Die Scheinwerfer sind auf die Zürcher Wirtschaftsmetropole gerichtet. Doch ist das nur die Spitze des Eisbergs. Im Kanton Aargau, in der Ostschweiz, im Kanton Bern oder im Kanton Freiburg, und auch in Basel sieht die Situation nicht besser aus. Und jedes Mal springt der Kanton ein, um seinen in Finanznot geratenen Spitälern unter die Arme zu greifen. Allein aus den vergangenen zwei Jahren kommt so eine enorme Summe an finanzieller Unterstützung für grosse und kleinere Spitäler zusammen.
Pius Zängerle, Direktor curafutura.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben sind es folgende Frankenbeträge: Felix Platter Spital in Basel, 96 Mio. Wertberichtigung für die Abschreibung des Neubaus; 240 Mio. für das in Not geratene Kantonsspital in Aarau; die Umwandlung eines Kredites über 40 Mio. in Eigenkapital für das im Kanton St. Gallen domizilierte Spital im Rheintal, 40 Mio. für das Spital in Uznach und weitere 100 Mio. Baukredit für das Spital in Grabs; eine Bürgschaft über 105 Mio. und ein Darlehen über 70 Mio. im Kanton Freiburg; 15 Mio. Franken Wertberichtigung für das Zürcher Stadtspital Triemli und nochmals 176 Mio. Franken Abschreibung; weitere 4 Mio. für den Notfall des universitären Kinderspitals und jüngst nochmals 135 Mio. als Finanzspritze.
Jährlich wiederkehrend über 2 Milliarden an Subventionen [1]
Zudem ist eine jährlich wiederkehrende und massive finanzielle Unterstützung «installiert». Das geht aus einer Studie aus dem Jahr 2021 hervor, die der Universitätsprofessor und Gesundheitsökonom Stefan Felder mitverfasst hat. Demnach fliessen rund 2.4 Milliarden Franken pro Jahr ausschliesslich an öffentliche und subventionierte Spitäler. Das sind über 95 % aller Kantonssubventionen. Die jüngsten Ereignisse und die damit in Verbindung stehenden Feuerwehrübungen für die in finanzielle Not geratenen Spitäler sind hierbei notabene nicht eingerechnet.
Geradezu humoristisch wirkt im Kontrast dazu die Botschaft vieler Kantonalregierungen, ihre Spitäler stünden selbständig auf eigenen Füssen; hätten sich abgenabelt.
Was ist zu tun? Wo liegen die Ursachen? Und ist an der Dynamik der in Finanznot sich befindenden Spitäler alles nur schlecht?
Nein, ist es nicht. Denn ja, wir haben zu viele Spitäler und denken zu wenig in Spitalregionen. 278 Spitäler sind es aktuell gemäss des Bundesamtes für Statistik.
Trotz Finanzmisere ist der Drang nach Spitzenmedizin ungebrochen, wie beispielsweise in St. Gallen, wo nun Herzchirurgie auf höchstem Niveau betrieben werden soll. Genauso wenig sinnvoll ist es, dass Spitäler in Prunk-Neubauten investieren, die zwar toll aussehen und modernste Infrastruktur bieten, aber vorwiegend auf Bettenbelegung und stationäre Aufenthalte ausgerichtet sind. Derweil die von Experten und Politik erwünschte günstigere Ambulantisierung weiter vorangetrieben werden muss.
Opportun ist, endlich wegzukommen von überdimensionierten Neubauten. Kein gutes Vorbild ist der Kanton Aargau, wo der Bevölkerung innert 20 Minuten Fahrdistanz gleich zwei Kantonsspitäler mit Vollprogramm angeboten werden - eines in Aarau, eines in Baden. In Aarau entsteht gerade ein neues, überdimensioniertes Spital, wohl um dann den Anspruch erheben zu können, man müsse nun auch Universitätsspital-Status bekommen. Nicht gewollt ist auch die unbeschränkte Götti-Haltung der Kantone auf Kosten der Steuerzahlerinnen und -zahler, indem sie ihren Spitalchefs zwar grollen, und dennoch jedes Mal in die Tasche greifen. Wo bleibt denn da der Lerneffekt?
Im Fokus der Diskussion sind die Spitalstrukturen sowie die Finanzierung und Tarifierung.
Es ist überfällig, die Leistungsaufträge der Kantone an die Spitäler neu zu organisieren. Aktuell bieten viel zu viele Spitäler dasselbe Angebot an. Es braucht eine Fokussierung wie folgt:
Universitätsspitäler sollen sich grundsätzlich auf die (hoch)spezialisierte Medizin konzentrieren. Die Medizin der (spezialisierten) Grundversorgung sollen sie anderen überlassen bzw. diese andernorts kostenoptimiert leisten. Zentrumsspitäler sollen sich der erweiterten (spezialisierten) Grundversorgung widmen, jedoch aufhören, universitäre Medizin praktizieren zu wollen. An ihnen ist es, die hochspezialisierte Medizin den Unispitälern zu überlassen – und gleichzeitig darauf zu verzichten, alles im Zentrum machen zu wollen. Und schliesslich soll die ambulante, wenig infrastrukturlastige Medizin vor allem in Ambulatorien geleistet werden. Und an den Spitalregionen – bestehend in der Regel aus mehreren Kantonen – ist es, dafür zu sorgen, dass horizontal differenziert Angebote zugeordnet werden, damit nicht innerhalb von 15 Minuten Autofahrt Leistungen mit teuren Infrastrukturen doppelt und mehrfach angeboten werden.
Vorbei wären damit auch die Zeiten, wo sich das Uni-Spital um Bagatell-Unfälle und Bagatell-Krankheiten kümmert, und das Zentrums- oder Regionalspital hoch komplexe Herz-OP mit entsprechend Kosten verschlingender Spezialinfrastruktur stemmt. Die Bevölkerung wird das bei kluger Entwicklung mittragen. Weil das Angebot klar definiert ist und die Verschleuderung von Steuer- und Prämiengeld gestoppt wird.
Punkto Finanzierung sind wir mit dem Ja des Parlaments zur einheitlichen Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen EFAS im vergangenen Dezember einen grossen Schritt weitergekommen, weil dadurch die günstigere ambulante Behandlung einen Schub erhält. Damit wächst der Druck auf die Spitalplaner, verstärkt in effiziente ambulante Einrichtungen zu investieren. Dass im Herbst noch eine Zusatzschlaufe über eine Volksabstimmung zu EFAS ansteht, ändert nichts an der Tatsache: Die ambulanten Behandlungen müssen weiter zulegen, trotz der Planungen jener Spitalleitungen, die ihren Fokus nach wie vor zu stark auf die stationäre Versorgung legen.
Massgeblich Einfluss auf die Finanznot der Spitäler hat auch die Tarifierung. Im Fokus ist die ambulante Tarifstruktur, die vor nunmehr 20 Jahren mit dem TARMED eingeführt wurde. Sie ist veraltet und bildet die aktuelle Medizin schon längst nicht mehr ab. Das kostet doppelt – es befeuert die Über- und die Fehlversorgung und ist auch hauptverantwortlich für die Unterversorgung, dies vor allem bei den Hausärzten und in der Psychiatrie. Umso unverständlicher, dass gerade diejenigen am lautesten wehklagen, die wenig zur Ablösung beigetragen haben oder noch immer auf Verzögerung machen.
Aktuell liegt es an Bundesrätin Baume-Schneider und am Bundesrat zu entscheiden, ob der startklare TARDOC per 1. Januar 2025 auch tatsächlich an den Start gehen kann. Womit vor allem und endlich auch den unter Finanznot leidenden Kinderspitälern geholfen würde. Denn der TARDOC bringt ihnen finanzielle Verbesserung – bei insgesamt kostenneutraler Einführung.
Das Paradoxe am TARDOC: Alle Tarifpartner, also curafutura, FMH, H+ und santésuisse, befürworten den TARDOC. Und trotzdem ist es alles andere als klar, dass er auch schnellstmöglich zum Einsatz kommt. Ein Zögern und oder gar ein Taktieren seitens des Eidgenössischen Departements des Innern EDI wäre auch mit Blick auf das Sparpotenzial von CHF 600 Mio. völlig unverständlich – oder ist die Not noch nicht gross genug?
Wer die schwierige Situation der Spitäler betrauert, nach Massnahmen ruft und einen veralteten ambulanten Arzttarif beklagt, der soll nach dem TARDOC fragen. Und damit an die Adresse von Bundesrätin Baume-Schneider verweisen. Sie hat es in der Hand, dass dieser per 1. Januar 2025 eingeführt wird.