Roland Bosshard, vor einem Jahr haben Sie auf die «Open Insurance Platform» der Inventx umgestellt. Was sind Ihre Learnings aus diesem Jahr?
Der Umstellung hatten wir die Annahme zugrunde gelegt, dass unsere IT-Services künftig schneller bereitgestellt und flexibler skalierbar sein werden. Heute zeigt sich, dass diese These korrekt war.
Die Interviewpartner:
Roland Bosshard, IT-Verantwortlicher bei der Berner Krankenkasse KPT
Daniel Wenger, Leiter Insurance beim Churer IT-Dienstleister Inventx
Was macht die «Open Insurance Platform» für die KPT attraktiv?
Roland Bosshard: Open Insurance ist eine private Cloud. Für KPT sind die Vorteile attraktiv, die mit Cloud-Infrastrukturen einhergehen. Dazu zählen für uns insbesondere die hohe Verfügbarkeit durch die mehrfach redundante Auslegung der virtuellen Plattformen, das automatisierte «on demand»-Serviceangebot, die einfache Skalierung von Rechenleistung und Speicherkapazität und die damit verbundene Optimierung der Betriebskosten. Die Open Insurance Platform ist zudem ein Konstrukt eines Schweizer KMU mit ähnlichen Werten wie die KPT. Das ist eine gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
Wie sind Sie damals bei der Evaluation vorgegangen?
Roland Bosshard: Wir hatten neben Inventx noch vier weitere Optionen geprüft. Bei zweien davon handelte es sich um Kooperationen mit anderen Krankenversicherungen. Aus unserer Sicht auch heute noch ein Ansatz, der bei jeder Gelegenheit geprüft werden sollte. Die IT selbst ist kaum differenzierend und für sich genommen nur bedingt ein Wettbewerbsvorteil. Ich sehe hier nach wie vor das Potential, einen Beitrag zur Senkung der Verwaltungskosten zu leisten. Die Zeit war damals nicht reif bzw. die Lebenszyklen der jeweiligen Systeme befanden sich in derart unterschiedlichen Phasen, dass sich Synergien erst sehr spät ausbezahlt hätten. Die anderen beiden waren kommerzielle Provider. Mit diesen und Inventx haben wir eine formelle Evaluation durchgeführt. Wir haben ein Pflichtenheft mit Kriterienkatalog erarbeitet und ein mehrstufiges Auswahlverfahren absolviert.
Wie haben Sie aus der Longlist eine Shortlist gemacht und dann die Entscheidung getroffen?
Roland Bosshard: Die Erfüllung der Kriterien ergab ein klares Bild zugunsten von Inventx. Deshalb verzichteten wir darauf, eine formelle Shortliste zu erstellen.
Daniel Wenger, wie funktioniert eigentlich die «Open Insurance Platform»?
Daniel Wenger: Die Open Insurance Platform basiert auf der ix.Cloud – das ist in der Fachsprache eine Community Cloud, also eine auf die spezifischen Bedürfnisse einer Gruppe von Unternehmen mit ähnlichen Anforderungen zugeschnittene Cloud. Die Fachapplikationen werden in diese Plattform integriert und von uns betrieben. Dadurch ist sichergestellt, dass alle Systeme nahtlos zusammenarbeiten. Unternehmen, im Fall der Open Insurance Platform insbesondere Versicherungen, können schneller und effizienter auf Veränderungen und neue Entwicklungen in ihrer Branche reagieren und ihr Wachstum beschleunigen.
Wo und wie kommt da welche Technologie ins Spiel?
Daniel Wenger: Unsere Lösung besteht aus einer Kombination von Public- und Private-Cloud, die in der Schweiz gehostet wird, so dass Datenschutz und Compliance gewährleistet sind. Sie bietet verschiedene Optionen für die Bereitstellung von IT-Services, einschliesslich Infrastructure-as-a-Service (IaaS), Platform-as-a-Service (PaaS) und Software-as-a-Service (SaaS) an. Über standardisierte APIs können Systeme, Applikationen und weitere Technologien einfach integriert werden. Ein spezieller Security-Layer sorgt für maximale Sicherheit.
Wie kann ein Versicherer mit Open Insurance loslegen?
Daniel Wenger: Wir haben bereits langjährige Erfahrungen im Open Banking und können daher viel Know-how in die Versicherungsbranche übertragen. Wichtig ist, dass eine Versicherung zunächst sehr genau ihre Bedürfnisse identifiziert und überlegt, welche Anforderungen sie an Open Insurance hat. Wenn geklärt ist, welche Funktionen und Dienste benötigt werden, schliessen wir in der Regel eine Due-Diligence-Phase an, in der wir gemeinsam die Lösung skizzieren. Darauf aufbauend starten wir mit einem ersten Proof of Concept.
Wie sicher sind die sensiblen Daten in diesen Systemen?
Daniel Wenger: Die Datensicherheit ist für Inventx von entscheidender Bedeutung, da unser Kunde vertrauliche Informationen und Daten seiner Kunden verarbeitet und speichert. Inventx hat daher eine umfassende Sicherheitsstrategie und -praxis implementiert, um sicherzustellen, dass die Daten und Informationen seiner Kunden sicher sind.
Einige der wichtigsten Sicherheitsmassnahmen, die Inventx implementiert hat, sind Zertifizierungen, Zugangsbeschränkungen, Verschlüsselung und enges Monitoring. Bei den Zertifizierungen sind es vor allem diejenigen, die Informationssicherheit und Datenschutz betreffen, also unter anderem ISO 27001, ISO 9001 und FINMA. Der Zugriff auf die Plattform sowie auf die dortigen Daten und Informationen ist nur autorisierten Personen möglich. Daten werden sowohl im Ruhezustand als auch während der Übertragung verschlüsselt, so dass sie sicher sind und nicht von unbefugten Personen eingesehen werden können. Schlussendlich überwacht Inventx die Systeme ständig, um potenzielle Bedrohungen und Angriffe frühzeitig zu erkennen und abzuwehren.
Zurück zur KPT – wie sieht es mit den Kosten-Nutzen-Aspekten aus?
Roland Bosshard: Das Kosten-Nutzen-Verhältnis war ein wichtiges Kriterium in der Evaluation. Hier hat Inventx deutlich besser abgeschnitten als die beiden Mitbewerber. Wir haben die Open Insurance Platform gemeinsam mit Inventx neu aufgebaut. Bei der Offertstellung gab es ein paar Ungewissheiten bezüglich Ausprägung der Services, insbesondere der erforderlichen Rechenleistung und Speicherkapazität. Hier mussten wir später im Betrieb teilweise nachbessern, was sich auf die Kosten ausgewirkt hat. Trotzdem ist die Bilanz positiv: Wir sind sehr nahe an den damals berechneten Einsparungen.
Wie wurden zeitliche und finanzielle Vorgaben hier erreicht beziehungsweise eingehalten?
Roland Bosshard: Das Projekt dauerte insgesamt 39 Monate. Ursprünglich hatten wir von Seiten KPT für die Einführung von Syrius rund 26 Monate veranschlagt, dies allerdings ohne Providerwechsel. Als wir uns dazu entschieden haten, zeitgleich auch noch den Provider zu wechseln, die neuen Plattformen und Services gemeinsam mit ihm neu zu konzipieren und aufzubauen, war klar, dass die ohnehin knapp berechnete Zeit nicht mehr ausreichen konnte. Nach etwas mehr als drei Jahren intensiver Projektarbeit war die Open Insurance Platform gebaut, die IT der KPT migriert und das Kernsystem Syrius eingeführt. Dies trotz des Umstandes, dass wir zwei von drei Jahren unter Corona-Bedingungen arbeiten mussten, was die Projektarbeit teilweise erheblich erschwert hat.
Wie typisch ist für Inventx der Kunde KPT?
Daniel Wenger: Mit der KPT haben wir uns den Versicherungsmarkt erschlossen. Als IT- und Digitalisierungspartner Schweizer Banken sind wir überzeugt, dass unser Know-how auch für die digitale Transformation des Versicherungsmarkts wertvoll ist. Als Showcase belegt die Partnerschaft zwischen der KPT Krankenversicherung und Inventx, dass die Versicherung dank Open Insurance und darauf aufbauender beschleunigter Digitalisierung ihre Position im Markt stärken kann, indem sie ihren Kunden bessere und effektivere Dienstleistungen bietet.
Welche weiteren Kunden haben Sie?
Daniel Wenger: Hauptsächlich Kunden aus den Bereichen Banken, Versicherungen, Vermögensverwalter und Finanzdienstleistungen in der Schweiz, ergänzt um Fin- und InsurTechs. Im Bankingbereich bezieht bereits jede dritte Kantonalbank Services von Inventx. Seit kurzen dürfen wir zusätzlich Visana und Valiant zu unseren Kunden zählen.
Worauf kommt es bei einer Umstellung auf Open Insurance ganz zentral an?
Daniel Wenger: Entscheidend ist ein partnerschaftliches Verhältnis und eine Kommunikation auf Augenhöhe.
Welches sind bei KPT die weiteren Open Insurance/IT-Pläne?
Als nächstes wollen wir Syrius auf die Plattform migrieren. Das System läuft zwar bereits bei Inventx, jedoch noch in einer klassischen Umgebung. Sobald eine cloudfähige Version verfügbar ist, werden wir mit der Planung für die Migration beginnen. Die Plattform soll weiter dazu dienen, die digitale Transformation der KPT voranzutreiben und zu beschleunigen. Zu detaillierten Plänen kann ich mich natürlich nicht äussern. Im Fokus stehen wie immer der direkte Nutzen für die Kundinnen und Kunden der KPT, der Mehrwert für die Mitarbeitenden sowie eine weitere Senkung der Kosten.
An welchen weiteren Angeboten arbeiten Sie bei Inventx?
Wir arbeiten vor allem an Services, die auf unsere Open Insurance Platform aufsetzen und unseren Kundinnen und Kunden im Finanzbereich Mehrwert bringen, etwa an Künstlicher Intelligenz in Form von Chatbots oder Voice, an intelligenten Dokumentenprozessen und genereller an einem Intelligenten Informationsmanagement. Wir haben auch eine White-Label-Lösung für die nächste Generation von Bankkundinnen und Bankkunden am Markt: Digital Banking for Kids. Hinzu kommt die Weiterentwicklung unserer Cloudlösung hin zu Multicloud oder eine Archivlösung, die konform ist mit dem neuen Datenschutzgesetz, das diesen Herbst in Kraft tritt.
Welche Erkenntnisse haben Sie bei KPT, die Sie teilen können?
Roland Bosshard: Eine erste wichtige Erkenntnis ist die Bedeutung der Partnerschaft. Um den ehrgeizigen Terminplan halten zu können, haben KPT und Inventx während Monaten ohne detaillierte schriftliche Verträge, quasi auf Handschlag hin, intensiv zusammengearbeitet. Beide wissend, dass ein Scheitern des Vorhabens beide Seiten teuer zu stehen kommen könnte. Dieses Vorgehen widerspiegelt die gemeinsamen Werte und Haltungen. Sie waren und sind letztlich der entscheidende Faktor für die erfolgreiche Zusammenarbeit.
Und welche neuen Herausforderungen sehen Sie bei KPT?
Roland Bosshard: Das ist ganz klar die Transformation der KPT zur einfachsten Krankenversicherung mit dem Plus an Kundenfokus. Wir müssen neue Produkte und Services lancieren und insbesondere die gesamte Customer Journey vollständig digital anbieten. Wir wollen wieder an unsere früheren Erfolge als führende Online-Versicherung anknüpfen. Mit der Open Insurance Platform und Inventx als Partner haben wir, aus Sicht IT, beste Voraussetzungen dazu.
Das Interview wurde schrifltich geführt.