Mit Ihrer Ernennung zum CEO Aon Schweiz Reinsurance will Aon das Reinsurance-Geschäft weiter stärken. Was ist damit gemeint?
Pasquale Taddeo: Wir wollen neue Geschäftswege gehen, neue Branchen und neue Geschäftsfelder angehen. So ist zum Beispiel der Bereich Lebens-Rückversicherung ein neuer wichtiger Bereich für uns. Das haben wir jetzt angepackt.
Pasquale Taddeo
Seit Oktober 2022 führt Pasquale Taddeo als neuer CEO die Aon Schweiz Reinsurance. Er stiess 2009 von Guy Carpenter zu Aon. Seit 2017 ist er Deputy CEO. Der Experte ist seit über 30 Jahren in der Versicherungsbranche tätig und verfügt insbesondere über fundierte Kenntnisse in der Rückversicherung.
Wie ist die aktuelle Situation bei Lebensversicherern?
Lebensversicherer in der Schweiz rückversichern sich zurzeit zum grossen Teil direkt bei den Rückversicherern. Makler spielen also im Moment noch keine grössere Rolle. Aber das wird sich ändern.
Aon ist in dieses Marktsegment bereits vor rund 28 Jahren eingestiegen und in diesem Bereich heute führend in Frankreich. Ebenso sind wir in den Niederlanden und anderen Ländern gut unterwegs. Auch in der Schweiz haben wir schon vor einiger Zeit das Potenzial erkannt.
Indem ein Rückversicherungsmakler involviert wird, entsteht eine neue, zusätzliche Konkurrenzebene.
Pasquale Taddeo
Welche Rolle will Aon künftig spielen im Segment Leben?
Wie im Nicht-Leben lassen sich die Portefeuilles auch im Leben-Geschäft modellieren. Wir geben den Lebensversicherern bei der Beurteilung der zu erwartenden Schäden und in der Strukturierung der Rückversicherungsprogramme eine neutrale Zweitmeinung.
Indem ein Rückversicherungsmakler involviert wird, entsteht eine neue, zusätzliche Konkurrenzebene. Diese wirkt sich positiv auf die Rückversicherungskonditionen und somit auf die Rückversicherungskosten aus.
Welchen Mehrwert bietet Aon für Kunden?
Als Spezialisten für Rückversicherungen modellieren wir die Kundenportfolios von Erstversicherern inklusive Schadenserwartung und Schadensszenarien. Wir erstellen Risikoanalysen und Kostenberechnungen. Dabei legen wir Wert auf eine neutrale Einschätzung.
Als wichtiger Broker haben wir Zugang zum weltweiten Rückversicherungsmarkt. Wir bieten eine neutrale Zweitmeinung zur Risikoeinschätzung und Struktur der Rückversicherungsprogramme. Auch verhandeln wir optimale Rückversicherungskonditionen und können dadurch oft eine Reduktion der Rückversicherungskosten erreichen. Wir dürfen nicht vergessen, dass eine Rückversicherung auch als Kapitalersatz fungiert.
Wie ist Aon Reinsurance Solutions in der Schweiz aufgestellt?
Vor rund 70 Jahren haben Londoner Rückversicherungsmakler in Basel die Anglo-Swiss Reinsurance Brokers AG gegründet. Diese wurden später von der Aon Corporation übernommen. Heute sind wir ein Geschäftsbereich der Aon Schweiz AG und führend im Rückversicherungsgeschäft.
Ein Grossteil der Versicherungsgesellschaften gehört zu unseren Kunden. Unser Team vor Ort ist hochqualifiziert und kann auf das gesamte Know-how von Aon weltweit zurückgreifen.
Aon ist mit acht Standorten in der ganzen Schweiz vertreten. Dies bietet Wettbewerbsvorteile.
Wie wichtig ist der Schweizer Markt für Aon?
Der hiesige Rückversicherungsmarkt ist mit 30 bis 40 Gesellschaften – darunter einigen grossen Key Playern – durchaus beachtlich für ein kleines Land. Das heisst: Als international aktiver Rückversicherungsmakler in der Schweiz vor Ort zu sein, hat Vorteile. Unsere Kunden wollen mit lokalen Menschen sprechen, am liebsten in ihrer Muttersprache. Aon ist mit acht Standorten in der ganzen Schweiz vertreten. Dies bietet Wettbewerbsvorteile.
Ist mit den zunehmenden Risiken ihr Geschäft schwieriger geworden?
Ja, durchaus. Aber es ist sicherlich auch interessanter und spannender geworden.
Erstversicherer müssen seit Jahresbeginn mit 29 Prozent weniger Basisprämie rechnen.
Wo erleben Sie Herausforderungen?
In der Elementarschadenversicherung hatten wir seit 2005 keine Schäden mehr, die die Rückversicherungen in wesentlicher Weise getroffen haben. Nach 17 Jahren Schadenfreiheit hat die Aufsichtsbehörde reagiert und niedrigere Basisprämien festgelegt, die ab 2023 wirksam sind. Das heisst, Erstversicherer müssen seit Jahresbeginn mit 29 Prozent weniger Basisprämie rechnen.
Gleichzeitig mussten Rückversicherer in den vergangenen Monaten grosse Schäden bezahlen. Ihre Kapazität, Risiken zu übernehmen, geht also generell zurück, die Prämien steigen. Der Markt sieht also momentan so aus, dass Erstversicherer weniger Originalprämien einnehmen und höhere Rückversicherungsprämien zahlen müssen. Das ist eine Herausforderung für alle Beteiligten.
Bei explodierenden Rückversicherungsprämien werden die vorhandenen Rückversicherungskapazitäten eher dort eingesetzt, wo mehr Geld zu verdienen ist.
Wie sind die Reaktionen auf die aktuelle Lage?
Bei explodierenden Rückversicherungsprämien werden die vorhandenen Rückversicherungskapazitäten eher dort eingesetzt, wo mehr Geld zu verdienen ist. Rückversicherer, die auf eine Retrozession in Retro-Märkten angewiesen sind, haben jetzt Mühe, ihre Risiken abzusichern. Wer eine Retrodeckung braucht, muss diese zu höheren Preisen einkaufen.
Umgekehrt setzen Rückversicherer ihre Kapazitäten eher bei Kunden ein, die zahlungsbereit sind. Das ist dann manchmal eine Frage der Grösse. Wir setzen uns allerdings dafür ein, dass Kunden notwendige Rückversicherungen zu marktgerechten Konditionen erhalten.
Das Geschäft mit der Rückversicherung von Risiken ist gleichzeitig auch ein Ausloten von Schmerzgrenzen
Was erwarten Sie für das Jahr 2023?
Im Rückversicherungsmarkt bewegt sich sehr viel. Die Dynamik wird in den kommenden Monaten sicherlich anhalten. Beeinflussende Faktoren, wie etwa der Krieg in der Ukraine, die Inflation und die Klimaveränderungen sind weiterhin aktuell. Das Geschäft mit der Rückversicherung von Risiken ist gleichzeitig auch ein Ausloten von Schmerzgrenzen: Wie viel kann oder möchte ein Kunde bezahlen, welche Risiken sollen eingegangen oder abgedeckt werden beziehungsweise an welchem Punkt findet sich ein Kompromiss.
Wir können nicht genau sagen, wo die Reise hingeht, da Vorhersagen aufgrund der hohen Volatilität schwierig geworden sind. Gleichzeitig suchen Versicherungsgesellschaften nach neuem Geschäft, das sich zu verträglichen Konditionen absichern lässt. Das sind viele Herausforderungen, denen sich unsere Kunden, die Rückversicherer und wir stellen müssen.
Was ist Ihnen wichtig in Ihrer Rolle als CEO Schweiz?
Unsere Kunden haben oberste Priorität. Wir begleiten diese so, dass sie die Kapazitäten erhalten, die sie wollen oder brauchen – zu Konditionen, die sie finanzieren können.
Was nimmt sich Aon Schweiz im Reinsurance-Bereich für die kommenden Monate vor?
Wir werden unter anderem im Bereich Leben wachsen. Dafür haben wir unser Personal mit Spezialwissen ausgebaut. Auch in den Segmenten Haftpflicht und Financial Lines haben wir personell aufgestockt. Da sehen wir auch Potenzial, mehr für die Versicherer tun zu können.