Die Hochschule Luzern (HSLU) hat der Schweizer Bevölkerung beim Thema Altersvorsorge erneut auf den Zahn gefühlt. Der Fokus des diesjährigen «VorsorgeDIALOG» wurde dabei auf das Thema Solidarität gelegt. Dies auch vor dem Hintergrund der Abstimmung zur 13. AHV-Rente, die von Volk und Ständen am 3. März 2024 angenommen worden ist, und der bevorstehenden Abstimmung zur BVG-Reform.

Unter Solidarität werden in der Studie Umverteilungseffekte sowohl von Besserverdienenden zu Personen mit tieferen Einkommen sowie von Jung zu Alt verstanden. Insgesamt zeigen die Studienergebnisse, dass Solidarität in der Altersvorsorge für viele Versicherte wichtig ist, doch lassen sich auch Unterschiede zwischen der 1. und 2. Säule feststellen. Viele Befragte können zudem das bereits bestehende Ausmass der Umverteilung nicht einschätzen.

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Riesige Solidarität in der AHV

Die Solidarität in der 1. Säule ist gross: Eine überwiegende Mehrheit will Altersarmut vermeiden und dies solidarisch finanzieren. Nur gerade 1 Prozent der Befragten will keinerlei Finanzierung dafür aufbringen. «Diese hohe Solidarität reflektiert die Rolle der AHV als Umverteilungsgefäss für Menschen mit tieferem Einkommen», sagt die Studienleiterin Yvonne Seiler Zimmermann. Über die Hälfte der Befragten ist zudem der Meinung, dass Rentnerinnen und Rentner bei einer potenziellen Sanierung der 1. Säule nicht durch Rentenkürzungen belastet werden dürfen. Einig sind sich die Befragten mit 70 Prozent auch, dass für eine Umverteilung nicht ausschliesslich die Familie aufkommen soll. «Altersarmut zu vermeiden, wird klar als Verantwortung der Gesellschaft wahrgenommen», so die Ökonomin der HSLU.

Finanzierung über Mehrwertsteuer erhält tieferen Zuspruch

Über ein Drittel (36 Prozent) der Befragten sprechen sich für eine noch stärkere Umverteilung in der AHV aus. «Das ist bemerkenswert», sagt Seiler Zimmermann, «denn mit der in diesem Jahr angenommenen 13. AHV-Rente wurde die Umverteilung bereits stark erhöht.» Ausserdem zeigt die Studie, dass mehr Menschen die Umverteilung über höhere Lohnbeiträge (26 Prozent) erreichen wollen anstelle einer Finanzierung durch die Mehrwertsteuer (21 Prozent) oder Beiträge von Bund und Kantonen (17 Prozent). Allerdings sind mit 31 Prozent auch viele Personen der Meinung, dass das Ausmass der Umverteilung in der AHV gerade richtig sei.

Weiter wird auch deutlich, dass viele der Befragten keine eindeutige Meinung zum Ausmass der derzeitigen Umverteilung haben: Der «weiss nicht»-Anteil liegt je nach Art der Leistung zwischen 25 und 39 Prozent. «Dies könnte darauf hindeuten, dass sich viele Versicherte über das Ausmass der Umverteilung gar nicht bewusst sind», sagt die Vorsorgeexpertin.

2. Säule: Überraschender Zuspruch

In der 2. Säule ist die Solidarität nicht in allen sozioökonomischen Gruppen gleich stark ausgeprägt: 42 Prozent der Befragten finden eine Umverteilung in der 2. Säule als gerechtfertigt. Eine knappe Mehrheit spricht sich dagegen aus. «Unsere statistischen Modelle zeigen, dass diejenigen Personen, welche eine solche Umverteilung befürworten, mit höherer Wahrscheinlichkeit finanziell schlechter gestellt sind», sagt die Studienleiterin. Oder in anderen Worten: Die Solidarität bei Personen mit höherem Einkommen gegenüber Personen mit tieferem Einkommen ist in der 2. Säule weniger stark ausgeprägt. Auch wenn die Solidarität in der 2. Säule deutlich tiefer ausfällt als in der 1. Säule, ist das Ausmass für die Ökonomin der HSLU dennoch überraschend: «Im Gegensatz zur AHV wird in der 2. Säule kapitalgedeckt angespart. Das heisst, sie ist damit nicht geeignet zur Erreichung von sozialpolitischen Zielsetzungen. Zwar gibt es für eine Umverteilung in der 2. Säule mehr Gegenstimmen als Befürwortende, jedoch ist die Solidarität trotzdem als hoch einzustufen», sagt Seiler Zimmermann. Die Umverteilung wird insbesondere dann befürwortet, wenn tiefe Einkommen nicht auf einen freiwillig reduzierten Beschäftigungsgrad, sondern auf niedrigere Stundenlöhne zurückzuführen sind.

Knapp über die Hälfte (54 Prozent) ist gegen eine Beteiligung von Rentnern und Rentnerinnen – unabhängig von ihrem Einkommen – an einer Sanierung der Vorsorgeeinrichtung in Form von Rentenkürzungen. Mehr Zuspruch erhält hingegen eine Beteiligung ab einem bestimmten Mindesteinkommen: Nur 28 Prozent der Befragten sind dagegen. Auch hier zeigt sich ein soziodemografischer Graben: Gegen eine Sanierungsbeteiligung von Rentnerinnen und Rentnern sprechen sich ältere Personen, Personen mit tiefen Vermögen aber auch Personen mit einer Finanzschulung eher aus.

Vorsorgewissen nach wie vor tief

Neben dem Fokusthema der Solidarität untersuchte die Studie auch in diesem Jahr wieder das Finanz- und Vorsorgewissen der in der 2. Säule versicherten Personen. «Das Vorsorgewissen hat sich leider nicht verbessert, obwohl im vergangenen wie auch im laufenden Jahr im Rahmen von grossen Abstimmungen viel darüber debattiert wurde», sagt die Studienleiterin.

Wie schon im letzten Jahr fällt das Vorsorgewissen trotz hohem Interesse bescheiden aus. «Bemerkenswert ist erneut, dass die Wissenslücken insbesondere im Bereich der persönlichen Altersvorsorge hoch ausfallen», so Seiler Zimmermann. Über die Hälfte aller Befragten glaube fälschlicherweise, dass alle Personen in die Säule 3a einzahlen können – auch ohne Erwerbseinkommen. Ebenfalls fast die Hälfte sei der Meinung, dass eine Einzahlung in die 2. Säule in jedem Fall möglich sei, auch wenn es hierfür verschiedene Einschränkungen gibt.

Problematisch sei nicht in erster Linie, dass Personen angeben, etwas nicht zu wissen. «Diese Personen sind sich bewusst, dass sie etwas nicht wissen und können sich bei Bedarf entsprechend informieren», so Seiler Zimmermann. «Ist sich eine Person jedoch nicht bewusst, dass ihr Wissen unvollständig oder falsch ist, wird sie sich nicht informieren. Die Konsequenzen sind unweigerlich, dass Fehlentscheidungen getroffen werden», warnt die Vorsorgeexpertin. (pd/hzi/hoh)

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