Philipp Kaupke, Senior Director beim Beratungsunternehmen Simon & Kucher Partners in Zürich, ist fest davon überzeugt, dass die Blockchain auch für den Versicherungssektor enormes Transformationspotenzial und einen hohen Mehrwert für Kunden und Versicherer bietet. «Langfristig wird sie deren heutiges Geschäftsmodell auf den Kopf stellen», glaubt Kaupke. Für ihn ist eine Vielzahl von Anwendungen denkbar, wie Datenverarbeitung, Pricing, Forderungsmanagement, aber auch Mikroversicherungen. Viele Prozesse und Versicherungsprodukte könnten mit der Blockchain nicht nur automatisiert und so für den Kunden einfacher, schneller und günstiger gestaltet werden, sondern eben auch (fälschungs-)sicherer. 

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Die Rolle der Smart Contracts

Die Technologie ermöglicht eine direkte Verbindung zwischen Versicherung und Kostenstelle, ohne den Versicherungsnehmer als Mittelsmann einspannen zu müssen. Zentral dabei sind Smart Contracts, programmierte und unveränderliche Codes, die beim Eintreten einer oder mehrerer vorab definierter Bedingungen eine Transaktion auslösen. Als Beispiel nennt Kaupke in der Reiseversicherung Policen, die via Smart Contract mit einer Flugdatenbank verknüpft werden. Wird ein Flug annulliert, validiert der Smart Contract der Versicherungspolice den Flugausfall und initiiert eine Entschädigungszahlung an den Kunden. Die Blockchain gekoppelt mit dem Bordcomputer eines Autos wiederum könnte Schäden registrieren, die Versicherungsgesellschaft informieren, und gleichzeitig würde eine Zahlung autorisiert. Das Leistungsversprechen gegenüber dem Kunden steigt, der Versicherer spart Zeit und Kosten.

Keine allerhöchste Priorität bei Versicherern

«Beide Beispiele verdeutlichen das Potenzial, das die Technologie allein durch die Automatisierung vieler Prozesse beinhaltet», erklärt Kaupke. Die Vorteile erkennt man bei den Versicherern, die Blockchain geniesst aber nicht höchste Priorität. Die Mobiliar bestätigt den Eindruck, dass es um das Thema in der Branche ruhiger geworden ist, man verfolge aber die Entwicklung und mögliche Einsatzgebiete mit Interesse. Auch Helvetia-CTO Achim Baumstark konstatiert, dass die Adaption der Blockchain-Technologie in der Versicherungswirtschaft zurückhaltend verläuft. «Die Blockchain hat bei der Umsetzung unserer IT-Strategie nicht allerhöchste Priorität. Wir verfolgen jedoch die Weiterentwicklung im Rahmen unseres internen Trendradars. Im Markt beobachten wir, dass die Blockchain-Technologie vornehmlich zur Koordination innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerks der Versicherungswirtschaft zur Anwendung kommt», sagt Baumstark. 

Baloise mit Testprojekt

Alexander Bockelmann, CTO der Baloise Group, erklärt, Blockchain und Distributed-Ledger-Technologien seien auf dem Stand einer Technologieoption unter anderen angekommen. Durch Blockchain erwarte man mittelfristig für Versicherungen keine Disruption. Die Basler haben bereits 2017 ein Testprojekt realisiert, in dem es um die effiziente Abwicklung von Freizügigkeitsleistungen ging. Bockelmann dazu: «Wesentliche Erkenntnisse beinhalteten, dass Effizienzgewinne nur entstehen, wenn auch resultierende Zahlungen inkludiert werden. Dies erfordert einen Krypto-Franken, weitverbreitete digitale Identitäten und weitere Rahmenbedingungen. Dazu steigt der Mehrwert, je mehr Partner und Wettbewerber in einem Netzwerk eine solche Lösung verwenden. Aktuell sehen wir in den meisten Bereichen alternative Technologien noch als effizientere Lösungen an.» 

Im B2C-Bereich erkenne man für die gängigen Produkte keine Vorteile, sagt Bockelmann, ergänzt aber: «Mit steigender Vernetzung und Sensorik und somit Datenverfügbarkeit könnten automatisierte, parametrische Versicherungsprodukte auf Blockchain-Basis in der Zukunft eventuell eine Rolle spielen, wenn der gesamte Lebenszyklus der Versicherung hierdurch automatisiert und kundenfreundlich umgesetzt werden kann.» 

Helvetia mit Rita und Adresta

Die Helvetia hat 2020 die Blockchain-basierende Lösung RITA zur Automatisierung der Abrechnungsverarbeitung in der Rückversicherung eingeführt. Ausserdem ist aus dem Helvetia-Kickbox-Programm das eigenständige Startup Adresta entstanden. Dieses bietet eine Lösung, mit welcher mittels Blockchain-Technologien die Echtheit einer Uhr und ihr rechtmässiger Eigentümer belegt werden kann.

Alternative Technologien noch effizienter

Helvetia-CTO Baumstark sieht weitere Anwendungsfälle in der effizienten Abwicklung von unternehmensübergreifenden Prozessen zwischen Versicherern, Kunden und Dienstleistern bzw. weiteren Leistungserbirngern als Teil von Ökosystemen, die über Versicherungsleistungen hinausgehen. «Im Bereich von Sachversicherungen können Blockchain-basierte Herkunfts- und Besitznachweise sowie die Überprüfung der Authentizität von Dokumenten das Risiko von Versicherungsmissbrauch senken. Mittelfristig kann die Blockchain-Technologie eingesetzt werden, um Produktinnovationen im Bereich Micro- oder On-Demand-Insurance über Smart Contracts schnell und kostengünstig an den Markt zu bringen», so Baumstark.