Die 2. Säule entfernt sich zunehmend von Nachhaltigkeit und Fairness und trifft die Jungen am stärksten. «Diese Situation kann und sollte durch Reformen korrigiert werden», appellieren Ökonomen der UBS in der neuen Studie «2. Säule im Zugzwang». Darin werden Szenarien gezeigt, wie sich verschiedene Veränderungen in der obligatorischen beruflichen Vorsorge auf die Schweizer Haushalte auswirken würden.
Balance behalten trotz Veränderung
Umverteilung verringern bei gleichem Leistungsniveau? Die 2. Säule könnte nach Einschätzung der UBS-Ökonomen gerechter und nachhaltiger werden, wenn ihre Hauptfaktoren geändert würden, nämlich der Beitragszeitraum, die Beitragssätze, die Beitragsgrundlage und der Umwandlungssatz. Es verwundert kaum, dass höhere und längere Beiträge zu höheren Rentenleistungen für alle führen würden. Dies kann durch eine Senkung des Koordinationsabzugs oder der Eintrittsschwelle erreicht werden, wodurch die Deckung für Teilzeitbeschäftigte und Geringverdienende erhöht wird, zeigt die Studie.
Ein früherer Beitragsbeginn oder die Anhebung des Rentenalters würden die Beitragszeit verlängern, wobei letzteres besonders effektiv ist, um das Alterskapital zu erhöhen, so die Analyse. «Ein Beitragsjahr mehr am Ende der Karriere bringt mehr als früher anzufangen, da am Ende der Lohn meist höher ist», betont UBS-Ökonom James Mazeau. Zudem würden flache Beitragssätze über alle Altersgruppen hinweg die Attraktivität älterer Arbeitnehmender auf dem Arbeitsmarkt verbessern.
Aber es gibt auch Herausforderungen. Zum Beispiel kann es sein, dass längeres Arbeiten aufgrund der geistigen oder körperlichen Ermüdung, die mit bestimmten Beschäftigungen verbunden ist, nicht für jeden möglich ist. Höhere Beiträge bedeuten weniger verfügbares Einkommen, was das Spar- oder Konsumpotenzial einiger stark verringern kann. Sie bedeuten auch höhere Beschäftigungskosten. Das könne wiederum dazu führt, dass Unternehmen Offshoring oder die Automatisierung von Aufgaben vermehrt in Betracht ziehen könnten, heisst es in der Studie weiter.
Kompromisse eingehen und vorankommen
Während Änderungen wie der Beitragsbeginn oder eine Anhebung des Rentenalters noch vergleichsweise wenig umstritten sind, ist es die Senkung des Umwandlungssatzes aus Sicht der UBS-Experten umso mehr. «Mit 6,8 Prozent liegt dieser weit über dem versicherungsmathematisch korrekten Wert und entspricht nicht mehr der Lebenserwartung und den Finanzmarktrealitäten», heisst es in der Studie. Eine Senkung würde die Umverteilung zwischen den Generationen verringern. Die relevanten Fragen lauten: Wer wird in welchem Umfang von Veränderungen betroffen sein und welche Kompensationsmassnahmen werden umgesetzt?
«Die Mehrheit der Arbeitnehmenden sollte keine Änderungen ihrer Gesamtbeiträge oder erwarteten Leistungen erfahren«, sagt James Mazeau. Tatsächlich sind rund 80 bis 85 Prozent der Destinatäre in Pensionskassen versichert, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehen. Dennoch könnten reformpolitische Vorschläge, die derzeit im Parlament diskutiert werden und verschiedene der oben erwähnten Massnahmen umfassen, die 2. Säule gerechter und nachhaltiger machen.
Sinnvolle Entschädigungen für Ältere
Aber niemand sollte zurückgelassen werden, wie UBS-Ökonomin Jackie Bauer betont: «Für die Minderheit der Arbeitnehmenden, die kurz vor dem Ruhestand stehen und die Hauptlast der Reformen tragen würden, ist eine transparente, zielgerichtete und sinnvolle Entschädigung notwendig». Massnahmen zur Senkung des Umwandlungssatzes werden sofort wirksam, während Massnahmen zur Bekämpfung solcher Senkungen, etwa Änderungen des Beitragszeitraums, nur im Laufe der Zeit wirken.
Letztlich sind Kompromisse aus Sicht der UBS-Ökonomen unausweichlich, um einen ersten Schritt in Richtung Rentensicherheit künftiger Generationen zu machen. «Wir befinden uns nicht in einer Weihnachtszeit, sondern eher in einer Fastenzeit, was die 2. Säule angeht», formulierte es Veronica Weisser, COO UBS Schweiz, bei der Vorstellung der Studie. Egal, wie die Veränderung aussieht: Jeder Einzelne muss seine Sparbemühungen ab heute erhöhen, um ein bestimmtes Niveau an zukünftigen Leistungen aufrechtzuerhalten. (pm/hzi/mig)