Es ist paradox. Gemäss Sorgenbarometer gehört die Altersvorsorge aktuell zu den grössten Sorgen der Schweizer Bevölkerung, gleichzeitig ist sich diese der Bedeutung der beruflichen Vorsorge für ihr Einkommen im Alter aber nicht bewusst und sehr viele Erwerbstätige weisen in Sachen Vorsorge enorme Wissenslücken auf. Während die einen meinen, bei den BVG-Abzügen handle es sich um eine Art Steuer, halten andere die Beiträge für eine Gebühr, die bezahlt werden muss. Dies, obwohl BVG-Lohnabzüge direkt ins Vorsorgekonto einbezahlt werden. 

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Dabei sind es nicht nur Herr und Frau Durchschnittsschweizer, bei denen der Wissensstand in Sachen Altersvorsorge ungenügend ist, sondern auch bei Politikerinnen und Politikern. So konnten bei einer Umfrage des Schweizer Fernsehens in den Wandelhallen des Bundeshauses während der Debatte zur Reform der zweiten Säule die wenigsten der im Beitrag gezeigten Nationalratsmitglieder die Frage, was der Umwandlungssatz bedeutet, beantworten.

Dieser Artikel ist Teil der Market Opinion «Private Vorsorge – (k)ein Tabuthema», die in Zusammenarbeit mit der Sammelstiftung Vita realisiert wurde.

Frühzeitige Sensibilisierung im Fokus

Expertinnen und Experten sind sich einig, dass das Bewusstsein und die Bedeutung des BVG gestärkt werden könnten, indem dieses sichtbarer und die Mitbestimmung ermöglicht wird. Daneben trägt auch die generelle Verbesserung des Anlagewissens zu einem besseren Verständnis für das BVG bei. Will heissen: Wer sich mit Kapitalanlagen auskennt, hat meistens ein sehr gutes Verständnis für die Mechanismen des BVG.

Wichtig ist es, bereits junge Menschen für die Altersvorsorge zu sensibilisieren; ist es doch ihr Vermögensaufbau, der aufgrund der Verwendung eines grossen Teils der Kapitalerträge für die aktuellen Renten am stärksten betroffen ist. «Je früher informiert, sensibilisiert und aufgeklärt wird, desto besser», betont Werner Wüthrich, Geschäftsführer bei der Sammelstiftung Vita. «Ideal sind Schulungen in jungen Jahren, vielleicht sogar im Unterrichtskontext, und dies auf spielerische Art und Weise.» Auch das VZ Vermögenszentrum setzt auf frühzeitige Sensibilisierung. «Je früher man sich um die Vorsorge kümmert, desto grösser kann später der Effekt ausfallen», erklärt Simon Tellenbach, Geschäftsleiter Firmenkunden, die Wichtigkeit eines Themas, das in der Wahrnehmung vieler Menschen erst im Alter relevant wird.

Informationsvermittlung schafft Transparenz 

Wissenslücken müssen aber nicht nur bei der jungen Generation geschlossen werden, sondern auch bei Arbeitnehmenden, die schon länger im Arbeitsprozess sind. Die Sammelstiftung Vita setzt dazu einerseits auf Personalorientierungen, die sie zusammen mit ihrem Partner Zurich bei Unternehmen durchführt. «Anderseits haben wir einen Rentenrechner lanciert, mit dem wir Transparenz schaffen und gleichzeitig für das Thema Sparen sensibilisieren wollen», sagt Werner Wüthrich. 

Der Rechner weist das verfügbare Geld nach der Pensionierung als Rente aus. «Die Berechnungen berücksichtigen die erste, zweite und dritte Säule sowie die privaten Vermögenswerte.» Weil die individuelle Situation der Nutzenden nicht bekannt ist, arbeitet der Rechner mit Vereinfachungen und statistischen Erfahrungswerten. «Je mehr Angaben der Nutzer macht, desto genauer wird die Altersrente berechnet.»

Das VZ Vermögenszentrum macht mit dem Pensionierungsbarometer darauf aufmerksam, wie sich das Abdeckungsniveau der ersten und zweiten Säule über die vergangenen zwei Jahrzehnte verändert hat. «Gleichzeitig informieren wir umfassend, wie man Vorsorgelücken schliessen kann», sagt Simon Tellenbach. Für das Schliessen der Wissenslücken setzt das VZ auf gezielte Schulungen, Newsletter, Erklärvideos oder Ratgeber.

Trend zur Individualisierung erfasst die Altersvorsorge

Kommunikationsoffensiven und Sensibilisierungskampagnen sind bei einer derart komplexen Thematik wie der Altersvorsorge sinnvoll und wichtig. Die Tatsache, dass gemäss einer aktuellen Untersuchung der Hochschule Luzern (HSLU) das Hauptproblem nicht unbedingt das fehlende Wissen an und für sich ist, sondern die Unkenntnis der eigenen Wissenslücken, deutet aber darauf hin, dass es noch ein weiter Weg ist, bis ein Grossteil der Erwerbstätigen versteht, was genau alles unter die Altersvorsorge fällt, wie diese funktioniert und vor allem wie sie diese selbst beeinflussen können.

Dabei ist genau das zentral, denn der Megatrend hin zur Individualisierung in allen Lebensbereichen sorgt nach Aussagen von Yvonne Seiler Zimmermann, Studienleiterin und Dozentin an der HSLU, dafür, dass Menschen auch in der Vorsorge mehr Selbstverantwortung übernehmen müssen. Neben flexiblen Arbeitszeiten und -orten wünschen Arbeitstätige vermehrt Auszeiten während der Erwerbsarbeit für Weiterbildungen, Sabbaticals, Elternzeit oder für die Pflege von Angehörigen. Dazu gehört eben auch, dass die Anlagestrategie eines Teils des eigenen Vorsorgekapitals selbstbestimmt festgelegt werden kann und für Auszeiten selbst vorgesorgt wird, wenn keine Rentenkürzungen in Kauf genommen werden wollen.