Das Verdikt zur BVG-Reform fiel am Sonntag überdeutlich aus: 67 Prozent der Stimmenden sagten Nein. Alle Kantone lehnten die Vorlage ab. Nur 26 von 2126 Gemeinden befürworteten die Pensionskassenreform. Das Nein an der Urne kam mit Blick auf die Umfragen vor dem Urnengang nicht überraschend. Die Deutlichkeit des Resultats erstaunt jedoch.

Lukas Golder, Politologe von GFS.Bern, sprach im Schweizer Fernsehen SRF von einer "Ohrfeige" und einer "Klatsche" für den Bundesrat und das Parlament. Ein gemeinsames Problembewusstsein sei nicht vorhanden gewesen, analysierte Golders Kollege Urs Bieri.

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Die Vorlage zur Reform der zweiten Säule war im Abstimmungskampf hoch umstritten. Die Befürworter-Seite sprach von einem «guten Kompromiss», die Gegnerinnen und Gegner bezeichneten die Reform als «grottenschlecht». Im Fokus stand unter anderem die Komplexität der Vorlage. Auch die vom Bund falsch publizierten Zahlen zur AHV waren offenbar Wasser auf die Mühlen der Gegnerschaft.

Mit dem Nein bleibt der Reformstau in der Altersvorsorge bestehen. Seit der Einführung der zweiten Säule im Jahr 1985 wurde das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) erst einmal umfassend reformiert, nämlich in den Nuller-Jahren. Seither sind mehrere Reformversuche gescheitert. Nun beginnen die Arbeiten erneut auf Feld eins.

Verantwortung übernehmen

Die Interpretationen des Abstimmungsergebnisses gingen am Abend des Abstimmungssonntags ebenso auseinander wie die Vorstellungen zum weiteren Vorgehen. Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider kündigte an, dass sie Kontakt aufnehmen werde mit den wichtigsten Akteuren. Der Bundesrat, das Parlament und die Sozialpartner müssten ihre Verantwortung übernehmen. «Wir müssen das System anpassen an neue Gegebenheiten.»

Weil auch die AHV angeschlagen sei, müsse nun der Grundsatz «Rentensicherheit vor Leistungsausbau» gelten, sagten die Befürworterinnen und Befürworter der BVG-Reform. Es gelte weiterhin, Lösungen zu finden für Teilzeitarbeitende und Leute mit mehreren Arbeitgebern. Auch müssten die Lohnbeiträge für ältere Arbeitnehmende angepasst werden, um deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen.

Klare Meinung

Das Abstimmungsresultat sei ein überdeutliches Zeichen an die Bundespolitik und die Pensionskassen, teilte dagegen der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) mit, der das Referendum gegen die Vorlage angeführt hatte. Eine Mehrheit der Stimmberechtigten sei der klaren Meinung, dass das Rentenniveau in der Schweiz gerade für mittlere Einkommen keine Senkung vertrage.

Für einen neuen Anlauf zur Pensionskassenreform nannte die SP drei Eckpunkte. Zum einen will sie weniger Rendite für Banken und Versicherungen. Zudem brauche es künftig einen Teuerungsausgleich bei bestehenden Renten, um die Kaufkraft zu schützen, sowie bessere Frauenrenten. Erreichen will die Partei dies konkret über die Einführung von Betreuungsgutschriften in der zweiten Säule. Auch die Grünen schlossen sich am Sonntag dieser Forderung an.

An die Wand gefahren

Für die SVP bedeutet das Nein zur BVG-Reform hingegen, dass die Bevölkerung «keine BVG-Experimente» will. Die Pläne der Linken seien komplett verantwortungslos, schrieb die Partei. Damit würde das bewährte Drei-Säulen-Modell finanziell an die Wand gefahren.

Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) stellte sich ebenfalls umgehend gegen alle Ausbaupläne. Weiter ging der Schweizerische Gewerbeverband (SGV). Er will sich nach dem Nein zur BVG-Reform für eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters einsetzen.

Anpassung beim Koordinationsabzug

Für den Bundesrat stehen als Nächstes kleinere Reformschritte im Vordergrund, wie Baume-Schneider vor den Medien sagte. Die mit der BVG-Reform geplante Senkung der Eintrittsschwelle und die Anpassung beim Koordinationsabzug könnte bald wieder aufs Tapet kommen. (sda/awp/hzi/hoh)