Herr Weber, als Zentralpräsident der Vereinigung der diplomierten Versicherungsfachleute ASDA haben Sie sich seit jeher für eine enge Zusammenarbeit der Berufsverbände der Finanz- und Versicherungsbranche ausgesprochen. Wieso eigentlich?
Beide Verbände verfolgen die gleichen Ziele: Sie stehen für das «fachliche Gewissen» in der Finanzdienstleistungsindustrie ein. In Zeiten der Veränderungen ist es wichtig, dass das Handwerk verstanden wird und mit in die Entscheidungsfindungen einfliessen kann.
Die Versicherungsbranche ist von der Natur her eng mit der Finanzplanerbranche verbunden, denn Versicherungen sind ein Teil der Finanzplanung. Somit ist es wichtig, dass man Brücken auch beim Fachwissen schlägt.
Mein Kritikpunkt: Mit einheitlichen Zielsetzungen werden die einzelnen Vereinigungen auch austauschbarer und verlieren an Profil – und längerfristig vermutlich auch Mitglieder.
Jedes Produkt, jede Dienstleistung ist grundsätzlich kopierbar und austauschbar. Wenn man aber nur noch kopiert und sich nicht für den Kern einsetzt, dann verliert man an Profil. Wer sich unabhängig von den Gesellschaftsinteressen für Mehrwerte bei den Endkunden und auch bei den Beratern einsetzt, gewinnt hingegen an Profil. Ob es in der langen Zukunft noch so viele Verbände in der schweizerischen Landschaft benötigt, ist wirklich noch offen. Dies ist aber ein langer Prozess, der aktiv begleitet werden muss.
«Die beiden Verbände, der FPVS und der SFPO, haben eine bewegte Geschichte.»
Wenn ich mich recht erinnere, hatten Sie vor allem für einen Zusammenschluss der SFPO Swiss Financial Planner Organization und der Swiss Certified Financial Consultants SCFC – die Sie ebenfalls beide präsidieren – mit dem Finanzplaner Verband Schweiz FPVS plädiert. Was ist aus diesen Plänen geworden?
Die beiden Verbände, der FPVS und der SFPO, haben eine bewegte Geschichte. Sie sprachen das gleiche Zielpublikum an und haben in etwa die gleichen Ziele verfolgt. Weiter verfügten sie über jeweils eine eigene Infrastruktur und Kommunikation.
In einem ersten Schritt haben sich die beiden Verbände so geeinigt, dass sie eine eigene Trägerorganisation, den SCFC, als Verein gründen. Dies mit dem Ziel, operative Dienstleistungen wie Sekretariat und Infrastruktur zusammen zu betreiben. Der FPVS konzentrierte sich als Mitgliederorganisation mit Mehrwerten gegenüber den Mitgliedern und die SFPO als reine Lizenzträgerorganisation und Qualitätsprüfungsorganisation.
Der SCFC als Dienstleistungsorganisation erneuerte mit dem ASDA die IT-Infrastruktur und das Web. Dies hat sich sehr bewährt, da so Kosten gesenkt wurden und die Mitglieder eine Anlaufstelle haben.
Wo lagen und liegen die Synergien?
In der klaren Positionierung der beiden Verbände: FPVS – Mitgliederorganisation; SFPO – Lizenzträgerorganisation. Beide fokussieren sich auf ihre Kernwerte. Der FPVS hat die eigenen Lizenzen in den SFPO übergeben und der SFPO hat die Mitgliederorganisation in den FPVS übergeben. Dies schafft Klarheit gegenüber den Mitgliedern, aber auch gegenüber anderen Organisationen und Behörden.
«Wir müssen unsere Mitglieder in die digitale Welt begleiten und aufzeigen, dass eine hybride Lösung einen Mehrwert für alle bringt.»
Mit der Vereinigung der diplomierten Versicherungsfachleute ASDA präsidieren Sie den grössten Berufsverband der Schweizer Versicherungswirtschaft. Mit welchen Herausforderungen schlagen sich der Verband und dessen Mitglieder derzeit herum?
Wichtige Herausforderungen sind die Aus- und Weiterbildung und die permanente Vernetzung mit anderen Verbänden und Organisationen. Wir müssen unsere Mitglieder in die digitale Welt begleiten und aufzeigen, dass eine hybride Lösung einen Mehrwert für alle bringt. Nur so können wir uns auch verjüngen und weitere Mitglieder gewinnen.
Mit den 13 regionalen Sektionen in allen Landesteilen verfügt die ASDA über ein nationales Netzwerk. Stellen Sie unterschiedliche Prioritäten in den einzelnen Sprachregionen fest?
Ja, jede Region und jede Sprachregion hat ihre Eigenschaften. Die Anforderungen und Bedürfnisse hängen auch sehr stark davon ab, welche Bedürfnisse die lokale Sektionspräsidentin resp. die lokalen Sektionspräsidenten haben.
Für die Romandie ist es sehr wichtig, dass wir in diesen Regionen auch Angebote in der eigenen Sprache führen. Der in französischer Sprache verfasste Newsletter von HZ Insurance mit dem regionalen Bezug unterstützt die Region Romandie dabei sehr stark. Es ist auch schön, dass für die italienisch sprechenden Mitglieder Artikel in ihrer Sprache verfasst werden. An dieser Stelle gerne ein Dankeschön an die Unterstützung durch HZ Insurance.
Herr Weber, vielen Dank für Ihr positives Feedback! Wir werden gerne auch weiterhin die Sprachregionen mit Fachartikeln in der entsprechenden Landessprache ansprechen.
Kehren wir zurück zu Ihnen und Ihrem Verband. Wie schwierig ist es in der heutigen Zeit, aktiven Verbandsnachwuchs zu gewinnen?
Es ist nicht einfach, den Nachwuchs zu gewinnen, da es heute nicht mehr immer «in» ist, sich für eine Sache zu positionieren und zu engagieren. Wir holen die Jungen direkt bei den Fachausweisen und bei der höheren Fachschule für Versicherung ab, wo unsere Mitglieder auch einen grossen Teil der Dozenten stellen.
«Die Ausbildung in der Assekuranz hängt stark vom Miliz-System ab.»
Sie liefern mir die Vorlage für die nächste Frage: ASDA-Mitglieder sind vielfach auch als Prüfungsexperten aktiv. Können Sie diese wertvolle Tätigkeit auch in Zukunft aufrechterhalten?
Ja, die Zusammenarbeit mit dem VBV ist sehr gut und wir verfolgen alle das gleiche Ziel. Wichtig hier ist, dass die erfolgreichen Absolventen der Prüfungen rasch eingebunden werden und so auch die andere Seite erleben können.
Die Ausbildung in der Assekuranz hängt stark vom Miliz-System ab. Dies hat sich bewährt, dadurch schaffen wir den Bezug zur Praxis und auch die Verbundenheit zur Branche.
Wechseln wir das Thema: Hauptberuflich sind Sie Co-CEO der Softwareboutique alabus ag. Neben Versicherern zählen Sie viele Brokergesellschaften zur Kundschaft. Aus Ihrer Sicht: Wachsen Versicherer und Broker wenigstens IT-mässig zusammen?
Ich bin überzeugt, dass der Austausch von Informationen und Prozessen zwischen Versicherern und Brokern, auch mit neuen Technologien, weiter voranschreitet. Nur so können beide von Effizienzgewinnen profitieren und die frei werdenden Ressourcen in die Kernprozesse «Risikozeichnen und Schadenregulierung» wie auch in «Kundenbegleitung/Beratung» investieren. Mit dem Verein IG B2B und dessen Initiativen haben wir bereits eine gute Grundlage. Es geht nun darum, diese Arbeiten weiterzutreiben und die Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Hier bin ich überzeugt, dass wir mit dem gemeinsamen Verständnis und der gemeinsamen Arbeit diese Mehrwerte umsetzen können.
Wie beurteilen Sie die Chance, dass sich kleinere Anbieter von Versicherungs- und Brokersoftware gegenüber der grossen internationalen Konkurrenz behaupten können?
Hier ist es wichtig, welches Geschäftsmodell verfolgt wird. Die kleineren Anbieter müssen sich mehr auf Nischenfunktionen und Speziallösungen konzentrieren und nicht per se versuchen, die grossen zu kopieren. Der Vorteil von kleineren Anbietern ist, dass diese beweglicher unterwegs sind und nicht von umfassenden Strategien und Overheads gebremst werden. Die Innovation spielt hier eine wichtige Rolle für eine starke Positionierung.
Das Eindringen von grossen IT-Providern in den Schweizer Markt ist nicht so einfach, da die Lösungen sehr stark auf den eigenständigen Markt Schweiz ausgelegt sind und mit internationalen Standards nicht abgedeckt werden können.
Bisher dachte ich, dass für Kleine nur die Spezialisten-Nische erfolgreich sein kann; alabus ist aber ein Hersteller von Standardsoftware. Bei der Erzielung von Skaleneffekten können Sie den Giganten doch nie das Wasser reichen. Was ist also Ihr Geheimnis?
Die alabus ag – à la carte Business Solution – positioniert sich mit sogenannten individuellen Standardlösungen und geht so auf die Bedürfnisse der Kunden ein. Dabei muss der Standard so aufgebaut sein, dass dieser modular mit anderen Systemen, auch ausserhalb der Lösung, kommunizieren kann. Wir setzen dort an, wo Kernsysteme zu wenig flexibel sind und ergänzen diese optimal.
Unser Erfolgsrezept ist es, dass wir bestehende Standards nutzen und auf diesen aufbauen. Wir wollen nicht kopieren und etwas nachbauen, das es schon gibt. Wir binden mögliche Komponenten ein und erweitern, um damit Mehrwert zu generieren. Dies bedingt, dass wir uns permanent mit den neuen Technologien auseinandersetzten und diese für die Lösungen nutzen.
Wie sehen Ihre aktuellen Pläne aus?
Aktuell sind wir am Aufbau eines «Digitalen Immobiliendossiers, DIGIM» ohne damit eine zentrale Datenbank zu etablieren; sprich, wir gehen weg von der zentralen Datenhaltung hin zur Variante, die diversen dezentralen Partner miteinander zu vernetzen, und nutzen in diesem Zusammenhang die Möglichkeiten der Blockchain-Technologie. Dies mit dem Ziel, dass ein Immobilieneigentümer jederzeit auf alle seine Informationen und Daten zugreifen kann und diese auch aktiv mit anderen teilen bzw. für andere sichtbar machen kann und die jeweiligen Marktteilnehmer – wie Banken, Versicherungen, Handwerker, Grundbuchamt, Verwaltungen etc. – ihre Prozesse entsprechend optimieren können.
Dies ist klar ein Innovationsprojekt, wir sind aber überzeugt, dass man mit einem solchen Lösungsansatz weitere Themen bearbeiten kann, wo mehrere Partner miteinander Informationen und Prozesses sicher, verlässlich und transparent austauschen wollen.