Die MSG-Gruppe macht mehr als die Hälfte des Umsatzes von rund 1.3 Milliarden Euro im Versicherungsgeschäft – weshalb diese Fokussierung?

Einerseits weil es bei den Versicherern seit Anbeginn unseres Unternehmens immer schon einen hohen IT-Bedarf gab und wir mit der Branche gross geworden sind.

Andererseits differenzieren wir uns dadurch von den Mitbewerbern, dass wir nicht nur IT-, sondern auch Branchenspezialistinnen beschäftigen. Wir sind fachlich sehr tief in der Assekuranz drin. Unter den rund 10’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind 5’000 Versicherungsexperten. Davon mehrere hundert Aktuare für alle Sparten sowie Medizinerinnen und Mediziner in der Krankenversicherung. Dadurch müssen unsere Kunden uns nicht erklären, wie ihr Geschäft funktioniert. Das ist in der Versicherungsbranche, die per se komplexer ist als andere Branchen, sehr gefragt. Zudem denken wir als Familienunternehmen langfristig und nachhaltig, genau wie die Versicherer.

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Der Gesprächspartner

Jürgen Zehetmaier ist seit 2020 im Vorstand der international agierenden Unternehmensgruppe MSG und seit Januar 2023 Vorstandsvorsitzender. In dieser Rolle verantwortet er u.a. die Brancheneinheit Automotive & Manufacturing und, gemeinsam mit den Vorstandsmitgliedern Rolf Kranz und Dr. Andrea van Aubel, die Brancheneinheit Insurance.

Der vierzigjährige Betriebswirt kam 2013 nach beruflichen Stationen u.a. im internationalen Beratungsumfeld in die inhabergeführte Unternehmensgruppe. Obgleich Zehetmaier aus einer der drei Gründerfamilien stammt und somit bereits eine enge Verbindung zu MSG hatte, war der Weg ins Unternehmen keinesfalls vorbestimmt. Vielmehr haben den IT-Begeisterten die innovativen Technologie-Themen und die Vielfalt an Branchen zur  Gruppe (zurück)-geführt.

Die Branche befindet sich aktuell massiv im Umbruch. Wodurch unterscheidet sich die aktuelle Transformation von früheren Veränderungen?

Die aktuelle Transformation befindet sich in einer anderen Evolutionsstufe, als die vorangegangenen Veränderungen. In den 70er Jahren gehörte die Versicherungsbranche zusammen mit den Banken zu den ersten, die IT-Systeme implementiert hatten. Diese Systeme sind nun in die Jahre gekommen. Viele Unternehmen arbeiten zudem mit Eigenentwicklungen, weil es damals noch kaum Standardsoftware gab. Heute bieten wir Standardlösungen für beinahe alle Bereiche der Versicherungsindustrie an.

Das bedeutet: Wir müssen unsere Kunden einerseits dabei unterstützen, die bestehenden Systeme noch eine gewisse Zeit weiterzubetreiben und andererseits zeitgemässe Back- und Frontend-Systeme entwickeln und installieren.

Und wie steht es mit der Konkurrenz durch Insurtechs?

Der Kunde erwartet heute auch von einem gestandenen Versicherer, dass dieser sein Problem mit drei Klicks lösen kann. Dafür braucht es kundenfreundliche Frontend-Systeme. Solche haben mittlerweile viele Versicherer. Allerdings reicht das noch nicht aus. Auch Insuretechs fokussieren sich oftmals auf Prozesse im Frontend. Viele Versicherer und  auch Insurtech-Start-ups bieten schöne Frontends, doch die Daten, die rein kommen, werden nach wie vor in Teilen manuell verarbeitet. Damit erreicht man nicht die gewünschte Effizienz und kann das Geschäftsmodell auf Dauer nicht wie gewünscht skalieren. Ziel muss es sein, die End-to-End-Prozesse vollautomatisiert hinzubekommen. Bis es soweit ist, müssen die Versicherer in ganz Europa weiterhin noch viel investieren.

Ein grosser Versicherer hat gut und gerne ein paar 100 Systeme

Weshalb geht diese Veränderung derart schleppend voran?

Erstens ist die Wegstrecke dahin sehr lang und zweitens haben die Gesellschaften wie eingangs erwähnt sehr viele Altbestände in den Systemen, die auf neue Systeme migriert werden müssen. Das ist nicht nur kosten-, sondern vor allem auch zeitintensiv.

Von wie vielen Systemen sprechen wir da?

Ein grosser Versicherer hat gut und gerne ein paar 100 Systeme, die sich über die Zeit angesammelt haben. Diese sind alle miteinander verwoben und es kostet viel Zeit, sie auf den neuesten Stand zu bringen. Zudem müssen viele Schritte auch vom Regulator begutachtet und genehmigt werden - auch das kostet viel Zeit.

Ein stiller Riese

Die MSG-Gruppe bietet seit 43 Jahren auf die individuellen Kundenbedürfnisse zugeschnittene Consulting- und IT-Lösungen für 12 Branchen. Eine der wichtigsten Branchen ist für das Beratungshaus die Versicherungswirtschaft. Das Leistungsspektrum für die Erst- und Rückversicherungsindustrie deckt die fachliche und technische Beratung sowie den gesamten Software-Lebenszyklus ab – von der fachlichen und technischen Beratung über die Planung, Durchführung und Einführung von Softwareprojekten bis hin zur Wartung und Weiterentwicklung von Software-Systemen.

Das Familienunternehmen ist vollumfänglich eigenfinanziert und baut auf Branchenexpertise und Unternehmergeist. Das Unternehmen erzielte 2022 einen Umsatz von rund 1,3 Milliarden Euro und beschäftigt mehr als 10’000 Mitarbeitende in 32 Ländern, darunter auch in der Schweiz.

Die Schweiz ist für MSG ein wichtiger Standort in der DACH-Region. Die Gruppe ist bereits seit 1996 mit einer eigenständigen Landesgesellschaft an mehreren Schweizer Standorten vertreten, die sich hauptsächlich auf die Versicherungsbranche fokussieren. Weitere Branchen deckt die MSG in der Schweiz mit Tochterfirmen ab, darunter den Bankenbereich mit dem Gruppenunternehmen Finnova oder die Food-Branche mit dem SAP-Spezialisten Softproviding. (sec)

Die Transformation besteht ja nicht nur aus technischen Aspekten, sondern auch aus menschlichen. Welchen Hürden begegnen Sie?

Der Mensch mag Veränderungen oftmals nicht so gerne… Nach der Implementation eines neuen Systems geht die Produktivität am Anfang meistens runter. Danach steigt sie aber laufend an. Kommt hinzu, dass die Versicherungsunternehmen per Definition risikoavers sind – das gilt auch für viele der Menschen, die bei Versicherern  arbeiten. Umso wichtiger ist es, dass man die Menschen mitnimmt und ihnen auch die Chancen der neuen Systeme aufzeigt. Gerade den Verkaufsmitarbeitenden muss man klar machen, dass die Beratung nicht verschwinden wird. Vor allem im Kranken- und Lebensversicherungsbereich kaufen die wenigsten Kunden ein Produkt mit zweimal Knopfdrücken. Wir glauben nicht, dass einzelne Vertriebswege aussterben, sie werden einfach mehr Hand in Hand gehen und stärker technisch unterstützt werden.

Die KI wird immer qualifiziertere Leistungen erbringen

Apropos Kundenkontakt. Wohin geht die Reise in Sachen Automatisierung durch Chatbots und KI?

Diese bringen enorme Möglichkeiten für die Versicherer. Daher bieten wir für unsere Systeme auch Chatbots an. Wichtig ist, dass diese multichannelfähig und sprachlich versiert sind sowie mehrere Sprachen sprechen. Zentral ist, dass der Bot die Business Regeln versteht, d.h. diese auch entsprechend eingebunden bzw. hinterlegt sind. Nur so wirkt er intelligent.

Die KI wird aufgrund der immer grösser werdenden Rechenkapazitäten immer qualifiziertere Leistungen erbringen. Wir glauben, dass die Rechenpower nicht normal ansteigen wird, sondern exponentiell. Damit steigt die Leistungsfähigkeit der KI im gleichen Masse. Das wird Auswirkungen auf die Branche haben, Angst ist aber fehl am Platz. Wir sehen umgekehrt viele Chancen.

Entwickeln sie diese Bots inhouse oder kaufen sie sie zu?

Wir haben vor drei, vier Jahren ein Start-up gekauft, das einen tollen Voice- und Chatbot hatte und die Technologie an unsere Systeme angebunden bzw. integriert. Mit dieser Technology können wir auch Businessregeln hinterlegen und eine zielgerichtete Verarbeitung der Anfragen sicherstellen. Wir haben damit zum Beispiel den Kreditantragsprozess bei einer deutschen Bank umgesetzt. Seither laufen die Kredite zu rund 80 bis 90 Prozent vollautomatisch durch.

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