Schweizer Top-Versicherer haben die COVID-19 Krise auch auf der Distributionsseite überraschend gut überstanden und nur geringfügige, kurzfristige Rückgänge in den Prämienvolumen verzeichnet. Wesentliche Erfolgsfaktoren waren die Flexibilität des Aussendienstes sich auf digitale Beratungsangebote einzulassen und der Fokus auf die aktivere Bestandsbearbeitung. Nun gilt es die erzielten Erfolge in den Bereichen Digitalisierung und Bestandsbearbeitung nachzuhalten und weiterzuentwickeln.

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Die Autoren der Studie

Dr. Gero Matouschek, Partner bei Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, für digitale Transformationen im Bereich Financial Services in Europa sowie Lead Partner für Strategieberatung in der Versicherungsindustrie im Europäischen PwC Netzwerk.

Christian Lippke, Manager bei Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, in der Schweiz und Teil der Praxisgruppe Financial Services.
 

Drei Archetypen von Omnikanalansätzen bilden sich heraus

Nachdem alle Schweizer Top-Versicherer in den letzten Jahren ihre Bestrebungen nach einer holistischen Omnikanalstrategie intensiviert haben, bilden sich nun drei Archetypen an Omnikanalansätzen heraus. Diese unterscheiden sich im Wesentlichen in der Art der Rolle der Generalagentur im Omnikanalansatz – ist diese zentraler Orchestrator aller Vertriebskanäle oder gleichgestellt zu den alternativen Vertriebswegen?

Variante 1: GA-zentrierter Omnikanal Ansatz

  • Generalagent ist zentraler Kundenverwalter
  • Kunden werden unabhängig vom Akquisekanal einer GA zugeschlüsselt

Variante 2: Segmentierter Omnikanal Ansatz Vertriebskanäle

  • Generalagentur und Direktkanal als parallele Anlaufstellen für Kunden
  • Orchestrierung und Steuerung übriger Kanäle, um Überleitung von Kunden mit höherem Potenzial auf die Generalagentur bzw. mit weniger hohem Potential auf den Direktkanal zu gewährleisten

Variante 3: Abgegrenzter Omnikanal Ansatz

  • Vertriebskanäle inkl. GA-Kanal gleichgestellt
  • Keine Priorisierung unterschiedlicher Vertriebskanäle, die Gewichtung der Kanäle erfolgt auf Basis unterschiedlicher Kundenbedürfnisse
  • GA tritt als voll ausgeprägter Hybrid-Kanal mit physischem und digitalem Angebot auf

Ambition aktuelle Entschädigungssysteme grundsätzlich weiterzuentwickeln

Die erfolgreiche Bestandsbearbeitung während der COVID-19 Krise hat gezeigt, was im Aussendienst grundsätzlich möglich ist, nachdem man lange vergeblich versucht hat, eine aktive Bestandsbearbeitung und die damit verbundene Kundenloyalisierung voranzutreiben – dies bringt neue Dynamik in die Diskussion rund um alternative Steuerungsgrössen wie Profitabilität, Qualität und Cross-Selling. 

Die Schweizer Top-Versicherer kommen allerdings allmählich zu dem Schluss, dass die bestehenden Entschädigungssysteme in Bezug auf Komplexität an ihre Grenzen stossen und weitere punktuelle Adjustierungen daher kaum abzubilden sind. Eine grundsätzliche Weiterentwicklung und Neuorientierung des Entschädigungssystems erscheint daher immer wahrscheinlicher und wird trotz der damit verbundenen Risiken von Versicherungen in Erwägung gezogen.

Bedeutungsveränderung der Generalagentur

Die Rolle der Generalagentur bewegt sich von einer physischen Verkaufsinstanz hin zu einem digitalen Orchestrator in einer Omnikanalstrategie.

Kernerkenntnisse zur Rolle der Generalagentur im Vertrieb

  • Generalagentur der Zukunft: Generalagenturen digitalisieren sich weiter – insbesondere in Bereichen der datengetriebene Kundenbearbeitung und neuen, digitalen Interaktionsformaten zwischen Berater und Kunden.
  • «Omnikanal»-Strategie: Verschiedene Ansätze einer Omnikanalstrategie bilden sich heraus – Generalagenturen als wichtiger Vertriebskanal spielen eine zentrale Rolle in allen identifizierten Omnikanalarchetypen
  • B2B2C-Partnerschaften stellen weiter wichtigen Kanal mit starkem Wachstums- und Differenzierungspotential dar

Kernerkenntnisse zum Führungs-/Unterstützungsmodell im Generalagentur-Kanal

  • Gesteigerter Orchestrierungsaufwand: Mehrere Vertriebskanäle veranlassen Versicherer stärkeren Einfluss auf Generalagenturen ausüben
  • Insgesamt weiterhin nur leichter Einfluss seitens zentraler Vertriebsorganisationen – Generalagenturen als eigenständige Unternehmer mit hoher Eigenständigkeit und Wunsch nach niedriger Fremdsteuerung
  • Pflege des Generalagentur-Netzwerks erfolgt selten systematisch – zentrale Unterstützung und Intervention zielen oft auf einzelne Agenturen ab

Kernerkenntnisse zum Anreiz-/Entschädigungssystem im Generalagentur-Kanal

  • Entschädigungssysteme weiterhin stark abschluss- und bestandsorientiert – Cross-Selling gewinnt als weitere Komponente im Rahmen einer aktiveren Bestandsbearbeitung an Bedeutung
  • Versicherer planen qualitative Faktoren wie z.B. Beratungsqualität künftig in Vergütung einfliessen zu lassen – eine breite Berücksichtigung dieser Grössen in Entschädigungssystemen steht noch aus
  • Abbildung eines Omnikanalansatzes stellt Herausforderung dar – Zusammenspiel verschiedener Kanäle in Omnikanalansatz macht weitere Anpassungen am Entschädigungssystem nötig (z.B. Etablierung von Lead Fees)

Nachhaltigkeit und B2B2C-Partnerschaften als zukünftige Top-Themen

Die Studie zeigt auch auf, dass Nachhaltigkeit im ESG-Kontext Einzug in die Schweizer Distributionsorganisationen hält: Die steigende Nachfrage und Relevanz auf Kundenseite erfordern einen systematischen Ansatz auf Seiten der Versicherer, diese zu bedienen und das Potenzial zu realisieren. Insbesondere geht es um die Entwicklung einer Angangsstrategie (Zielkunden, Zielprodukte- und -services, aktive Begleitung der Nachhaltigkeitstransformation der Kunden). Zusätzlich gilt es, Herausforderungen zu überwinden, ein stringentes Bild über die ganze Organisation hinweg abzugeben, das dem Nachhaltigkeitsansatz gerecht wird und nicht im Widerspruch steht, um das volle Potenzial zu realisieren.

Partnerschaften und Ökosysteme als Wachstumstreiber: B2B2C Ansätze gewinnen weiter zunehmende Bedeutung  – und sind ein wesentlicher Schlüssel zu weiterem Wachstum im gesättigten Schweizer Versicherungsmarkt. Auch hier gilt es die existierenden Partnerschaftsansätze zu systematisieren und über konventionelle Angebote im KfZ-Bereich hinaus weiterzuentwickeln.