hybridmotoren weiterentwickelt und gebaut werden müssen. Die E-Autos sind wegen der Batteriekosten noch deutlich teurer in der Herstellung. Also muss gespart werden, wie Zetsche im Februar ankündigte.
Källenius arbeitet noch an dem Plan. Nach einem Bericht des «Manager Magazins» will er bis 2021 sechs Milliarden Euro bei Pkw und zwei Milliarden Euro bei Lkw einsparen, damit die Umsatzrendite nicht von derzeit sechs auf fünf oder vier Prozent abbröckelt. Daimler äusserte sich nicht zu den Zahlen.
Weniger Beschäftigung
Källenius müsse dafür sorgen, dass Mercedes weniger selbst herstelle und mehr von Zulieferern kaufe, um Kosten zu drücken, fordert Muders. «Motorenentwicklung und die personalintensive Produktion des Antriebsstrangs verlieren im Zeitalter von Elektroautos an Bedeutung», sagt der Fondsmanager. Also müssten hier Stellen abgebaut und dafür in anderen Bereichen wie Softwareentwicklung für autonomes Fahren oder Mobilitätsdienste neue Jobs geschaffen werden.
Weniger Beschäftigung würde vor allem die Komponentenwerke treffen, allen voran das grösste in Untertürkheim mit seinen knapp 19.000 Beschäftigten. Bis Ende 2029 haben die Daimler-Mitarbeiter in Deutschland eine Beschäftigungszusage. Nur zehn Jahre später will Källenius die Modellpalette komplett auf CO2-freie Antriebe umstellen. Das Ziel sei richtig und wichtig, sagt der Betriebsratschef des Werkes Untertürkheim, Michael Häberle. «Aber man braucht natürlich auch einen Plan, wie die Beschäftigung im Traditionswerk Untertürkheim, die heute zum Grossteil am Verbrennungsmotor hängt, nachhaltig gesichert werden kann.» Källenius dürfe soziale Gesichtspunkte bei der Umstellung auf E-Autos nicht vergessen, fordert Häberle: «Transformation muss für Perspektive stehen und nicht für drohenden Jobverlust.»
(reuters/ccr)