Um was geht es konkret? In der Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) wurde ein Artikel 69 E-BVG eingefügt, der dem Bundesrat die Kompetenz erteilen soll, die Vermittlerentschädigung auf Verordnungsweg zu regeln - dies notabene nach der ordentlichen Vernehmlassung und ohne Konsultation der betroffenen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter oder der Branchenverbände - ein demokratischer Affront. Dass nun Bundesrat Berset mit Hilfe seines Departements versucht, auf demokratisch zweifelhaften Weg die Vermittlerentschädigung zu verbieten, erstaunt nicht. Zurzeit berät die ständerätliche Gesundheitskommission über das Geschäft.
Kommentator:
Marco Natoli ist Ökonom (Universitäten Basel und Zürich) und Geschäftsführer des Verbandes Schweizerischer Versicherungsbroker (SIBA).
Es ist bekannt, dass die politische Linke samt Gewerkschaften und mit Hilfe des Schweizerischen Pensionskassenverbands ASIP Courtagen in der 2. Säule verbieten und auf ein Honorarmodell umstellen möchte. Gerade der Pensionskassenverband überschlug sich mit verschiedensten Fachmitteilungen und juristischen Gutachten - aber genau wie in der Politik gilt hier auch: Wenn man ein Argument oft genug wiederholt, wird es nicht besser. Das PK-Netz, gestützt auf das Gutachten Uttinger/Zellweger (2020), hält fest, dass das Courtagenmodell in der zweiten Säule rechtswidrig sei. Falls tatsächlich bei den Vorsorgeeinrichtungen «unzweckmässige Mittelverwendungen» vorliegen sollten, könnte man doch erwarten, dass die staatlichen Behörden gemäss ihrer aufsichtsrechtlichen Funktion nach Art. 62 BVG intervenieren sollten - dies ist aber nicht geschehen. Weder das Bundesgericht noch der Bundesrat haben seit der Liberalisierung des Versicherungsmarktes vor gut 30 Jahren die Zulässigkeit des Courtagenmodells in Frage gestellt. Ein von der SIBA in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten (Bur Bürgin/Muresan 2021) entkräftet das Argument der Rechtswidrigkeit.
Soweit zur Rechtslage - wie steht es nun aber mit den viel propagierten Fehlanreizen? Grundsätzlich muss man festhalten: Ein Vergütungsschema frei von Anreizproblemen, existiert nicht - weder in der Assekuranz noch in einem anderen Wirtschaftszweig. Das Courtagenmodell hat sich in der Branche bewährt, denn die Entschädigung im Bereich der ungebundenen Versicherungsvermittler sind - im Gegensatz zu den gebundenen - nicht erfolgsabhängig und hängen damit nicht von Neuabschlüssen oder Umplatzierungen ab. Die Leistungen der Broker werden - gerade im Sektor der komplexen beruflichen Vorsorge in der Schweiz - häufig unterschätzt. Der Versicherungsbroker berät die Kunden in strategischen Fragen der Organisation der beruflichen Vorsorge. Er evaluiert in Abstimmung mit der Arbeitnehmer-Vertretung optimale Vorsorgelösungen. Sowohl Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer profitieren somit von dieser Dienstleistung.
Wieso wollen nun angeblich arbeitnehmerfreundliche Interessensgruppen ihrer Klientel diese wertvolle Dienstleistung verwehren? Wagen wir einen Blick nach Skandinavien - für die politische Linke das gelobte Land im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik. In den skandinavischen Ländern wurde vor Jahren ein teilweises Courtagenverbot eingeführt mit der Folge, dass sich die unabhängige Versicherungsvermittlung stark zurückgebildet hat, grosse Gewinner waren die Versicherungsgesellschaften, die Ihre Verkaufs- und Beratungstätigkeiten ausbauen konnten - auf der Strecke geblieben sind die Konsumenten. Ähnliches lässt sich in England beobachten, wo seit etwa 5 Jahren Vermittler für gewisse Produkte der Altersvorsorge keine Provisionen beziehen dürfen. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin befürchtet, dass man sozialpolitische Verwerfungen riskiere, falls man die provisionsbasierte Beratung verbiete.
Wollen wir ein ähnliches Szenario mit Beratungslücke in der Schweiz? Eine HSG-Studie hält fest, dass ein Umstieg auf Honorarberatung theoretisch wie auch empirisch nicht sinnvoll sei. Der Status Quo hat sich bewährt und mit der Teilrevision des Versicherungsaufsichtsgesetzes werden einschneidende Massnahmen in den Bereichen der Transparenz, Ausbildung und Haftung in der Vermittlung vorgenommen. Wenden wir uns ab von dieser Verbotskultur und besinnen wir uns wieder auf die Grundprinzipien einer liberalen Wirtschaftsordnung, die auf faire und transparente Spielregeln setzt.