Der Markteinbruch kam für die Pensionskassen-Manager im letzten Jahr aus heiterem Himmel. Mit dem Beginn der Covid-19-Pandemie sorgten weltweite Lockdowns für einen Kurssturz an den Börsen, der auch das Vermögen bei den Vorsorgeeinrichtungen schmelzen liess. Wenig später registrierte die Oberaufsichtsbehörde der beruflichen Vorsorge markant mehr Unterdeckungen bei den Pensionskassen. Allerdings nur für kurze Zeit. Die Märkte beruhigten sich rasch. Das heftige Auf und Ab zeigt, wie wichtig eine krisenresistente Anlagestrategie für die Verwalter der Alterskapitalien ist. Branchenexperte Tobias Wolf von Mercer Schweiz hat während der Corona-Pandemie beobachtet, dass viele Pensionskassen monatelang nicht reagierten und damit Opportunitäten an den Märkten liegen liessen. Seine Erkenntnis: «In Zeiten erhöhter Volatilität und Krisenanfälligkeit brauchen Pensionskassen eine robuste Governance und ein funktionierendes Risikomanagement.» 

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Noch viel Verbesserungspotenzial

Bereits bei der Finanzkrise vor einem Dutzend Jahren haben massive Kapitalverluste einen Reformprozess im Risikomanagement eingeleitet. Verschiedene Studien zeigen jedoch, dass es noch immer Verbesserungspotenzial gibt. Am weitesten fortgeschritten sind die Pensionskassen beim Umgang mit den versicherungstechnischen und finanziellen Risiken. Oft fehlt es aber an einer Identifikation der operationellen Risiken. Dazu gehören das Versagen interner Prozesse, Mitarbeiter und Systeme sowie der Einfluss von externen Ereignissen. Die risikoorientierte Führung wird durch zusätzliche Regulierungen vorangetrieben. Der Stiftungsrat muss alles im Blick haben, was Auswirkungen auf die Verbindlichkeiten und die künftige Finanzierung der Vorsorgeeinrichtung hat. «Die wichtigste Hausaufgabe besteht in einer regelmässigen und gründlichen ALM-Analyse als Basis für die Anlagestrategie», sagt Raffaele Petrone, Finanzspezialist bei der Pensionskasse Holcim Schweiz. ALM steht für Asset Liability Management und soll die mittel- und langfristige Übereinstimmung zwischen den Vermögensanlagen und den Vorsorgeverpflichtungen überprüfen. Oberstes Ziel einer solchen Studie ist die Festlegung einer Anlagestrategie, welche auf die Risikofähigkeit und Risikobereitschaft einer Pensionskasse abgestimmt ist. Bei diesem Prozess werden unterschiedliche Methoden angewendet. Die Palette reicht von einfachen statistischen Grobanalysen bis zu anspruchsvollen dynamischen Modellen, die eine zukünftige Entwicklung von Vermögen und Verpflichtungen simulieren. 

Nicht nur Momentaufnahme

Ein einheitliches Kennzahlen-Set, mit dem sich die Pensionskassen besser vergleichen liessen, fehlt jedoch weiterhin. Mehrere Projekte für aussagekräftigere Daten wurden wieder abgebrochen. «Manager schätzen zu viel Transparenz nicht», meint ein Branchenkenner. Derzeit konzentriert sich in der beruflichen Vorsorge fast alles auf den technischen Deckungsgrad. Diese periodisch errechnete Kennzahl entspricht einer Momentaufnahme und informiert nicht darüber, wie sich das Verhältnis zwischen Vermögen und Pensionsverpflichtungen über die Zeit hinweg entwickeln könnte. Umfragen zeigen allerdings, dass heute bereits mehr als ein Drittel der Vorsorgeeinrichtungen den risikotragenden Deckungsgrad anwenden. Diese Kennzahl kombiniert die finanzielle und strukturelle Risikofähigkeit einer Kasse. Ermittelt wird die Belastung der aktiven Versicherten und der Arbeitgeber. Je höher der Rentneranteil bei einer Vorsorgeeinrichtung ist, umso stärker liegen die Risiken bei den Erwerbstätigen. Gemäss Berechnungen liegt der risikotragende Deckungssatz bis zu 15 Prozent unter dem normalen technischen Deckungsgrad.

Technischer Zinssatz als Schlüsselgrösse

Inmitten von Mini- oder gar Negativzinsen ist der technische Zinssatz zu einer wichtigen Masseinheit avanciert. Dabei handelt es sich um eine rechnerische Grösse, welche dem Zinsertrag entspricht, der während der Laufzeit einer Rente eingerechnet ist. Die Höhe hängt von der erwarteten Entwicklung an den Finanzmärkten ab. Der Trend verläuft seit Jahren abwärts. Im letzten Herbst hat die Aufsichtsbehörde den Mindeststandard erstmals unter 2 Prozent abgesenkt. Für Kassen mit Periodentafeln liegt die Obergrenze beim technischen Zinssatz nun bei 1,68 Prozent, bei der Verwendung von Generationentafeln sind maximal 1,98 Prozent möglich. Aus Sicht des Regulators ist es wichtig, dass der technische Zinssatz umso näher beim risikoarmen Zinssatz liegt, je höher der Anteil des Vorsorgekapitals der Rentner am gesamten Vermögen einer Pensionskasse ist.