Mit der Generation Y verlagert sich das Geschäft zunehmend in digitale Kanäle. Wie reagiert Liechtenstein Life auf die Bedürfnisse junger Zielgruppen?

Aron Veress: Grundsätzlich ist und bleibt Vorsorgeberatung ein Vertrauensgeschäft. Etliche unserer Kunden bevorzugen die klassischen Methoden der Beratung. Gleichzeitig sehen wir in der Kundenbetreuung eine hohe Resonanz für digitalen Austausch. Wir versuchen also, mehrgleisig zu fahren. Auf Grundlage der klassischen Kanäle, insbesondere beim Abschluss, bauen wir eine komplett digitale Ebene mit Fokus auf Betreuung auf. Über eine Plattform können Kunden mit uns digital interagieren und auch mit ihrem Finanzberater online kommunizieren. Möglichst unkomplizierte Kommunikation ist uns wichtig und die Early-Adopters kommen auch in unserem Segment primär aus der jungen Generation. 

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Und in der Kundengewinnung?

Wir bezeichnen unsere Herangehensweise gerne als Hybridmethode. Denn wir setzen auch auf Chats und andere moderne und rasche Kommunikationswege, um potenzielle Interessenten anzusprechen. Dann folgt allerdings in den meisten Fällen ein individuelles Gespräch vor Ort mit dem Berater. Während des Beratungsgesprächs geht man auf die Bedürfnisse des Kunden oder der Kundin ein, wählt das richtige Produkt aus und stellt das Initial-Portfolio zusammen. 

Im Nachgang ist wiederum alles andere aus Perspektive des Kunden digital. Der Vertrag wird zum Beispiel auf dem iPad des Beraters unterzeichnet und eine Minute später ist der Antrag bereits unterwegs. Aktuell brauchen wir vom Beratergespräch bis zur digitalen Zusendung der Police rund 24 Stunden. Unsere Ambition ist es, auch diesen Prozess in den nächsten Monaten real-time abzubilden.

Wie wäre das vorstellbar?

Durch digitale Schnittstellen zu unseren operativen Prozessschritten. In den vergangenen zwei Jahren haben wir Connect, eine Restless-API gebaut, welche sowohl die von uns entwickelten Abschlussprozesse als auch externe Plattformen für die Anbindung verwenden können. Partner von Liechtenstein Life können die Schnittstelle zu uns nutzen, zum Beispiel Offerten zu rechnen, oder Policen digital zu empfangen.

Was halten Sie von Leads-Gewinnung in Ökosystemen?

Wir haben das analysiert und favorisieren Ökosysteme im Sinne des Cross-Sellings nicht. Unser Anspruch an Finanzberater, vor allem in der Anfangsphase einer Kundenbeziehung, ist sehr hoch. Wichtig ist es, die individuelle Situation der Kunden gründlich zu analysieren und im Nachgang über viele Jahre zu begleiten. Dies erfordert fundierte Fachkenntnisse. Das funktioniert nicht nebenher im Handel oder an der Kasse. Bei unserem Produkt ist es wichtig, dass Kunden persönlich betreut werden und der Berater oder die Beraterin Rede und Antwort steht, wenn Fragen auftauchen.

«Persönliche Beratung bleibt in unserem Feld wichtig.»
 

Wie wichtig bleibt künftig der Mensch in der Beratung?

Ich denke, wir werden noch lange parallel verfahren. Persönliche Beratung bleibt in unserem Feld wichtig. Daneben werden digitale Finanzberater und Technologie-Plattformen existieren und junge Leute vielleicht sogar Vertrauen in einen Algorithmus als Partner für Investment- Entscheidungen entwickeln.

Das kann funktionieren, wenn eine Plattform substanziell und nachhaltig ist und diese den Kundinnen und Kunden gute Empfehlungen geben kann. Wenn sie vertrauenswürdig sein will, dann muss diese Plattform den Kunden über viele Jahre hinweg begleiten bei Finanzentscheidungen. Ausnahmen bestätigen die Regel, dementsprechend ist die Hürde unseres Erachtens noch zu gross, einer Maschine vollumfänglich zu vertrauen. 

Es geht also in Zukunft vor allem um Vertrauenswürdigkeit?

Ja, auch in der digitalen Welt ist Vorsorge Vertrauenssache. Für den Kunden muss es transparent sein, wer sein Gegenüber ist, wem er seine Daten gibt und wie diese verwaltet werden. Aktuell ist Stand der Dinge, dass tatsächlich nur unabhängige Finanzberater in der Lage sind, ein echtes Vertrauensverhältnis zu Kunden aufzubauen.  

Wie akquiriert die Liechtenstein Life ihre Kunden? 

Wir arbeiten in der Akquise und Kundenbetreuung mit einem grossen Pool von rund 1000 unabhängigen Finanzberatern in Europa zusammen. 

Die Anforderungen der jungen Kunden nach mehr Convenience, Transparenz und Flexibilität in der Anlage von Vorsorgegeldern erfordern neue Strategien auf Seiten der Versicherer. Wie sehen diese bei Liechtenstein Life aus? 

In einer perfekten Welt streben wir als Versicherer nach Unsichtbarkeit. Ziel wäre es, über digitale Möglichkeiten - zum Beispiel über unser Portal - eine Effizienz herzustellen, dass Kunde und Broker miteinander schnell und unkompliziert Kontakt aufnehmen und gemeinsam die beste Lösung für das Anliegen des Kunden finden können. Viele Finanzinstitute stehen permanent zwischen diesen beiden Akteuren und wir haben nicht die Absicht, die «Stille Post» zu spielen.

Wie weit sind Sie dabei in der Umsetzung?

Recht weit, aber noch nicht ganz am Ziel. Dass Kunden statt eines Anrufs mit dem Broker direkt im Portal mit dem Broker chatten können, wäre der nächste Schritt. 

Wird es mit digitalen Möglichkeiten einfacher, sein Erspartes selbst online zu verwalten? 

In der Schweiz verwenden etwa vier Fünftel unserer Kunden unsere digitale App und haben so unkompliziert jederzeit Zugriff auf Informationen. 20 Prozent unserer Kunden bevorzugen klassische Wege der Information – sprich die postalische Kommunikation.

 «Früher anzufangen mit dem Sparen, ist eine gute Idee.»

 

Wie sollen jüngere Menschen ihre Vorsorgegelder heute anlegen, um fürs Alter abgesichert zu sein?

Zunächst, früher anzufangen mit dem Sparen, ist eine gute Idee. Damit appelliere ich nicht nur an junge Erwachsene sondern auch an junge Eltern. Für den Nachwuchs lässt sich mittlerweile bereits vor dem 18. Lebensjahr eine adäquate Absicherung abschliessen.

Tendenziell macht ein Investment in die Kapitalmärkte sehr viel Sinn; wie private Vorsorge generell. Hier verweise ich gerne auf eine Langzeitstudie der London Business School, wonach Equity Markets über eine lange Frist immer einen Wertzuwachs erbracht haben. Vorsorge an den Kapitalmärkten ist eine richtige Strategie. Relevant bleibt, die Volatilität im Auge zu behalten: Am Anfang der Vorsorgephase, in jungen Jahren, kann eine höhere Volatilität in Kauf genommen werden. Das sollte mit zunehmendem Alter graduell abgebaut werden.

Wie flexibel ist Liechtenstein Life bei der Fondsauswahl?

Unser Ziel ist es, Investments gezielt in Themenbereiche zu ermöglichen, die für die Welt der Zukunft wichtig sind. Bei Liechtenstein Life stehen momentan 400 Fonds zur Auswahl, die für den europäischen Retailmarkt zugelassen sind – Tendenz steigend.

Das Produkt «yourlife netto plus» bietet als eine fondsgebundene Rentenversicherung ein optionales Rebalancing. Was bedeutet «optionales Rebalancing» und was bringt das für die Vorsorge?

Vorläufig handelt es sich hierbei um ein spannendes Produkt für den deutschen Markt, das wir in der Schweiz aktuell nicht anbieten. Das Produkt hat viele spannende Features, aber konkret zum Rebalancing: Man kann natürlich einen Mischfonds, aber auch mehrere Fonds nach eigener Präferenz wählen. Einmal im Quartal gibt es einen Abgleich, wie die Entwicklung verläuft. Der Algorithmus macht dann ein automatisches Rebalancing und stellt die ursprüngliche Gewichtung durch Kauf und Verkauforders wieder her. Für unsere Produkte in der Schweiz werden wir diese Lösung zukünftig auch ermöglichen.

Wie antworten Sie mit neuen Produkten auf Faktoren wie längere Lebenserwartung oder Trends wie «second career» und Selbständige, bei denen sich die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben immer mehr verschieben?

Die private Vorsorge, also die 3. Säule, wird künftig wichtiger werden – insbesondere, weil sie transparent und viel flexibler ist als die 2. Säule, in der Politik und Arbeitgeber auch noch mitspielen. Man kann die Veranlagung nach eigenen Vorstellungen so gestalten, wie das eigene Leben gerade aussieht. Wer ein Sabbatical plant oder eine Selbständigkeit, kann das Produkt auch pausieren, flexibel Prämienerhöhungen oder -reduzierungen vornehmen.

Das Thema kommt spätestens immer dann auf, wenn Kunden aus der Schweiz wegziehen und im Ausland arbeiten oder im Ausland in Rente gehen. Die Schweiz hat mit einer gut ausgestatteten 3. Säule ein sehr attraktives Vorsorgemodell, die zudem noch von Steuerabzügen profitiert.
 

Dieser Interview ist erstmals erschienen im Vorsorge Guide 2022/2023.

Die komplette Ausgabe des Vorsorge Guides 2022/2023 können Sie hier bestellen:
https://shop.handelszeitung.ch/vorsorge-guide-2022-2023 

Vorsorge Guide 2022/2023

Der «Vorsorge-Guide» untersucht aktuelle Trends mit Blick auf die Digitalisierung, gibt Tipps zum sinnvollen Sparen für das Alter und zeigt auf, weshalb die junge Generation anders für die Rente plant.

Infos zum Produkt

Mit dem Vorsorge Guide 2022/2023 bieten wir umfangreiche Hintergrundinformationen zur Vorsorgelandschaft Schweiz. Wir sprechen mit Experten über den Zustand der beruflichen Vorsorge, zeigen kommende Herausforderungen und Zukunftsperspektiven der Pensionskassen auf, geben Tipps für den lebenslangen Sparprozess in der privaten Vorsorge und bieten Einblick in hybride Beratungsmodelle der Zukunft.

Hier der Link zum Vorsorge Guide 2022/2023