Das neue Internet ist ein Paradigmenwechsel und wird die Art und Weise, wie wir Geschäfte machen, neu definieren. Dies wird erhebliche Auswirkungen auf die Versicherungsbranche haben und jeden Bereich des Geschäfts beeinflussen.

Man stelle sich einen Künstler vor, der seine Musik mit der Welt teilen möchte. Heute würde er eine zentrale Plattform nutzen und dort sein Werk hochladen. Gleichzeitig würde er der Plattform das Recht geben, die Sichtbarkeit, die Rechte und sogar die Monetarisierung seines Werks zu kontrollieren. Anders beim Web 3.0. Dieses erlaubt dem Künstler, eine dezentralisierte Plattform zu nutzen, über die er den Zugang zu seinem Werk selbst bestimmen kann. Er wäre weiterhin Inhaber der Vertriebsrechte und hätte die alleinige Preishoheit. Die Vergütung wäre direkter und transparenter, da er direkt von den Nutzern und Nutzerinnen bezahlt werden würde. 

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Versionen des Web

  • Web 1.0: Auch bekannt als «statisches Web», zeichnete sich die erste Version des Internets durch statische Seiten und begrenzte Benutzerinteraktion aus.
  • Web 2.0: Das «dynamische Web» ermöglichte nutzergenerierte Inhalte, soziale Netzwerke und mehr Interaktivität. Das aktuelle Web wird von zentralisierten Akteuren beherrscht, die vordefinierte Dienste (Cloud-Dienste, Plattformen und soziale Medien) im Austausch für die Daten ihrer Kundinnen und Kunden anbieten.
  • Web 3.0: Das Aufkommen des Web 3.0 umfasst dezentralisierte Netzwerke, automatisierte Protokolle (Smart Contract) und Kryptowährungen/Tokens. Diese Entwicklung wird die Interaktivität der Nutzenden erhöhen. Um wettbewerbsfähig zu sein und die Nase vorn zu haben, kann es für Unternehmen von Vorteil sein, ihre Domainnamen bereits jetzt in diesem neuen Ökosystem zu sichern.

Das Musikbeispiel veranschaulicht den Unterschied zwischen dem «alten digitalen» Web 2.0 und dem neuen Web 3.0. Die kommende Ära des Internets, die auf den sogenannten Blockchain-Protokollen und der Smart-Contract-Technologie basiert, wird es ermöglichen, die Rechte an den eigenen Daten zurückzugewinnen. Mit «dezentralen Anwendungen» werden das Web 3.0 und der damit verbundene kollektive virtuelle Raum Metaverse eine neue Wirtschaft und eine andere Art der Begegnung, des Austauschs und der Geschäftsabwicklung ins Leben rufen. Dies wird einschneidende Auswirkungen auf die Versicherungsbranche haben.

Neue Chancen 

Die Versicherungsbranche ist immer noch eher traditionell. Man ist es gewohnt, in einem gut strukturierten Bereich zu arbeiten, wo Risiken bekannt und bereits modelliert sind. In diesem Umfeld stellt das Web 3.0 eine besondere Herausforderung dar. Das neue Metaverse bietet jedoch die Chance, mit Kunden und Kundinnen auf andere Art in Kontakt zu treten, neue Geschäfts- und Risikostrategien zu entwickeln und innovative Deckungen und Produkte anzubieten. Es bedeutet aber auch, dass die Unternehmen mit völlig neuen Risiken und Haftungen konfrontiert werden, wie zum Beispiel mit Diebstahl von virtuellem Eigentum, digitalem Identitätsdiebstahl und Cyberangriffen. Für Versicherer gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die neue Technologie zu nutzen:

  • Innovative Versicherungsprodukte
    Die wachsende Beliebtheit von digitalen Vermögenswerten wie Kryptowährungen und Non-Fungible Tokens (NFT) wird zu einer stärkeren Nachfrage nach einem Versicherungsschutz für diese Vermögenswerte führen. Einige wenige Unternehmen bieten solche Versicherungen für die Verwahrung digitaler Vermögenswerte gegen Diebstahl, Hacking, geheime Absprachen und andere Risiken bereits an. 
  • Regulierung
    Die dezentralisierte Natur des Web 3.0 und des Metaverse stellt die Versicherungsbranche vor regulatorische Herausforderungen. Regulierungsbehörden und Versicherungsunternehmen müssen Hand in Hand arbeiten, um einen umfassenden Rahmen für das Management dieser neuen Risiken zu schaffen. 
  • Sicherheit und Datenschutz von Kundendaten
    Mit dem Web 3.0 wird die Gewährleistung der Sicherheit und des Schutzes von Kundendaten vor unbefugtem Zugriff, Datenschutzverletzungen und Datenlecks von entscheidender Bedeutung sein.
  • Vertrieb und neue Kundenerfahrungen
    Das Metaverse bietet das Potenzial, die Art und Weise, wie Versicherungsprodukte vertrieben und verkauft werden, zu revolutionieren. Versicherer können virtuelle Umgebungen nutzen, um immersive und interaktive Erlebnisse für potenzielle Kundinnen und Kunden zu schaffen. So könnte man beispielsweise ein virtuelles Versicherungsbüro im Metaverse einrichten, in das die Nutzenden hineingehen, mit virtuellen Agenten interagieren und verschiedene Versicherungspolicen erkunden. Dieser Vertriebsansatz kann die Versicherer dabei unterstützen, ein breiteres Publikum zu erreichen und die Kundenbindung zu verbessern.
  • Wertvolle Daten
    Die zunehmende Anzahl von vernetzten Geräten im Web 3.0 kann den Versicherern wertvolle Daten für die Risikobewertung und das Underwriting liefern. So können Versicherungspolicen stärker personalisiert werden. Allerdings stellt sich hier auch die Frage des Datenschutzes.
  • Effizienz verbessern
    Mit der Blockchain-Technologie und intelligenten Verträgen können Versicherer eingebettete Versicherungsprodukte anbieten, die Betriebskosten senken und die Effizienz verbessern. Daher sollten Versicherer strategische Partnerschaften mit Technologieunternehmen eingehen, um vermehrt innovative Lösungen anbieten zu können. 

Es gibt jedoch auch verschiedene Hindernisse, die es zu überwinden gilt. So zögern einige Versicherer, spezielle oder massgeschneiderte Versicherungslösungen zu offerieren – meist aufgrund mangelnder Schadenhistorie und/oder mangelnder technischer Kenntnisse. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Versicherungskapazitäten noch knapp und teuer und beziehen sich oft nur auf Finanzunternehmen wie Banken und Börsen. Die Web-3.0-Industrie ist nach wie vor schwankungsintensiv und hängt stark vom Kryptowährungsmarkt und von der allgemeinen Marktstimmung ab. 

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Mit Tech-Fachleuten wettbewerbsfähig bleiben

Um in der digitalen Landschaft wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten Versicherer neue Ressourcen bereitstellen. So wäre zum Beispiel eine Unterstützung bei der «Bewertung» von Risiken im Underwriting-Team durch Spezialistinnen und Spezialisten denkbar.

Fazit: Das Aufkommen des Web 3.0 und des Metaverse bringt sowohl Herausforderungen als auch Chancen für die Versicherungsbranche mit sich. Um sich diesen Veränderungen anzupassen und wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Versicherer innovative Produkte und Dienstleistungen entwickeln und sich gleichzeitig mit potenziellen Herausforderungen wie Datenschutz, Sicherheit und Einhaltung von Vorschriften auseinandersetzen. 

Autor
Laurent Henderickx, Digital Assets Practice Leader, Aon Switzerland