Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 2. Juni 2023 im Bereich Privatversicherungen die Anpassungen der Aufsichtsverordnung (AVO) verabschiedet und das revidierte Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) zusammen mit der revidierten AVO per 1. Januar 2024 in Kraft gesetzt.
Stärkung des Versicherungsstandorts
Die vom Parlament am 18. März 2022 verabschiedete Teilrevision des VAG stärkt insbesondere den Versichertenschutz sowie die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationsfähigkeit des Versicherungsstandortes Schweiz, wie der Bundesrat in seiner Mitteilung vom 2. Juni 2023 schreibt.
Sanierungsrecht verbessert
Fortan profitieren kleinere Versicherungsunternehmen von Aufsichtserleichterungen, wenn sie sich an Mindestanforderungen halten. Ferner wurden die gesetzlichen Grundlagen zum Vermittlerrecht überarbeitet und wurde das Sanierungsrecht so verbessert, dass der Kundenschutz gestärkt wird.
Stufengerechte Verankerung
Die revidierte AVO setzt damit die neuen gesetzlichen Vorgaben um. Zudem wird der bisher durch die Finanzmarktaufsicht (Finma) geregelte Swiss Solvency Test (SST), der die Kapitalisierung eines Versicherungsunternehmens beurteilt, stufengerecht neu in der AVO verankert.
Tragfähiger Kompromiss
Der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) erachtet die Revision gesamthaft als tragfähigen Kompromiss für Versicherte und Versicherer. «Die Revision gewährleistet die innovationsorientierte Geschäftstätigkeit der Versicherer und trägt gleichzeitig dem Kundenschutz Sorge. Sie stärkt den Versicherungsstandort und damit auch den Finanzplatz Schweiz», sagt der SVV-Direktor Urs Arbter.
Unverständnis für Finma-Praxis
Unverständnis zeigt der SVV hingegen für die Legitimation der Finma-Praxis bezüglich Rückstellungen in der Krankenzusatzversicherung, die bisher in einem Rundschreiben festgeschrieben war. Die Verwendung der Rückstellungen sei gemäss Gesetzgeber keine Aufgabe der Finma, sodass der entsprechende Zusatz in der AVO aus Sicht der Versicherer ohne gesetzliche Grundlage erfolge, schreibt der SVV in seiner Mitteilung weiter. Die nun verabschiedete Regelung führe zu einer Ausdehnung der Kompetenzen der Finma in die Geschäftstätigkeit und Entscheidungsautonomie der Versicherungsunternehmen, für die weder Raum noch Notwendigkeit bestehe, so der SVV weiter.
Lebensversicherer benachteiligt
Der SVV erachte die Anforderung, wonach die Rendite in den individualisierten Beispielrechnungen im ungünstigen Szenario tiefer als der risikofreie Zins sein müsse, weiterhin als ungeeignet. Diese benachteilige die betroffenen qualifizierten Lebensversicherer gegenüber dem Finanzdienstleistungsgesetz unterstellten Produkten, da im Finanzdienstleistungsgesetz keine solche Vorgabe bestehe.
Ungerechtfertigt ist laut dem SVV darüber hinaus die Verschärfung der Kapitalanforderungen für das Auslandgeschäft der Schweizer Versicherer. Sie stehe im Widerspruch zum Wesensgehalt der VAG-Revision und trage zu einer Schwächung des Finanzplatzes Schweiz bei, indem sie die Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Marktteilnehmenden im Ausland einschränkt.
Grosser administrativer Aufwand
Die Umsetzung der zahlreichen und sehr weitgehenden Anpassungen auf Basis des VAG und der AVO sei für die Versicherungswirtschaft mit grossem administrativen Aufwand verbunden, ergänzt der SVV in seinem Communiqué. Zu diesem Zweck hätte den Unternehmen ein Implementationszeitraum von mindestens einem Jahr zugestanden werden sollen. «Die verkürzte Frist wird der gebotenen Sorgfalt nicht gerecht», urteilt der Verbandsdirektor Urs Arbter.
Sowohl das revidierte VAG als auch die revidierte AVO weisen in diversen Bereichen Übergangsfristen auf.