Der Ständerat hat bei der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) erste Pflöcke eingeschlagen. Dabei hat er sich beim Koordinationsabzug für eine neues Modell entschieden. Dieses soll Kleinverdiener und Mehrfachbeschäftigte bei der Rente besser stellen. Noch keinen Entscheid gibt es zur Kompensation der Zinssatzsenkung für die Übergangsgenerationen.

Die Diskussionen in der kleinen Kammer erwiesen sich am Dienstag nicht unerwartet als zäh und langwierig. Das Plenum konnte die sehr komplexe Vorlage nicht wie traktandiert zu Ende beraten. Die bislang drei Beschlüsse zu wichtigen Punkten der Vorlage fielen alle im Sinne der Mehrheit der vorberatenden Kommission aus.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Bei allen Sprecherinnen und Sprecher war der Wille spürbar, nach der äusserst knappen Annahme der AHV-Vorlage durch das Volk im Herbst nun das Versprechen einzulösen, vor allem den schlecht verdienenden und teilzeitarbeitenden Frauen zu besseren Rentenaussichten zu verhelfen. Nur verstehen je nach politischer Ausrichtung alle etwas anderes darunter. So diskutiert der Ständerat über vier Modelle, die inhaltlich zum Teil weit auseinander liegen.

Der Ständerat entschied dann, dass neu im obligatorischen Teil des BVG 15 Prozent des AHV-pflichtigen Lohnes als Koordinationsabzug berechnet werden sollen. Dieser Betrag wird in der zweiten Säule vom massgebenden Lohn (Bruttojahreslohn) abgezogen. So erhält man den versicherten Lohn. Heute liegt dieser Abzug fix bei knapp 25'100 Franken.

Dieser hohe Abzug führt dazu, dass Arbeitnehmende mit tiefen Löhnen oder solche, die für mehrere Arbeitgeber arbeiten, ihr Einkommen nicht oder nur marginal in einer Pensionskasse versichern und damit keine Rente fürs Alter ansparen können.

Teurer für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Erich Ettlin (Mitte/OW) sprach von einem «Quantensprung», den die Kommission vorschlage. Der neue Koordinationsabzug sei ein grosser Sprung im Bezug auf Mehrfachbeschäftigte und Geringverdiener. Das neue Modell werde zwar für Arbeitnehmer und Arbeitgeber teurer, auf den Monat heruntergerechnet aber «erträglich», weil im Gegenzug mehr Menschen ein höheres Alterskapital ansparen könnten.

Der Nationalrat möchte lieber wie bisher einen fixen Koordinationsabzug, diesen aber von heute etwas über 25'000 auf rund 12'500 Franken halbieren. Das wäre administrativ die deutlich einfachere Lösung, erklärte Damian Müller (FDP/LU) im Namen einer der Minderheiten, die diese Lösung der grossen Kammer bevorzugt.

Alain Berset warnt vor starkem Kostenanstieg

Die 85-Prozent-Lösung der Mehrheit sei «ein Sprung ins Nichts». Die entsprechenden Lohnabzüge für Teilzeitler mit tiefen Löhnen seien höher als das, was sie am Schluss im Gegenzug erhielten. Die Kosten würden bei diesem Modell zu stark steigen, warnte auch Bundesrat Alain Berset.

Genau das Gegenteil behauptete Maya Graf (Grüne/BL). Es gelte, den Systemfehler des hohen fixen Koordinationsabzugs zu korrigieren. Alle hätten mit der vorgeschlagenen Lösung eine gleich gute Versicherung, egal wie hoch das Einkommen sei. Die höheren Lohnabzüge seien deshalb «vertretbar».

Um mehr Menschen mit geringen Löhnen eine Pensionskasse zu ermöglichen, hat der Ständerat am Dienstag weiter entschieden, dass bereits ab einem Mindestjahreseinkommen von 17'200 Franken in die Pensionskasse einbezahlt werden kann. Diese Eintrittsschwelle liegt aktuell bei rund 21'500 Franken. Der Nationalrat möchte sogar nur 12'548 Franken. Anders als der Nationalrat möchte der Ständerat zudem den Sparbeginn bei Alter 25 belassen und nicht auf 20 Jahre senken wie die grosse Kammer.

Paul Rechsteiner: Volksabstimmung absehbar

Das Herzstück der Vorlage sind jedoch die Übergangsmassnahmen für all jene, die durch die geplante Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6,0 Prozent vor der Pensionierung nicht mehr genügend Alterskapital ansparen, diesen Rentenausfall von rund 12 Prozent also nicht mehr rechtzeitig kompensieren können.

Ohne vollständige Kompensation für alle sei die der Revision zugrunde liegende Senkung des Umwandlungssatzes «verfassungswidrig», erklärte der ehemalige Gewerkschaftsboss Paul Rechsteiner (SP/SG). Alle zur Debatte stehenden Modelle seien viel schlechter als das Sozialpartnermodell, hinter das sich auch der Bundesrat gestellt hat. Es sei absehbar, dass die Vorlage an der Urne entschieden werde. «Und dort werden die Lohnabhängigen entscheiden, nicht die Banken und Versicherungen.»

Pirmin Bischof (Mitte/SO) wiederum meinte, der Kommission sei es ganz gut gelungen, den Auftrag aus dem Nationalrat zu erfüllen, das Problem der Tieflöhner und Mehrfachjobs zu lösen. "Ganz gelungen ist es uns nicht", aber das Kommissionsmodell sei besser als die Lösung von Nationalrat und Bundesrat.

Mehr zur Wintersession: