Das Gesetz über die berufliche Vorsorge (BVG) muss frauenfreundlicher werden, sonst hat dessen Revision an der Urne keine Chance. Darüber sind sich Linke und Rechte einig. Nicht nur das: Das BVG muss auch deshalb frauenfreundlicher werden, damit die AHV-Revision mit der Anpassung des Frauenrentenalters im Herbst vom Schweizer Volk nicht versenkt wird. Der Ständerat will deshalb die BVG-Revision noch in der Sommersession beraten, damit die Frauen vor der AHV-Abstimmung wissen, womit sie im BVG, der zweiten Säule, rechnen können.

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Der Nationalrat hat die BVG-Revision in der Wintersession verabschiedet. Nun brüsten sich die Macher damit, mit der Halbierung des Koordinationsabzugs von 25'095 auf 12'548 Franken besonders frauenfreundlich zu sein. Das ist ziemlich schöngeredet. Frauenfreundlich wäre, diesen abzuschaffen.

Am Dienstag, dem Weltfrauentag, versuchte die Nachrichtensendung «10 vor 10», das Konstrukt des Koordinationsabzugs zu erklären. Arbeitet man zu 100 Prozent zu einem Jahreslohn von 60'000 Franken, so sind davon nur 34'905 Franken versichert. Denn vom Bruttolohn wird zur Berechnung des versicherten Lohns eben dieser Koordinationsbeitrag von 25'095 Franken in Abzug gebracht.

Arbeitet man nur 50 Prozent, so halbiert sich der Bruttolohn auf 30'000, doch der Koordinationsabzug von 25'095 bleibt. Das heisst, der versicherte Lohn beträgt nur noch 4905 Franken. («10 vor 10» verwechselte übrigens den Koordinationsabzug mit der Eintrittsschwelle. Na ja, kann passieren. Ist halt kompliziert).

Fazit: Wer Teilzeit arbeitet, zieht oft den Kürzeren. Deshalb ist der Koordinationsabzug nicht einfach nur frauenfeindlich, sondern Teilzeitbeschäftigten-feindlich. Denn bestraft werden auch Paare, wenn sie beide Teilzeit arbeiten und sich Haushalt und Kinderbetreuung aufteilen. Mit der Halbierung des Koordinationsabzugs würde die Benachteiligung der Teilzeitbeschäftigten zwar abgeschwächt, aber nicht eliminiert.

Melanie Mettler, grünliberale Nationalrätin aus dem Kanton Bern, wollte mithilfe der FDP-Fraktion den Koordinationsabzug ganz abschaffen. Sie erhielt aber in der zurückliegenden Wintersession keine Mehrheit. Selbst die links-grüne Seite verwehrte ihr die Unterstützung.

Man muss aber wissen, dass Pensionskassen schon heute im überobligatorischen Bereich die Möglichkeit besitzen, den Koordinationsabzug dem Arbeitspensum anzupassen. Laut «10 vor 10» sollen 60 Prozent der Arbeitgeber davon Gebrauch machen, was ich aber stark bezweifle.

Die Pensionskasse meines früheren Arbeitgebers gehörte jedenfalls nicht dazu. So sagte ich einmal einem Arbeitnehmervertreter im Stiftungsrat der Pensionskasse, er möge sich doch dafür einsetzen, dass der Koordinationsabzug dem Pensum angepasst werde. Er hatte gar nicht kapiert, wovon ich rede. Wie gesagt: Die zweite Säule ist kompliziert.

Die Kolumne «Gopfried Stutz» ist erstmals erschienen im Sonntagsblick vom 13. März 2022