Stellen bleiben heute oft monatelang unbesetzt; entsprechend gefordert sind die HR-Abteilungen. Der Verdienst und die Lohnnebenleistungen spielen zwar immer noch eine sehr wichtige Rolle bei der Wahl des Arbeitgebers. Doch Arbeitnehmende – immer häufiger auch jüngere – schauen mittlerweile genau hin, wie die Pensionskassenleistungen ausgestaltet sind. Das erstaunt nicht. Denn wenn die Schweizer Bevölkerung gefragt wird, worüber sie sich Sorgen macht, landet die Antwort «Altersvorsorge» regelmässig auf dem Spitzenplatz.
Tatsächlich sind in der beruflichen Vorsorge in den vergangenen zehn Jahren mehr als 90 Milliarden Franken von den Erwerbstätigen zu den Rentnern umverteilt worden. Dieser Transfer widerspricht dem Ursprungsgedanken, dass Altersleistungen innerhalb der 2. Säule via Kapitaldeckungsverfahren finanziert werden. Die Umverteilung wird von der Bevölkerung dennoch hingenommen. Der Grund liegt oft darin, dass die Versicherten nicht genau wissen, wie viel der ihnen zustehenden Ersparnisse jedes Jahr an die Pensionäre fliessen.
Die als Folge der Motion «Stahl» beliebter werdenden 1e-Kadervorsorgelösungen schützen Vorsorgenehmende immerhin vor der Umverteilung der Spareinlagen oberhalb der Lohngrenze von 129'060 Franken bis zu einem versicherten Jahreslohn von 853'200 Franken. Doch noch sind weniger als ein Prozent des Schweizer Vorsorgekapitals in 1e-Pläne investiert. Konkret handelt es sich um rund 6 Milliarden Franken. Dieser Anteil dürfte sich in den kommenden Jahren deutlich ausweiten, denn 1e-Pläne haben für Unternehmen und Mitarbeitende klare Vorteile gegenüber den klassischen Pensionskassenlösungen. Es wird geschätzt, dass die von 1e-Sammelstiftungen verwalteten Vermögen in den kommenden Jahren auf rund 50 Milliarden Franken steigen könnten.
Bewegung im 1e-Markt
Geschäftsleitungsmitgliedern, dem Kader und spezialisierten Fachkräften stehen im Rahmen der 1e-Pläne maximal zehn Anlagestrategien pro Vorsorgewerk offen. So können sie individuell auf ihre Risikobereitschaft und -fähigkeit abgestimmt anlegen. Bei der Wahl einer Anlagestrategie spielt auch der persönliche Anlagehorizont einen wichtigen Faktor. Ausgewählt werden können alle Anlageklassen innerhalb der BVG-Richtlinien. Es kann also nicht nur in Aktien und Obligationen investiert werden, sondern auch in alternative Anlagen wie Immobilien, Edelmetalle, Rohstoffe und Hedgefonds.
Es gibt verschiedene Umsetzungsvarianten, die sich – vereinfacht gesagt – in zwei Kategorien unterteilen lassen: kostengünstige passive Indexfonds und ETF sowie aktiv verwaltete Fonds, die etwas teurer sind. Bei grösseren Vorsorgevermögen sind Vermögensverwaltungsmandate möglich. In diesem Fall können die Versicherten zusätzlich von einer engen Abstimmung auf die private Vermögenssituation profitieren. Ein Beispiel zur Illustration: Sogenannte Wachstumsaktien zahlen oft keine oder nur eine kleine Dividende. Es bietet sich daher an, diese Titel im Privatvermögen zu halten, während Dividendentitel besser im Vorsorgevermögen gehalten werden. Denn dort sind die Dividendenzahlungen von der Verrechnungssteuer befreit und Vermögenssteuern sind ebenfalls keine zu entrichten. Durch Einkäufe in den 1e-Plan kann die Steuerrendite zusätzlich erhöht werden.
Für Mitarbeitende bieten 1e-Lösungen also unbestreitbare Vorteile in der Vorsorge. Doch auch für Unternehmen zahlen sich Kadervorsorgelösungen aus. Hier spielen oft Risikoüberlegungen eine Rolle. Da 1e-Sparende das Anlagerisiko vollständig selbst tragen und eine Verrentung nicht vorgesehen ist, entfällt das Sanierungsrisiko für 1e-Sammelstiftungen und kollektive Wertschwankungsreserven müssen ebenfalls keine mehr aufgebaut werden. Konzerne, die nach internationalen Rechnungslegungsstandards (IAS/IFRS, US-GAAP) bilanzieren, dürfen 1e-Pläne als Beitragsprimatpläne behandeln und entsprechend die Pensionskassenverpflichtungen in der Bilanz reduzieren.
Allerdings schliessen 1e-Pläne Angestellte mit nicht ausreichend hohem Lohn aus. Hier setzen sogenannte Einheitsstrategien an. Diese ermöglichen es Unternehmen und Selbstständigerwerbenden, eine überobligatorische Vorsorgelösung für Fach- und Führungskräfte anzubieten, die sie vor einer drohenden Umverteilung ab der Lohngrenze von 86’040 Franken schützt. Im Gegensatz zu den 1e-Plänen wird die Anlagestrategie allerdings nicht individuell bestimmt, sondern vom Kollektiv der jeweiligen Firma. Die erzielte Rendite wird beim Bezug zu 100 Prozent den einzelnen Mitarbeitenden ausbezahlt.
Überobligatorische Vorteile im BVG
Hinzu kommen steuerliche Vorteile für das Unternehmen und die einzelnen Versicherten. Um sich gegen mögliche Verluste der kollektiven Anlagestrategie und eine damit verbundene Unterdeckung abzusichern, sind die Arbeitgeber verpflichtet, Wertschwankungsreserven zu bilden. Das erscheint aus Firmensicht auf den ersten Blick als Nachteil, denn dadurch wird der Unternehmensgewinn geschmälert. Andererseits sinkt so auch die Steuerbelastung des Unternehmens. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Wertschwankungsreserven nach individuellen Anlagebedürfnissen der Firma investiert werden können. Einlagen in diesen Puffer rentieren also doppelt. Zusätzlich haben die Mitarbeitenden nebst deutlich besseren Versicherungsleistungen auch hier die Möglichkeit, sich in die überobligatorische berufliche Vorsorge einzukaufen – und damit die Einkommenssteuerbelastung zu senken.
Nicht zuletzt können Arbeitgeber freiwillig Mittel in die Sammelstiftung einzahlen, sogenannte Arbeitgeberbeitragsreserven. Diese bilden eine Art Ausgleichsfonds für die geschuldeten Arbeitgeberbeiträge. Der Vorteil ist: In guten Jahren können sie durch Reservebildung den Unternehmensgewinn reduzieren und die Steuerbelastung senken. In wirtschaftlich herausfordernden Zeiten hingegen dürfen sie von diesem Puffer zehren.
Die Ausgestaltung des Schweizer Vorsorgesystems kann durchaus kritisch diskutiert werden. Es stellt sich etwa die Frage, weshalb die freie Strategiewahl den Versicherten nicht bereits im Überobligatorium ab der Lohngrenze von 86’040 Franken zugestanden wird respektive weshalb die Lohngrenze für 1e-Pläne bei 129'060 Franken liegt. Unbestritten ist einzig, dass Arbeitgeber Mitarbeitende mit innovativen Vorsorgelösungen anwerben und halten können. Firmen, die das nicht tun, haben das Nachsehen.
Rafael Lötscher ist CEO bei PensExpert
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